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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Lavour

Emanuel überantwortete. Was im Königreich beider Sizilien noch zu tun war,
um es zu einem Teile Italiens unter dem Zepter Viktor Emanuels zu machen,
war wenig und konnte nunmehr, da die UnHaltbarkeit der bourbonischen Herr¬
schaft so augenfällig vor Europa demonstriert worden war, vom Könige und
der Regierung von Sardinien von ames- und sogar vou rechtswegen getan
werden.

Der schmale Streifen Landes, der nun noch das ober- von dem unter-
italienischen Reiche Viktor Emanuels schied, war das eigentliche Patrimonium
Petri. Hier war für die italienische Einheitsbewegung ein gewaltiges Problem
gegeben. Große geschichtliche und sittliche Gründe ließen es als unumgänglich
erscheinen. Rom zur Hauptstadt des geeinten Italiens zu machen, ob nun der
Papst dem zustimme oder nicht. Militärisch wäre es ein geringfügiges Unter¬
nehmen gewesen, Rom. Civitavecchia und die Diözesen 8ub urbs dem Papste
und der französischen Besatzung abzunehmen. Die Bevölkerung war leicht dafür
Zu haben. Indessen fürchtete Cavour von einen, solchen Vorgehen diplomatische
Komplikationen und selbst Konflikte mit Großmächten. Überdies sah er die
Gefahr für die äußere und namentlich für die innere Konsolidierung des
geeinten italienischen Reiches, die eine feindselige Gesinnung des Papstes
nach sich ziehen würde. Sein Ziel war daher, zuvörderst ganz Europa die
Überzeugung beizubringen, daß die Existenz, die Freiheit und die unabhängige
geistliche und öffentlich-rechtliche Betätigung des Papsttums dadurch erst gesichert
und gehoben werde, daß es die weltliche Macht aufgäbe, die es doch nicht mehr
verteidigen könne. Er suchte in diesem Sinne auch ein direktes Einvernehmen
mit dem Papste.

Die Verhandlungen Cavours mit dem päpstlichen Stuhle waren zunächst
dadurch erleichtert, daß keine einzige katholische Macht der bisherigen Minderung
der päpstlichen weltlichen Besitztümer anders als mit Sentimentalismen gewehrt
hatte. Einige Kardinäle waren sich darin einig, daß man, um zu retten, was
SU retten war, mit dem Könige, der noch nicht den Titel eines Königs von
Italien angenommen, verhandeln müßte. Ein Pater Passaglia, früherer Jesuit,
übernahm den ersten Gedankenaustausch mit Cavour wegen einer Transaktion,
die dem Papste Entschädigungen böte. Ein Dr. Pantaleoni, der in Rom eine
große ärztliche Klientel hatte und in Beziehung war mit dem Geheimkomitee
römischer Patrioten, unterbreitete Cavour auf Grund der Instruktionen Passaglias
auch einen paragraphierten Entwurf eines Abkommens, in dem die Bedingungen
und Garantien der den: Papste und den Seinigen anzubietenden Unabhängigkeit
und die der katholischen Kirche im neuen Königreich Italien zu gewährende
Stellung im einzelnen umschrieben waren. Zu diesem Entwurf, den uns Duraudo
in seiner bereits erwähnten Veröffentlichung vollständig mitteilt, hatte Cavour
seine teils zustimmenden, teils reservierten Bemerkungen gemacht. Daraus erhellt,
daß er die Majestät des Papstes und der Kardinäle, Freiheit und Eigentums¬
rechte der Kirche, ihrer Organe und der nicht staatsfeindlichen religiösen Kor-


Lavour

Emanuel überantwortete. Was im Königreich beider Sizilien noch zu tun war,
um es zu einem Teile Italiens unter dem Zepter Viktor Emanuels zu machen,
war wenig und konnte nunmehr, da die UnHaltbarkeit der bourbonischen Herr¬
schaft so augenfällig vor Europa demonstriert worden war, vom Könige und
der Regierung von Sardinien von ames- und sogar vou rechtswegen getan
werden.

Der schmale Streifen Landes, der nun noch das ober- von dem unter-
italienischen Reiche Viktor Emanuels schied, war das eigentliche Patrimonium
Petri. Hier war für die italienische Einheitsbewegung ein gewaltiges Problem
gegeben. Große geschichtliche und sittliche Gründe ließen es als unumgänglich
erscheinen. Rom zur Hauptstadt des geeinten Italiens zu machen, ob nun der
Papst dem zustimme oder nicht. Militärisch wäre es ein geringfügiges Unter¬
nehmen gewesen, Rom. Civitavecchia und die Diözesen 8ub urbs dem Papste
und der französischen Besatzung abzunehmen. Die Bevölkerung war leicht dafür
Zu haben. Indessen fürchtete Cavour von einen, solchen Vorgehen diplomatische
Komplikationen und selbst Konflikte mit Großmächten. Überdies sah er die
Gefahr für die äußere und namentlich für die innere Konsolidierung des
geeinten italienischen Reiches, die eine feindselige Gesinnung des Papstes
nach sich ziehen würde. Sein Ziel war daher, zuvörderst ganz Europa die
Überzeugung beizubringen, daß die Existenz, die Freiheit und die unabhängige
geistliche und öffentlich-rechtliche Betätigung des Papsttums dadurch erst gesichert
und gehoben werde, daß es die weltliche Macht aufgäbe, die es doch nicht mehr
verteidigen könne. Er suchte in diesem Sinne auch ein direktes Einvernehmen
mit dem Papste.

Die Verhandlungen Cavours mit dem päpstlichen Stuhle waren zunächst
dadurch erleichtert, daß keine einzige katholische Macht der bisherigen Minderung
der päpstlichen weltlichen Besitztümer anders als mit Sentimentalismen gewehrt
hatte. Einige Kardinäle waren sich darin einig, daß man, um zu retten, was
SU retten war, mit dem Könige, der noch nicht den Titel eines Königs von
Italien angenommen, verhandeln müßte. Ein Pater Passaglia, früherer Jesuit,
übernahm den ersten Gedankenaustausch mit Cavour wegen einer Transaktion,
die dem Papste Entschädigungen böte. Ein Dr. Pantaleoni, der in Rom eine
große ärztliche Klientel hatte und in Beziehung war mit dem Geheimkomitee
römischer Patrioten, unterbreitete Cavour auf Grund der Instruktionen Passaglias
auch einen paragraphierten Entwurf eines Abkommens, in dem die Bedingungen
und Garantien der den: Papste und den Seinigen anzubietenden Unabhängigkeit
und die der katholischen Kirche im neuen Königreich Italien zu gewährende
Stellung im einzelnen umschrieben waren. Zu diesem Entwurf, den uns Duraudo
in seiner bereits erwähnten Veröffentlichung vollständig mitteilt, hatte Cavour
seine teils zustimmenden, teils reservierten Bemerkungen gemacht. Daraus erhellt,
daß er die Majestät des Papstes und der Kardinäle, Freiheit und Eigentums¬
rechte der Kirche, ihrer Organe und der nicht staatsfeindlichen religiösen Kor-


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[0275] Lavour Emanuel überantwortete. Was im Königreich beider Sizilien noch zu tun war, um es zu einem Teile Italiens unter dem Zepter Viktor Emanuels zu machen, war wenig und konnte nunmehr, da die UnHaltbarkeit der bourbonischen Herr¬ schaft so augenfällig vor Europa demonstriert worden war, vom Könige und der Regierung von Sardinien von ames- und sogar vou rechtswegen getan werden. Der schmale Streifen Landes, der nun noch das ober- von dem unter- italienischen Reiche Viktor Emanuels schied, war das eigentliche Patrimonium Petri. Hier war für die italienische Einheitsbewegung ein gewaltiges Problem gegeben. Große geschichtliche und sittliche Gründe ließen es als unumgänglich erscheinen. Rom zur Hauptstadt des geeinten Italiens zu machen, ob nun der Papst dem zustimme oder nicht. Militärisch wäre es ein geringfügiges Unter¬ nehmen gewesen, Rom. Civitavecchia und die Diözesen 8ub urbs dem Papste und der französischen Besatzung abzunehmen. Die Bevölkerung war leicht dafür Zu haben. Indessen fürchtete Cavour von einen, solchen Vorgehen diplomatische Komplikationen und selbst Konflikte mit Großmächten. Überdies sah er die Gefahr für die äußere und namentlich für die innere Konsolidierung des geeinten italienischen Reiches, die eine feindselige Gesinnung des Papstes nach sich ziehen würde. Sein Ziel war daher, zuvörderst ganz Europa die Überzeugung beizubringen, daß die Existenz, die Freiheit und die unabhängige geistliche und öffentlich-rechtliche Betätigung des Papsttums dadurch erst gesichert und gehoben werde, daß es die weltliche Macht aufgäbe, die es doch nicht mehr verteidigen könne. Er suchte in diesem Sinne auch ein direktes Einvernehmen mit dem Papste. Die Verhandlungen Cavours mit dem päpstlichen Stuhle waren zunächst dadurch erleichtert, daß keine einzige katholische Macht der bisherigen Minderung der päpstlichen weltlichen Besitztümer anders als mit Sentimentalismen gewehrt hatte. Einige Kardinäle waren sich darin einig, daß man, um zu retten, was SU retten war, mit dem Könige, der noch nicht den Titel eines Königs von Italien angenommen, verhandeln müßte. Ein Pater Passaglia, früherer Jesuit, übernahm den ersten Gedankenaustausch mit Cavour wegen einer Transaktion, die dem Papste Entschädigungen böte. Ein Dr. Pantaleoni, der in Rom eine große ärztliche Klientel hatte und in Beziehung war mit dem Geheimkomitee römischer Patrioten, unterbreitete Cavour auf Grund der Instruktionen Passaglias auch einen paragraphierten Entwurf eines Abkommens, in dem die Bedingungen und Garantien der den: Papste und den Seinigen anzubietenden Unabhängigkeit und die der katholischen Kirche im neuen Königreich Italien zu gewährende Stellung im einzelnen umschrieben waren. Zu diesem Entwurf, den uns Duraudo in seiner bereits erwähnten Veröffentlichung vollständig mitteilt, hatte Cavour seine teils zustimmenden, teils reservierten Bemerkungen gemacht. Daraus erhellt, daß er die Majestät des Papstes und der Kardinäle, Freiheit und Eigentums¬ rechte der Kirche, ihrer Organe und der nicht staatsfeindlichen religiösen Kor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/275>, abgerufen am 01.10.2024.