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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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?>in schwarze Mutter Gottes von Rand

Schon an einem der nächsten Tage ging der Bauer in die Stadt und bestellte
dort bei dem Devotionalienhändler ein Gewand für die schwarze Mutter Gottes
von Reith, deren Maß man ja hatte. Er bekam versprochen, daß es ein ganz
besonders schönes Gewand werden solle, womit er bei der heiligen Jungfrau gewiß
Ehre einlegen werde. Es war freilich nur vieles teurer, als er erwartet hatte,
aber ihm war es um das Geld nicht leid. Und die drei Messen wollte er auch
noch lesen lassen, obwohl sie erst nachträglich zum Geliibde gekommen waren und
darum nicht unbedingt dazu gehörten.

Als er nach einiger Zeit seine Gewandspende dem Meßner der Wallfahrts¬
kirche übergab, erfuhr er, daß die schwarze Mutter Gottes sechshundertsiebenundneunzig
Kleider hatte, darunter solche ganz aus Goldbrokat und mit echten Edelsteinen
besetzt, und sie wurden ihm auch gezeigt: in Kasten mit vielen flachen Laden, die
sorglich versperrt waren, lagen sie und die kostbarsten hingen an der Wand unter
Glas. Dagegen war nun sein gesticktes weißes Gewand recht armselig, aber er
freute sich doch, als der Meßner sagte, auch sein .Kleid werde darankommen,
wenn die Reihe an ihm sei, und er meinte, er werde das an dem betreffenden
Tage spüren müssen wie einen besonderen Segen. Dann zahlte er auch noch
seine drei Messen, sagte der Mutter Gottes Dank im Gebet und ging heim in
froher Erleichterung.

Nun kam zunächst die müßige Winterzeit. Man schlief lange und saß den
Tag über zumeist hinterm Ofen. Wo kein Korn eingebracht worden war, gab es
so gut wie gar nichts zu tun. Dann und wann erhielt man Besuch. Gewöhnlich
war es eine Gevatterin aus der Nachbarschaft, ein älteres Weib, das den Frauen
in Kindesnöten beistand und auch seiner Frau diesen Dienst getan hatte. Der
Besuch war ihm nicht sonderlich angenehm, denn die Alte wußte von nichts als
Entbindungen zu erzählen und tat dies mit einer Ausführlichkeit, die ihm übel
machte. Aber seine Frau konnte sie vielleicht wieder brauchen, und da mußte
man Freundschaft mit ihr halten. Als ihn darum eines Tages seine Frau fragte,
ob sie der Gevatterin nicht von ihren Kartoffeln welche mitgeben dürfe, willigte
er ohne weiteres ein. Durchs Fenster sah er dann das Weib mit einem ziemlich
großen Sacke auf dem Rücken fortgehn.

"Du hättest ihr nicht so viel zu geben brauchen," sagte er zu seiner Frau,
als sie wieder in die Stube trat.

Sie meinte, die Gevatterin habe es sehr karg und werde nicht so bald
wiederkommen.

Er ließ es gut sein.

Aber schon nach kurzer Zeit fragte ihn seine Frau, ob sie der Gevatterin
von dem Mehl, das er von seinen Ersparnissen eingeschafft hatte, ablassen dürfe.
Er wollte es weigern, gab es aber doch zu. Er war freundlich gestimmt. Es
mochte eine Art Nachtrag zu den Messen sein. Die heilige Jungfrau würde die
Guttat sehen und sich über sie freuen.

Ein nächstes Mal merkte er, daß die Gevatterin mit einem Packe fortging,
ohne daß seine Frau erst gefragt hatte. Er begehrte von ihr Aufschluß darüber.
Sie wurde etwas verlegen, machte erst die Ausflucht, die Alte habe den Packen
schon beim Kommen mitgehabt, und entschuldigte dann ihre Eigenmächtigkeit, weil
jene "gar so ein armes Weib sei".


?>in schwarze Mutter Gottes von Rand

Schon an einem der nächsten Tage ging der Bauer in die Stadt und bestellte
dort bei dem Devotionalienhändler ein Gewand für die schwarze Mutter Gottes
von Reith, deren Maß man ja hatte. Er bekam versprochen, daß es ein ganz
besonders schönes Gewand werden solle, womit er bei der heiligen Jungfrau gewiß
Ehre einlegen werde. Es war freilich nur vieles teurer, als er erwartet hatte,
aber ihm war es um das Geld nicht leid. Und die drei Messen wollte er auch
noch lesen lassen, obwohl sie erst nachträglich zum Geliibde gekommen waren und
darum nicht unbedingt dazu gehörten.

Als er nach einiger Zeit seine Gewandspende dem Meßner der Wallfahrts¬
kirche übergab, erfuhr er, daß die schwarze Mutter Gottes sechshundertsiebenundneunzig
Kleider hatte, darunter solche ganz aus Goldbrokat und mit echten Edelsteinen
besetzt, und sie wurden ihm auch gezeigt: in Kasten mit vielen flachen Laden, die
sorglich versperrt waren, lagen sie und die kostbarsten hingen an der Wand unter
Glas. Dagegen war nun sein gesticktes weißes Gewand recht armselig, aber er
freute sich doch, als der Meßner sagte, auch sein .Kleid werde darankommen,
wenn die Reihe an ihm sei, und er meinte, er werde das an dem betreffenden
Tage spüren müssen wie einen besonderen Segen. Dann zahlte er auch noch
seine drei Messen, sagte der Mutter Gottes Dank im Gebet und ging heim in
froher Erleichterung.

Nun kam zunächst die müßige Winterzeit. Man schlief lange und saß den
Tag über zumeist hinterm Ofen. Wo kein Korn eingebracht worden war, gab es
so gut wie gar nichts zu tun. Dann und wann erhielt man Besuch. Gewöhnlich
war es eine Gevatterin aus der Nachbarschaft, ein älteres Weib, das den Frauen
in Kindesnöten beistand und auch seiner Frau diesen Dienst getan hatte. Der
Besuch war ihm nicht sonderlich angenehm, denn die Alte wußte von nichts als
Entbindungen zu erzählen und tat dies mit einer Ausführlichkeit, die ihm übel
machte. Aber seine Frau konnte sie vielleicht wieder brauchen, und da mußte
man Freundschaft mit ihr halten. Als ihn darum eines Tages seine Frau fragte,
ob sie der Gevatterin nicht von ihren Kartoffeln welche mitgeben dürfe, willigte
er ohne weiteres ein. Durchs Fenster sah er dann das Weib mit einem ziemlich
großen Sacke auf dem Rücken fortgehn.

„Du hättest ihr nicht so viel zu geben brauchen," sagte er zu seiner Frau,
als sie wieder in die Stube trat.

Sie meinte, die Gevatterin habe es sehr karg und werde nicht so bald
wiederkommen.

Er ließ es gut sein.

Aber schon nach kurzer Zeit fragte ihn seine Frau, ob sie der Gevatterin
von dem Mehl, das er von seinen Ersparnissen eingeschafft hatte, ablassen dürfe.
Er wollte es weigern, gab es aber doch zu. Er war freundlich gestimmt. Es
mochte eine Art Nachtrag zu den Messen sein. Die heilige Jungfrau würde die
Guttat sehen und sich über sie freuen.

Ein nächstes Mal merkte er, daß die Gevatterin mit einem Packe fortging,
ohne daß seine Frau erst gefragt hatte. Er begehrte von ihr Aufschluß darüber.
Sie wurde etwas verlegen, machte erst die Ausflucht, die Alte habe den Packen
schon beim Kommen mitgehabt, und entschuldigte dann ihre Eigenmächtigkeit, weil
jene „gar so ein armes Weib sei".


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/398>, abgerufen am 25.08.2024.