Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Deutsche Aommunalbank

weitere Beschränkung hat das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt. Die Hinter¬
bliebene Witwe erhält jetzt ein für allemal den vierten Teil des Nachlasses, wie
oben erwähnt, während ihr nach preußischem Recht bis 1900 nur ein Kindesteil
zufiel, falls vier oder mehr Kinder vorhanden waren. In solchen Fällen erhalten
die Kinder nunmehr erheblich weniger als nach altem Recht; bei einem reinen
Nachlaß von 80000 Mark erbt jedes Kind 1000 Mark weniger. Diese Ein¬
schränkung hat zu keiner Beschwerde irgendwelcher Art Anlaß gegeben; sie ist in
der Bevölkerung wohl ganz unbeachtet geblieben. Man steht daraus, daß grund¬
sätzlich eine Ermäßigung des Erbrechts der Kinder wohl möglich ist. Vollzieht
sie sich im Wege der Besteuerung, so dürfen die Sätze nicht zu niedrig sein,
falls sie ihre Wirkung nicht verfehlen soll. Sie darf aber auch nicht zu weit
gehen, damit die natürlichen Wünsche der Eltern für ihre Kinder gebührende
Berücksichtigung finden. Ich habe in anderem Zusammenhang eine Staffelung
von 2 bis 5 Prozent vorgeschlagen für Nachlasse von 500 Mark ansteigend
bis zu 1 Million. ("Veredelung der Erbschaftssteuer" in den "Preußischen
Jahrbüchern", November 1909, S. 289 ff.) Es wird sich empfehlen, bei diesen
Sätzen zu verbleiben.

So führt unsere Betrachtung zu einem im ersten Augenblick überraschenden
Ergebnis. Die Erbschaftssteuer für Kinder muß nicht allein im Interesse der
Staatsraison gefordert werden als eine für die Gesamtheit unabweisbar not¬
wendige Einnahmequelle des Reiches, sondern ebensosehr im wohlverstandenen
Interesse der Familie, im Interesse des Familiensinnes, zur Minderung eines
schädlichen Übermaßes, zur Erhaltung der Arbeitslust und Arbeitskraft der nach¬
folgenden Geschlechter I




Die Deutsche Aommunalbank")
Geh. Regierungsrat Dr.zur. Seidel- von

eit einigen Monaten wird in der Tages- und Fachpresse die Frage
der Errichtung einer Deutschen Kommunalbank besprochen, nach-
! dem schon vorher der Plan einer Deutschen Städtebank die Öffent¬
lichkeit beschäftigt hatte.

Das Problem der Organisation und Zentralisation des Kom¬
munalkredits wird seit etwa fünfzehn Jahren und zwar vorwiegend von städtischen
Theoretikern und Praktikern erörtert. Letzthin wurde im Juli 1908 über diese
Frage auf dem deutschen Städtetage in München eingehend verhandelt und



Nach den Materialien über die Deutsche Kommunalbank, insbesondere der Denkschrift
über diese, bearbeitet von Landrnt Trüstcdt in Bereut.
Die Deutsche Aommunalbank

weitere Beschränkung hat das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt. Die Hinter¬
bliebene Witwe erhält jetzt ein für allemal den vierten Teil des Nachlasses, wie
oben erwähnt, während ihr nach preußischem Recht bis 1900 nur ein Kindesteil
zufiel, falls vier oder mehr Kinder vorhanden waren. In solchen Fällen erhalten
die Kinder nunmehr erheblich weniger als nach altem Recht; bei einem reinen
Nachlaß von 80000 Mark erbt jedes Kind 1000 Mark weniger. Diese Ein¬
schränkung hat zu keiner Beschwerde irgendwelcher Art Anlaß gegeben; sie ist in
der Bevölkerung wohl ganz unbeachtet geblieben. Man steht daraus, daß grund¬
sätzlich eine Ermäßigung des Erbrechts der Kinder wohl möglich ist. Vollzieht
sie sich im Wege der Besteuerung, so dürfen die Sätze nicht zu niedrig sein,
falls sie ihre Wirkung nicht verfehlen soll. Sie darf aber auch nicht zu weit
gehen, damit die natürlichen Wünsche der Eltern für ihre Kinder gebührende
Berücksichtigung finden. Ich habe in anderem Zusammenhang eine Staffelung
von 2 bis 5 Prozent vorgeschlagen für Nachlasse von 500 Mark ansteigend
bis zu 1 Million. („Veredelung der Erbschaftssteuer" in den „Preußischen
Jahrbüchern", November 1909, S. 289 ff.) Es wird sich empfehlen, bei diesen
Sätzen zu verbleiben.

So führt unsere Betrachtung zu einem im ersten Augenblick überraschenden
Ergebnis. Die Erbschaftssteuer für Kinder muß nicht allein im Interesse der
Staatsraison gefordert werden als eine für die Gesamtheit unabweisbar not¬
wendige Einnahmequelle des Reiches, sondern ebensosehr im wohlverstandenen
Interesse der Familie, im Interesse des Familiensinnes, zur Minderung eines
schädlichen Übermaßes, zur Erhaltung der Arbeitslust und Arbeitskraft der nach¬
folgenden Geschlechter I




Die Deutsche Aommunalbank")
Geh. Regierungsrat Dr.zur. Seidel- von

eit einigen Monaten wird in der Tages- und Fachpresse die Frage
der Errichtung einer Deutschen Kommunalbank besprochen, nach-
! dem schon vorher der Plan einer Deutschen Städtebank die Öffent¬
lichkeit beschäftigt hatte.

Das Problem der Organisation und Zentralisation des Kom¬
munalkredits wird seit etwa fünfzehn Jahren und zwar vorwiegend von städtischen
Theoretikern und Praktikern erörtert. Letzthin wurde im Juli 1908 über diese
Frage auf dem deutschen Städtetage in München eingehend verhandelt und



Nach den Materialien über die Deutsche Kommunalbank, insbesondere der Denkschrift
über diese, bearbeitet von Landrnt Trüstcdt in Bereut.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316569"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Deutsche Aommunalbank</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1132" prev="#ID_1131"> weitere Beschränkung hat das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt. Die Hinter¬<lb/>
bliebene Witwe erhält jetzt ein für allemal den vierten Teil des Nachlasses, wie<lb/>
oben erwähnt, während ihr nach preußischem Recht bis 1900 nur ein Kindesteil<lb/>
zufiel, falls vier oder mehr Kinder vorhanden waren. In solchen Fällen erhalten<lb/>
die Kinder nunmehr erheblich weniger als nach altem Recht; bei einem reinen<lb/>
Nachlaß von 80000 Mark erbt jedes Kind 1000 Mark weniger. Diese Ein¬<lb/>
schränkung hat zu keiner Beschwerde irgendwelcher Art Anlaß gegeben; sie ist in<lb/>
der Bevölkerung wohl ganz unbeachtet geblieben. Man steht daraus, daß grund¬<lb/>
sätzlich eine Ermäßigung des Erbrechts der Kinder wohl möglich ist. Vollzieht<lb/>
sie sich im Wege der Besteuerung, so dürfen die Sätze nicht zu niedrig sein,<lb/>
falls sie ihre Wirkung nicht verfehlen soll. Sie darf aber auch nicht zu weit<lb/>
gehen, damit die natürlichen Wünsche der Eltern für ihre Kinder gebührende<lb/>
Berücksichtigung finden. Ich habe in anderem Zusammenhang eine Staffelung<lb/>
von 2 bis 5 Prozent vorgeschlagen für Nachlasse von 500 Mark ansteigend<lb/>
bis zu 1 Million. (&#x201E;Veredelung der Erbschaftssteuer" in den &#x201E;Preußischen<lb/>
Jahrbüchern", November 1909, S. 289 ff.) Es wird sich empfehlen, bei diesen<lb/>
Sätzen zu verbleiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1133"> So führt unsere Betrachtung zu einem im ersten Augenblick überraschenden<lb/>
Ergebnis. Die Erbschaftssteuer für Kinder muß nicht allein im Interesse der<lb/>
Staatsraison gefordert werden als eine für die Gesamtheit unabweisbar not¬<lb/>
wendige Einnahmequelle des Reiches, sondern ebensosehr im wohlverstandenen<lb/>
Interesse der Familie, im Interesse des Familiensinnes, zur Minderung eines<lb/>
schädlichen Übermaßes, zur Erhaltung der Arbeitslust und Arbeitskraft der nach¬<lb/>
folgenden Geschlechter I</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Deutsche Aommunalbank")<lb/><note type="byline"> Geh. Regierungsrat Dr.zur. Seidel-</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1134"> eit einigen Monaten wird in der Tages- und Fachpresse die Frage<lb/>
der Errichtung einer Deutschen Kommunalbank besprochen, nach-<lb/>
! dem schon vorher der Plan einer Deutschen Städtebank die Öffent¬<lb/>
lichkeit beschäftigt hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1135" next="#ID_1136"> Das Problem der Organisation und Zentralisation des Kom¬<lb/>
munalkredits wird seit etwa fünfzehn Jahren und zwar vorwiegend von städtischen<lb/>
Theoretikern und Praktikern erörtert. Letzthin wurde im Juli 1908 über diese<lb/>
Frage auf dem deutschen Städtetage in München eingehend verhandelt und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_28" place="foot"> Nach den Materialien über die Deutsche Kommunalbank, insbesondere der Denkschrift<lb/>
über diese, bearbeitet von Landrnt Trüstcdt in Bereut.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0280] Die Deutsche Aommunalbank weitere Beschränkung hat das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt. Die Hinter¬ bliebene Witwe erhält jetzt ein für allemal den vierten Teil des Nachlasses, wie oben erwähnt, während ihr nach preußischem Recht bis 1900 nur ein Kindesteil zufiel, falls vier oder mehr Kinder vorhanden waren. In solchen Fällen erhalten die Kinder nunmehr erheblich weniger als nach altem Recht; bei einem reinen Nachlaß von 80000 Mark erbt jedes Kind 1000 Mark weniger. Diese Ein¬ schränkung hat zu keiner Beschwerde irgendwelcher Art Anlaß gegeben; sie ist in der Bevölkerung wohl ganz unbeachtet geblieben. Man steht daraus, daß grund¬ sätzlich eine Ermäßigung des Erbrechts der Kinder wohl möglich ist. Vollzieht sie sich im Wege der Besteuerung, so dürfen die Sätze nicht zu niedrig sein, falls sie ihre Wirkung nicht verfehlen soll. Sie darf aber auch nicht zu weit gehen, damit die natürlichen Wünsche der Eltern für ihre Kinder gebührende Berücksichtigung finden. Ich habe in anderem Zusammenhang eine Staffelung von 2 bis 5 Prozent vorgeschlagen für Nachlasse von 500 Mark ansteigend bis zu 1 Million. („Veredelung der Erbschaftssteuer" in den „Preußischen Jahrbüchern", November 1909, S. 289 ff.) Es wird sich empfehlen, bei diesen Sätzen zu verbleiben. So führt unsere Betrachtung zu einem im ersten Augenblick überraschenden Ergebnis. Die Erbschaftssteuer für Kinder muß nicht allein im Interesse der Staatsraison gefordert werden als eine für die Gesamtheit unabweisbar not¬ wendige Einnahmequelle des Reiches, sondern ebensosehr im wohlverstandenen Interesse der Familie, im Interesse des Familiensinnes, zur Minderung eines schädlichen Übermaßes, zur Erhaltung der Arbeitslust und Arbeitskraft der nach¬ folgenden Geschlechter I Die Deutsche Aommunalbank") Geh. Regierungsrat Dr.zur. Seidel- von eit einigen Monaten wird in der Tages- und Fachpresse die Frage der Errichtung einer Deutschen Kommunalbank besprochen, nach- ! dem schon vorher der Plan einer Deutschen Städtebank die Öffent¬ lichkeit beschäftigt hatte. Das Problem der Organisation und Zentralisation des Kom¬ munalkredits wird seit etwa fünfzehn Jahren und zwar vorwiegend von städtischen Theoretikern und Praktikern erörtert. Letzthin wurde im Juli 1908 über diese Frage auf dem deutschen Städtetage in München eingehend verhandelt und Nach den Materialien über die Deutsche Kommunalbank, insbesondere der Denkschrift über diese, bearbeitet von Landrnt Trüstcdt in Bereut.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/280
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/280>, abgerufen am 23.07.2024.