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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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(Qualitätsbezeichnungen

stand fühlen, zugleich als der Stand, dem die Interessen der Kunst, der
Gewerbeknnst, anheimgegeben sind, der den Thron des Kaisers zimmert und
vergoldet, der den Altar des Vaterlandes baut und die Waffen gegen die
Feinde des Vaterlandes schmiedet. Welcher andere Stand kann es mit solchem
aufnehmen?

Und man muß das Handwerk nicht zu eng fassen. Nach unten ergänzt
es sich fortwährend aus dem Arbeiterstand. Der Arbeiter ist selbst eigentlich
zum größten Teil Handwerker, unselbständiger Handwerker oder Geselle, z. B.
der Zimmermann, Gärtner, Maurer, das gilt selbst vom Fabrikarbeiter. Vielleicht
läßt sich später einmal etwas tun, wie man diese Arbeiter den Hcmdwerker-
orgauisationen in irgendeiner Form dienstbar machen kann.

Nach oben verbreitert sich das Handwerk zur Industrie im engeren Sinne.
Eure Fabrik ist ein Handwerksgroßbetrieb. Daß in der Fabrik mehr mit
Maschinen gearbeitet wird als im eigentlichen Handwerk, spielt gar keineRolle. Denn
die Maschine selbst muß doch wieder von der Hand und vom Handwerker bedient
werden. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, die Maschine ist der Entwicklung
des reinen Arbeiterstandes zum Handwerkerstande günstig, denn sie nimmt die
eigentliche Fabriksarbeit, die mechanische Arbeitersronarbeit auf sich und schafft
Platz für geistige, handwerkliche und künstlerische Arbeit. In der Kindheitszeit
der Maschine glaubten wir wohl an das Ammenmärchen, daß die Maschine den
Handwerker tot und überflüssig mache. Heute wollen wir vielmehr einsehen,
daß gerade die Maschine den Handwerker frei macht.

In der ausgezeichneten Denkschrift der sächsischen Mittelstandsvereinigung
ist der Kampf gegen die Materialqualitätsverschleierung ausdrücklich vorgesehen.
S. 28 ist von der trügerischen Manipulation des Verkaufs der Bera-Diamanten
die Rede. Auf der folgenden Seite heißt es: "Ferner wäre zu erwägen,
ob nicht durch Einrichtungen öffentlicher kostenfreier Prnfungsämter die Über¬
wachung des trügerischen Warenhandels angebahnt und den Fälschungen und
Täuschungen ein Riegel vorgeschoben werden könnte. Durch die Aufbietung von
Schundwaren zu Schleuderpreisen wird der solide Kaufmann und Handwerker
schwer geschädigt und gleichzeitig das Publikum um sein gutes Geld betrogen.
Die öffentliche Brandmarkung des unsolider Warenhandels durch die behördlichen
Ämter könnte hier viele Mißstände beseitigen."

In der Tat ist diese Materiälkontrollangelegenheit eine Sache des Hand¬
werkes und Mittelstandes. Denn des unlauteren Wettbewerbes der Material¬
verfälschung bedienen sich nicht die Handwerker der einzelnen Branchen, zum
mindesten nicht zugunsten ihrer eigenen Taschen, sondern zugunsten der Taschen
der Warenhäuser und Großkaufhäuser und Basare. Diese sind es, welche Waren
aller Art scheinbar spottbillig, im Grunde horrend teuer, nämlich mit Qualitäts¬
verschleierung unter Materialersatz, Materialfälschung und Verfälschung verkaufen,
das Publikum düpieren, die Konkurrenzproduktion schädigen und die Konkurrenz¬
geschäfte unmöglich machen. Wie viele zehntausend Handwerkerexistenzen richtet


(Qualitätsbezeichnungen

stand fühlen, zugleich als der Stand, dem die Interessen der Kunst, der
Gewerbeknnst, anheimgegeben sind, der den Thron des Kaisers zimmert und
vergoldet, der den Altar des Vaterlandes baut und die Waffen gegen die
Feinde des Vaterlandes schmiedet. Welcher andere Stand kann es mit solchem
aufnehmen?

Und man muß das Handwerk nicht zu eng fassen. Nach unten ergänzt
es sich fortwährend aus dem Arbeiterstand. Der Arbeiter ist selbst eigentlich
zum größten Teil Handwerker, unselbständiger Handwerker oder Geselle, z. B.
der Zimmermann, Gärtner, Maurer, das gilt selbst vom Fabrikarbeiter. Vielleicht
läßt sich später einmal etwas tun, wie man diese Arbeiter den Hcmdwerker-
orgauisationen in irgendeiner Form dienstbar machen kann.

Nach oben verbreitert sich das Handwerk zur Industrie im engeren Sinne.
Eure Fabrik ist ein Handwerksgroßbetrieb. Daß in der Fabrik mehr mit
Maschinen gearbeitet wird als im eigentlichen Handwerk, spielt gar keineRolle. Denn
die Maschine selbst muß doch wieder von der Hand und vom Handwerker bedient
werden. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, die Maschine ist der Entwicklung
des reinen Arbeiterstandes zum Handwerkerstande günstig, denn sie nimmt die
eigentliche Fabriksarbeit, die mechanische Arbeitersronarbeit auf sich und schafft
Platz für geistige, handwerkliche und künstlerische Arbeit. In der Kindheitszeit
der Maschine glaubten wir wohl an das Ammenmärchen, daß die Maschine den
Handwerker tot und überflüssig mache. Heute wollen wir vielmehr einsehen,
daß gerade die Maschine den Handwerker frei macht.

In der ausgezeichneten Denkschrift der sächsischen Mittelstandsvereinigung
ist der Kampf gegen die Materialqualitätsverschleierung ausdrücklich vorgesehen.
S. 28 ist von der trügerischen Manipulation des Verkaufs der Bera-Diamanten
die Rede. Auf der folgenden Seite heißt es: „Ferner wäre zu erwägen,
ob nicht durch Einrichtungen öffentlicher kostenfreier Prnfungsämter die Über¬
wachung des trügerischen Warenhandels angebahnt und den Fälschungen und
Täuschungen ein Riegel vorgeschoben werden könnte. Durch die Aufbietung von
Schundwaren zu Schleuderpreisen wird der solide Kaufmann und Handwerker
schwer geschädigt und gleichzeitig das Publikum um sein gutes Geld betrogen.
Die öffentliche Brandmarkung des unsolider Warenhandels durch die behördlichen
Ämter könnte hier viele Mißstände beseitigen."

In der Tat ist diese Materiälkontrollangelegenheit eine Sache des Hand¬
werkes und Mittelstandes. Denn des unlauteren Wettbewerbes der Material¬
verfälschung bedienen sich nicht die Handwerker der einzelnen Branchen, zum
mindesten nicht zugunsten ihrer eigenen Taschen, sondern zugunsten der Taschen
der Warenhäuser und Großkaufhäuser und Basare. Diese sind es, welche Waren
aller Art scheinbar spottbillig, im Grunde horrend teuer, nämlich mit Qualitäts¬
verschleierung unter Materialersatz, Materialfälschung und Verfälschung verkaufen,
das Publikum düpieren, die Konkurrenzproduktion schädigen und die Konkurrenz¬
geschäfte unmöglich machen. Wie viele zehntausend Handwerkerexistenzen richtet


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/391>, abgerufen am 23.07.2024.