Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.Peter Behrens und die A, <L, G. Industrie noch nicht sehr stark beeinflußt; sie ist wohl bereit, die Erfindergabe Es fehlte innerhalb der Industrie nicht an Stimmen, die von der Beteiligung Man darf freilich der Industrie keinen Vorwurf aus ihrer Unterschätzung Peter Behrens und die A, <L, G. Industrie noch nicht sehr stark beeinflußt; sie ist wohl bereit, die Erfindergabe Es fehlte innerhalb der Industrie nicht an Stimmen, die von der Beteiligung Man darf freilich der Industrie keinen Vorwurf aus ihrer Unterschätzung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0038" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316327"/> <fw type="header" place="top"> Peter Behrens und die A, <L, G.</fw><lb/> <p xml:id="ID_100" prev="#ID_99"> Industrie noch nicht sehr stark beeinflußt; sie ist wohl bereit, die Erfindergabe<lb/> des Künstlers auszunützen und seine Fähigkeit, ihr neue Formen und Ornamente<lb/> zu schaffen, aber sie wehrt sich noch dagegen, seine Moral und seine Sorge für<lb/> gute Ausführung und fiir die Anwendung von tadellosem Material anzunehmen.<lb/> Ein solches Resultat muß negativ sein und unbedingt zu der Schlußfolgerung<lb/> führen, daß das Eingreifen der Künstler gar nichts vermocht hat; weder wurde<lb/> dadurch das Schicksal der neuen Formen und Ornamente gesichert, noch half es<lb/> dem Industriellen gegen die ausländische Konkurrenz."</p><lb/> <p xml:id="ID_101"> Es fehlte innerhalb der Industrie nicht an Stimmen, die von der Beteiligung<lb/> der Künstler an industriellen Erzeugnissen überhaupt nichts hielten. Wozu das<lb/> alles? fragten sie. Wenn wir unsere gediegenen technischen Erfahrungen in ein<lb/> gutes Material verarbeiten, so muß auch ohne besondere künstlerische Prinzipien<lb/> etwas entstehen, was sich sehen lassen kann. Die zweifellose Wahrheit, die in<lb/> dieser Erwägung liegt, und die sich besonders an den vortrefflichen Erzeugnissen<lb/> der deutschen Maschinenindustrie erprobt hat, wird nicht umgestoßen, wenn wir<lb/> sagen: eine Maschine, die richtig konstruiert, ohne Materialverschwendung zweckvoll<lb/> gearbeitet und überdies noch schön gestaltet ist, wird notwendig wertvoller<lb/> erscheinen als eine andere Maschine, der diese schöne Gestaltung abgeht. Es<lb/> gibt immerhin auch unter den scheinbar so reinen Nützlichkeitsprodukten, als die<lb/> die Maschinen gelten, solche, bei denen die Gestalt ihr Wort mitspricht und die<lb/> wirtschaftliche Bewertung des Erzeugnisses mitbestimmt. Oder allgemeiner gesagt:<lb/> auch auf dem unübersehbaren Felde der industriellen Massenproduktion ist das<lb/> Bestreben nach Form und Farbe, den Urelementen der bildenden Künste, allgemein<lb/> und kann zu besseren oder schlechteren Ergebnissen führen.</p><lb/> <p xml:id="ID_102" next="#ID_103"> Man darf freilich der Industrie keinen Vorwurf aus ihrer Unterschätzung<lb/> der ästhetisch bildenden Faktoren machen — waren doch zu Beginn der allgemeinen<lb/> Geschmacksreform die rationalistischen Wortführer diejenigen, die an? glaubhaftesten<lb/> das nüchterne Evangelium der reinen Zweckform predigten. Eine Sachlichkeit<lb/> wurde verlangt, die auf all und jede Beteiligung der schöpferischen Formen¬<lb/> phantasie verzichten zu können glaubte. Kunst ist, was zweckmäßig und material¬<lb/> gerecht ist und jede Zutat vermeidet, die nur dekorativ, nicht durch den praktischen<lb/> Gebrauch des Dinges gerechtfertigt ist. Wären wir auf diesem Wege weiter<lb/> gegangen, so hätten wir unfehlbar beim Normalhanse für den Normalmenschen,<lb/> bei der Normalkaffeetasse, dem typischen Besteck, dem einzig zweckgercchten<lb/> Tischtuch, dem Normalsessel und den verschiedenen genau bestimmten Typen des<lb/> proletarischen, des bürgerlichen und des feudalen Sofas anlangen müssen. Wir<lb/> wären mit dieser nüchternen Ökonomie unserer Gebrauchsdinge geschmacklich ans<lb/> einem ähnlich toten Punkte angelangt, auf dem die erste deutsche Gewerbe-<lb/> ausstellung zu Berlin im Jahre 1844 zu stehen schien. Dort erhielt der ver¬<lb/> goldete Armlehnstuhl mit Musik eines königlichen Hoftapeziers die , goldene<lb/> Medaille, und die Jury urteilte über die Rarität merkwürdig genug: „Diese<lb/> Arbeiten waren unstreitig die vorzüglichsten ihrer Art. . . das einzige, was als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
Peter Behrens und die A, <L, G.
Industrie noch nicht sehr stark beeinflußt; sie ist wohl bereit, die Erfindergabe
des Künstlers auszunützen und seine Fähigkeit, ihr neue Formen und Ornamente
zu schaffen, aber sie wehrt sich noch dagegen, seine Moral und seine Sorge für
gute Ausführung und fiir die Anwendung von tadellosem Material anzunehmen.
Ein solches Resultat muß negativ sein und unbedingt zu der Schlußfolgerung
führen, daß das Eingreifen der Künstler gar nichts vermocht hat; weder wurde
dadurch das Schicksal der neuen Formen und Ornamente gesichert, noch half es
dem Industriellen gegen die ausländische Konkurrenz."
Es fehlte innerhalb der Industrie nicht an Stimmen, die von der Beteiligung
der Künstler an industriellen Erzeugnissen überhaupt nichts hielten. Wozu das
alles? fragten sie. Wenn wir unsere gediegenen technischen Erfahrungen in ein
gutes Material verarbeiten, so muß auch ohne besondere künstlerische Prinzipien
etwas entstehen, was sich sehen lassen kann. Die zweifellose Wahrheit, die in
dieser Erwägung liegt, und die sich besonders an den vortrefflichen Erzeugnissen
der deutschen Maschinenindustrie erprobt hat, wird nicht umgestoßen, wenn wir
sagen: eine Maschine, die richtig konstruiert, ohne Materialverschwendung zweckvoll
gearbeitet und überdies noch schön gestaltet ist, wird notwendig wertvoller
erscheinen als eine andere Maschine, der diese schöne Gestaltung abgeht. Es
gibt immerhin auch unter den scheinbar so reinen Nützlichkeitsprodukten, als die
die Maschinen gelten, solche, bei denen die Gestalt ihr Wort mitspricht und die
wirtschaftliche Bewertung des Erzeugnisses mitbestimmt. Oder allgemeiner gesagt:
auch auf dem unübersehbaren Felde der industriellen Massenproduktion ist das
Bestreben nach Form und Farbe, den Urelementen der bildenden Künste, allgemein
und kann zu besseren oder schlechteren Ergebnissen führen.
Man darf freilich der Industrie keinen Vorwurf aus ihrer Unterschätzung
der ästhetisch bildenden Faktoren machen — waren doch zu Beginn der allgemeinen
Geschmacksreform die rationalistischen Wortführer diejenigen, die an? glaubhaftesten
das nüchterne Evangelium der reinen Zweckform predigten. Eine Sachlichkeit
wurde verlangt, die auf all und jede Beteiligung der schöpferischen Formen¬
phantasie verzichten zu können glaubte. Kunst ist, was zweckmäßig und material¬
gerecht ist und jede Zutat vermeidet, die nur dekorativ, nicht durch den praktischen
Gebrauch des Dinges gerechtfertigt ist. Wären wir auf diesem Wege weiter
gegangen, so hätten wir unfehlbar beim Normalhanse für den Normalmenschen,
bei der Normalkaffeetasse, dem typischen Besteck, dem einzig zweckgercchten
Tischtuch, dem Normalsessel und den verschiedenen genau bestimmten Typen des
proletarischen, des bürgerlichen und des feudalen Sofas anlangen müssen. Wir
wären mit dieser nüchternen Ökonomie unserer Gebrauchsdinge geschmacklich ans
einem ähnlich toten Punkte angelangt, auf dem die erste deutsche Gewerbe-
ausstellung zu Berlin im Jahre 1844 zu stehen schien. Dort erhielt der ver¬
goldete Armlehnstuhl mit Musik eines königlichen Hoftapeziers die , goldene
Medaille, und die Jury urteilte über die Rarität merkwürdig genug: „Diese
Arbeiten waren unstreitig die vorzüglichsten ihrer Art. . . das einzige, was als
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