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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Ein Markstein in der Geschichte dieser Bewegung ist dann die Schrift des
Geh. Justizrath Prof. Dr. Kohler "Treu und Glauben im Verkehr". Und ein
ähnlicher konsequenter Charakter ist der Österreicher Emil Steinbach, dessen im
Jahre 1900 erschienenes Buch ebenfalls "Treu und Glauben im Verkehr"
betitelt ist. Steinbach wurde 1891 Finanzminister, 1899 erster Präsident des
obersten Gerichts und Kassationshofes. Im Jahre 1903 erschien seine Schrift
"Der Staat und die modernen Privatmonopole".

An Gesetzen liegen bisher vor: das Handwerkergesetz, das neue Gesetz gegen
den unlauteren Wettbewerb und das Gesetz für die Sicherung von Bauforderungen.
Wir haben es hier eben, wie Dr. Obst dargelegt hat, mit einer allgemeinen,
um Wahrhaftigkeit ringenden Kulturbewegung zu tun, welche Treu und Glauben
in Handel und Wandel zur Anerkennung bringen will. Diese Bewegung ist zum
Teil sogar international. International ist der Verband für die Materialprüfungen
der Technik, dessen jüngster Kongreß Anfang September 1909 in Kopenhagen
stattfand. Erinnert sei ferner an den Kampf Roosevelts, ebenfalls eines Wahr¬
haftigkeit-Apostels, gegen die amerikanischen Syndikate und Trusts, an seine
Mahnung an Taft in der Juni-Nummer 1909 des "Outlooks", in der er an
das amerikanische Volk einen leidenschaftlichen Appell richtet, im Kampfe gegen
die Unehrlichkeit im politischen und kommerziellen Leben nicht zu erlahmen.
Erinnert sei ferner daran, daß wir auf dem Gebiete des Pelzmaterials Anfänge
einer Materialkontrolle bereits besitzen: der Pelzwarenausschuß der Londoner
Handelskammer bildete eine Aussichtssektion, die kürzlich in einem Zirkular
Deklarationspflicht gegenüber folgenden Unterschiebungen verlangte: gefärbte
Kaninchen und Ottern an Stelle von Seal, Murmeltiere an Stelle von Nerz,
weiße Hasen an Stelle von Fuchs, weiße Kaninchen an Stelle von Hermelin oder
Chinchilla, gefärbte Ziegenfelle an Stelle von Bärenfellen usf. Auf einem anderen
Gebiete, in der Seifenfabrikation, besteht eine Kontrolle zum Teil schon, indem
z. B. die Seifenfabrikanten des Bundesstaates Sachsen die Deklarationspflicht
für gefüllte oder Verschnittseife eingeführt haben, ähnlich wie der Kognakparagraph
des neuen Weingesetzes bestimmt, daß Trinkbranntwein, der neben Kognak
Alkohol anderer Art enthält, als Kognakverschnitt bezeichnet werden muß, aber
nur dann so bezeichnet werden darf, wenn mindestens ein Zehntel des Alkohols
aus Wein gewonnen ist.

Das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist hauptsächlich gegen
den Ausverkaufsschwindel gerichtet. Was nützt es aber, wenn wir uns gegen
diesen wenden und ihn einschränken, wenn dabei die Waren, die nicht
in Ausverkäufen, sondern in regelrechtem Ladenverkauf ausgeboten werden,
gefälscht oder verfälscht sind? Hier sehen wir, daß die Materialgediegenheit die
Grundlage bildet, auf welcher allein ein solider Handel sich aufbauen kann.
Das Moment der Echtheit folgt aus der Ehrlichkeit. Es ist unehrlich, ein
Material durch ein minder wertvolles arglistig zu ersetzen und den Käufer zu
täuschen.


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Ein Markstein in der Geschichte dieser Bewegung ist dann die Schrift des
Geh. Justizrath Prof. Dr. Kohler „Treu und Glauben im Verkehr". Und ein
ähnlicher konsequenter Charakter ist der Österreicher Emil Steinbach, dessen im
Jahre 1900 erschienenes Buch ebenfalls „Treu und Glauben im Verkehr"
betitelt ist. Steinbach wurde 1891 Finanzminister, 1899 erster Präsident des
obersten Gerichts und Kassationshofes. Im Jahre 1903 erschien seine Schrift
„Der Staat und die modernen Privatmonopole".

An Gesetzen liegen bisher vor: das Handwerkergesetz, das neue Gesetz gegen
den unlauteren Wettbewerb und das Gesetz für die Sicherung von Bauforderungen.
Wir haben es hier eben, wie Dr. Obst dargelegt hat, mit einer allgemeinen,
um Wahrhaftigkeit ringenden Kulturbewegung zu tun, welche Treu und Glauben
in Handel und Wandel zur Anerkennung bringen will. Diese Bewegung ist zum
Teil sogar international. International ist der Verband für die Materialprüfungen
der Technik, dessen jüngster Kongreß Anfang September 1909 in Kopenhagen
stattfand. Erinnert sei ferner an den Kampf Roosevelts, ebenfalls eines Wahr¬
haftigkeit-Apostels, gegen die amerikanischen Syndikate und Trusts, an seine
Mahnung an Taft in der Juni-Nummer 1909 des „Outlooks", in der er an
das amerikanische Volk einen leidenschaftlichen Appell richtet, im Kampfe gegen
die Unehrlichkeit im politischen und kommerziellen Leben nicht zu erlahmen.
Erinnert sei ferner daran, daß wir auf dem Gebiete des Pelzmaterials Anfänge
einer Materialkontrolle bereits besitzen: der Pelzwarenausschuß der Londoner
Handelskammer bildete eine Aussichtssektion, die kürzlich in einem Zirkular
Deklarationspflicht gegenüber folgenden Unterschiebungen verlangte: gefärbte
Kaninchen und Ottern an Stelle von Seal, Murmeltiere an Stelle von Nerz,
weiße Hasen an Stelle von Fuchs, weiße Kaninchen an Stelle von Hermelin oder
Chinchilla, gefärbte Ziegenfelle an Stelle von Bärenfellen usf. Auf einem anderen
Gebiete, in der Seifenfabrikation, besteht eine Kontrolle zum Teil schon, indem
z. B. die Seifenfabrikanten des Bundesstaates Sachsen die Deklarationspflicht
für gefüllte oder Verschnittseife eingeführt haben, ähnlich wie der Kognakparagraph
des neuen Weingesetzes bestimmt, daß Trinkbranntwein, der neben Kognak
Alkohol anderer Art enthält, als Kognakverschnitt bezeichnet werden muß, aber
nur dann so bezeichnet werden darf, wenn mindestens ein Zehntel des Alkohols
aus Wein gewonnen ist.

Das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist hauptsächlich gegen
den Ausverkaufsschwindel gerichtet. Was nützt es aber, wenn wir uns gegen
diesen wenden und ihn einschränken, wenn dabei die Waren, die nicht
in Ausverkäufen, sondern in regelrechtem Ladenverkauf ausgeboten werden,
gefälscht oder verfälscht sind? Hier sehen wir, daß die Materialgediegenheit die
Grundlage bildet, auf welcher allein ein solider Handel sich aufbauen kann.
Das Moment der Echtheit folgt aus der Ehrlichkeit. Es ist unehrlich, ein
Material durch ein minder wertvolles arglistig zu ersetzen und den Käufer zu
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/389>, abgerufen am 23.07.2024.