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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Deutsche Komnmnalbcmk

Bequemlichkeit des Scheckverkehrs ist ein Mittel, durch welches ein Teil der
Depositen der kleinen Kapitalisten den Banken zugeführt wird, während
er sonst in die Sparkassen geflossen wäre. Zwischen Bankdepositen und
Spareinlagen bestand bisher ein wesentlicher Unterschied, der besonders an
der Beweglichkeit zu erkennen ist. Bei den deutschen Sparkassen werden im
Jahre 22 Prozent des Einlagenbestandes zurückgefordert. Von den Depositen
einer Berliner Großbank mit 73 Depositenkassen wurden im Jahre 1908
371 Prozent des am Beginn des Jahres vorhandenen Bestandes zurückgezahlt.
Ein anderes Merkmal ist die durchschnittliche Höhe der Einlagen. Das Durch¬
schnittsguthaben bei den deutschen Sparkassen beträgt etwa 720 Mark, der
Durchschnittsbestand der Depositenkonten bei der erwähnten Großbank betrug
Ende 1908 2838 MM Diese Unterschiede, deren Ursachen klar liegen, würden
sich verwischen, wenn die weitere Entwicklung dahin führte, daß ein beträchtlicher
Teil der Sparkasseneinlagen in die Banken hinübergeleitet würde. Das würde
volkswirtschaftlich nicht von Nutzen sein, und zwar um so weniger, als es nach
Ansicht der Denkschrift im allgemeinen nicht die solidesten Banken sind, die in
den eigentlichen Wettbewerb mit den Sparkassen eintreten.

Diese Verhältnisse haben dazu geführt, daß unter den Sparkassen eine
Bewegung entstanden ist, die auf die allgemeine Einführung des Scheck- und
Überweisungsverkehrs abzielt. Den preußischen Sparkassen ist die Möglichkeit
dazu durch die Vorschriften des Ministers des Innern vom 20. April 1909
betreffend den Scheckverkehr der öffentlichen Sparkassen eröffnet. Von dem Scheck¬
verkehr ist man neuerdings wieder zurückgekommen, da er sich für viele Spar¬
kassen doch nicht zu eignen scheint. Dagegen ist der reine Überweisungs- (Giro-)
Verkehr in der Ausbreitung begriffen. Er ist zunächst mit gutem Erfolge seit
1- Januar 1909 im Königreich Sachsen eingeführt. Er wird nicht durch die
Sparkassen, aber in einer Art von Personalunion mit ihnen bewirkt. Die
Girokassen werden untereinander durch die Zentrale des Giroverbandes sächsischer
Gemeinden verbunden, die sich an die Sächsische Bank anlehnt. Am 4. Dezember 1909
hat die Mitgliederversammlung des Deutschen Sparkaffenverbandes, nachdem Bürger¬
meister Dr. Eberle, Vorsitzender des Sächsischen Giroverbandes, Landrat Freiherr
von Schuckmann und Landesbankrat Reusch (Nassauische Landesbank) über die
Angelegenheit referiert hatten, fast einstimmig beschlossen, die Unterverbände zu
^suchen, die allgemeine Einführung des Giroverkehrs nach sächsischem Muster in
Angriff zu nehmen.

Man kann den Giroverkehr der Sparkassen als kleinen Giroverkehr bezeichnen,
da er vorzugsweise kleine Posten umsetzen und den kleinen Mittelstand an den
bargeldlosen Zahlungsverkehr gewöhnen will. Daß die mittleren Schichten der
deutschen Bevölkerung daran gewöhnt werden können, zeigt das Beispiel des
Hamburger Giroverkehrs, des Scheckverkehrs der Oldenburger Spar- und Leih¬
bank und vor allem des Sächsischen Giroverbandes. Dort sind in mehreren
sächsischen Städten bereits mehr als 1 Prozent der Bevölkerung Kunden der


Die Deutsche Komnmnalbcmk

Bequemlichkeit des Scheckverkehrs ist ein Mittel, durch welches ein Teil der
Depositen der kleinen Kapitalisten den Banken zugeführt wird, während
er sonst in die Sparkassen geflossen wäre. Zwischen Bankdepositen und
Spareinlagen bestand bisher ein wesentlicher Unterschied, der besonders an
der Beweglichkeit zu erkennen ist. Bei den deutschen Sparkassen werden im
Jahre 22 Prozent des Einlagenbestandes zurückgefordert. Von den Depositen
einer Berliner Großbank mit 73 Depositenkassen wurden im Jahre 1908
371 Prozent des am Beginn des Jahres vorhandenen Bestandes zurückgezahlt.
Ein anderes Merkmal ist die durchschnittliche Höhe der Einlagen. Das Durch¬
schnittsguthaben bei den deutschen Sparkassen beträgt etwa 720 Mark, der
Durchschnittsbestand der Depositenkonten bei der erwähnten Großbank betrug
Ende 1908 2838 MM Diese Unterschiede, deren Ursachen klar liegen, würden
sich verwischen, wenn die weitere Entwicklung dahin führte, daß ein beträchtlicher
Teil der Sparkasseneinlagen in die Banken hinübergeleitet würde. Das würde
volkswirtschaftlich nicht von Nutzen sein, und zwar um so weniger, als es nach
Ansicht der Denkschrift im allgemeinen nicht die solidesten Banken sind, die in
den eigentlichen Wettbewerb mit den Sparkassen eintreten.

Diese Verhältnisse haben dazu geführt, daß unter den Sparkassen eine
Bewegung entstanden ist, die auf die allgemeine Einführung des Scheck- und
Überweisungsverkehrs abzielt. Den preußischen Sparkassen ist die Möglichkeit
dazu durch die Vorschriften des Ministers des Innern vom 20. April 1909
betreffend den Scheckverkehr der öffentlichen Sparkassen eröffnet. Von dem Scheck¬
verkehr ist man neuerdings wieder zurückgekommen, da er sich für viele Spar¬
kassen doch nicht zu eignen scheint. Dagegen ist der reine Überweisungs- (Giro-)
Verkehr in der Ausbreitung begriffen. Er ist zunächst mit gutem Erfolge seit
1- Januar 1909 im Königreich Sachsen eingeführt. Er wird nicht durch die
Sparkassen, aber in einer Art von Personalunion mit ihnen bewirkt. Die
Girokassen werden untereinander durch die Zentrale des Giroverbandes sächsischer
Gemeinden verbunden, die sich an die Sächsische Bank anlehnt. Am 4. Dezember 1909
hat die Mitgliederversammlung des Deutschen Sparkaffenverbandes, nachdem Bürger¬
meister Dr. Eberle, Vorsitzender des Sächsischen Giroverbandes, Landrat Freiherr
von Schuckmann und Landesbankrat Reusch (Nassauische Landesbank) über die
Angelegenheit referiert hatten, fast einstimmig beschlossen, die Unterverbände zu
^suchen, die allgemeine Einführung des Giroverkehrs nach sächsischem Muster in
Angriff zu nehmen.

Man kann den Giroverkehr der Sparkassen als kleinen Giroverkehr bezeichnen,
da er vorzugsweise kleine Posten umsetzen und den kleinen Mittelstand an den
bargeldlosen Zahlungsverkehr gewöhnen will. Daß die mittleren Schichten der
deutschen Bevölkerung daran gewöhnt werden können, zeigt das Beispiel des
Hamburger Giroverkehrs, des Scheckverkehrs der Oldenburger Spar- und Leih¬
bank und vor allem des Sächsischen Giroverbandes. Dort sind in mehreren
sächsischen Städten bereits mehr als 1 Prozent der Bevölkerung Kunden der


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[0287] Die Deutsche Komnmnalbcmk Bequemlichkeit des Scheckverkehrs ist ein Mittel, durch welches ein Teil der Depositen der kleinen Kapitalisten den Banken zugeführt wird, während er sonst in die Sparkassen geflossen wäre. Zwischen Bankdepositen und Spareinlagen bestand bisher ein wesentlicher Unterschied, der besonders an der Beweglichkeit zu erkennen ist. Bei den deutschen Sparkassen werden im Jahre 22 Prozent des Einlagenbestandes zurückgefordert. Von den Depositen einer Berliner Großbank mit 73 Depositenkassen wurden im Jahre 1908 371 Prozent des am Beginn des Jahres vorhandenen Bestandes zurückgezahlt. Ein anderes Merkmal ist die durchschnittliche Höhe der Einlagen. Das Durch¬ schnittsguthaben bei den deutschen Sparkassen beträgt etwa 720 Mark, der Durchschnittsbestand der Depositenkonten bei der erwähnten Großbank betrug Ende 1908 2838 MM Diese Unterschiede, deren Ursachen klar liegen, würden sich verwischen, wenn die weitere Entwicklung dahin führte, daß ein beträchtlicher Teil der Sparkasseneinlagen in die Banken hinübergeleitet würde. Das würde volkswirtschaftlich nicht von Nutzen sein, und zwar um so weniger, als es nach Ansicht der Denkschrift im allgemeinen nicht die solidesten Banken sind, die in den eigentlichen Wettbewerb mit den Sparkassen eintreten. Diese Verhältnisse haben dazu geführt, daß unter den Sparkassen eine Bewegung entstanden ist, die auf die allgemeine Einführung des Scheck- und Überweisungsverkehrs abzielt. Den preußischen Sparkassen ist die Möglichkeit dazu durch die Vorschriften des Ministers des Innern vom 20. April 1909 betreffend den Scheckverkehr der öffentlichen Sparkassen eröffnet. Von dem Scheck¬ verkehr ist man neuerdings wieder zurückgekommen, da er sich für viele Spar¬ kassen doch nicht zu eignen scheint. Dagegen ist der reine Überweisungs- (Giro-) Verkehr in der Ausbreitung begriffen. Er ist zunächst mit gutem Erfolge seit 1- Januar 1909 im Königreich Sachsen eingeführt. Er wird nicht durch die Sparkassen, aber in einer Art von Personalunion mit ihnen bewirkt. Die Girokassen werden untereinander durch die Zentrale des Giroverbandes sächsischer Gemeinden verbunden, die sich an die Sächsische Bank anlehnt. Am 4. Dezember 1909 hat die Mitgliederversammlung des Deutschen Sparkaffenverbandes, nachdem Bürger¬ meister Dr. Eberle, Vorsitzender des Sächsischen Giroverbandes, Landrat Freiherr von Schuckmann und Landesbankrat Reusch (Nassauische Landesbank) über die Angelegenheit referiert hatten, fast einstimmig beschlossen, die Unterverbände zu ^suchen, die allgemeine Einführung des Giroverkehrs nach sächsischem Muster in Angriff zu nehmen. Man kann den Giroverkehr der Sparkassen als kleinen Giroverkehr bezeichnen, da er vorzugsweise kleine Posten umsetzen und den kleinen Mittelstand an den bargeldlosen Zahlungsverkehr gewöhnen will. Daß die mittleren Schichten der deutschen Bevölkerung daran gewöhnt werden können, zeigt das Beispiel des Hamburger Giroverkehrs, des Scheckverkehrs der Oldenburger Spar- und Leih¬ bank und vor allem des Sächsischen Giroverbandes. Dort sind in mehreren sächsischen Städten bereits mehr als 1 Prozent der Bevölkerung Kunden der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/287>, abgerufen am 23.07.2024.