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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Indnstriebezirk

Sorge um den weiteren Abfluß existiert nicht. Hier aber waren Verhältnisse
entstanden, die diesen Weiterabfluß für den ganzen Bezirk zur Aufgabe stellten,
und sie waren, wie die Untersuchungen ergeben hatten, wesentlich herbeigeführt
durch die Hauptindustrie des Gebietes, den Bergbau. Ein weiterer Grund der
Mißstände, die außerordentliche Verschmutzung des Emscherwassers, lag ebenfalls
außerhalb des Einwirkungskreises der Gemeinden, da sie zum großen Teil durch
die Abwässer industrieller Unternehmungen verursacht wurde, die das Kanalisations¬
system der Gemeinde nicht berührten. Überhaupt existierte für die meisten
Gemeinden noch kein ihr ganzes Gebiet umfassendes Kanalisationssystem.

Sollte eine Vereinigung der Gemeinden zum Träger der neuen Aufgabe
und ihrer Lasten gemacht werden, so schien es fast unmöglich, bei Feststellung
des Verteilungsmaßstabes alle die eben berührten Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Und wäre es möglich gewesen, so bot unsere Kommunalsteuergesetzgebung keine
Handhabe, in den einzelnen Gemeinden die hiernach bemessenen Beiträge auf die
eigentlichen Urheber der schädigenden Einflüsse abzuwälzen. Sie wären der
Allgemeinheit zur Last geblieben. Das aber war für einzelne Gemeinden
unannehmbar und war auch nicht die Meinung der betreffenden industriellen
Kreise, insbesondere des Bergbaues. Dieser war von jeher besonderen mit
seiner Natur zusammenhängenden polizeilichen Lasten und Beschränkungen
unterworfen und hat sich in Rheinland und Westfalen daran gewöhnt, die
Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen zugunsten der Nach¬
barschaft und der Gemeinde als nobile ottiLium aufzufassen. Hier handelte
es sich um einen Zustand, der sich ungeahnt im Laufe der Zeit als Folge des
Bergbaues entwickelt hatte, der den einzelnen Bergbautreibenden häufig Belästigung,
noch mehr aber der Allgemeinheit Schaden zufügte, dessen Beseitigung von
Polizei wegen von den Bergbautreibenden nicht zu erreichen gewesen wäre, und
der nur im Wege gemeinsamen Vorgehens mit anderen Interessenten zu bessern
war. Ähnlich lag die Sache bei den anderen großindustriellen Unternehmungen,
die trotz Erfüllung der ihnen gewerbepolizeilich auferlegten Verpflichtungen schon
durch die Massenhaftigkeit der von ihnen abgegebenen Abwässer zur Ver¬
schlimmerung des Zustandes beitrugen. Überall bestand Bereitwilligkeit, auch
über die unmittelbare polizeiliche Verpflichtung hinaus zur Besserung des
Zustandes beizutragen, wenn alle Beteiligten ihre Leistungen zu dem Zwecke
vereinigten. Aber der Kreis dieser Beteiligten war unübersehbar. Außer den
Städten und Gemeinden, die in der Ausführung des Projekts eine notwendige
Ergänzung ihrer Kanalisations- und Kläranlagen erblicken mußten, war eigentlich
jede Betriebs- und Wohnstätte beteiligt, die der Emscher schmutzige Abwässer
zuführte, jedes Bergwerk, dessen Grubenwasser sie fortführen mußte und durch
dessen Bergbau ihr Lauf behindert wurde.

Es ist wesentlich das Verdienst des unermüdlichen Vorsitzenden der großen
Emscherkommission, des verstorbenen Oberbürgermeisters Zweigert aus Essen, für
den Gedanken, daß die Beiträge zur Emscherregulierung wie eine Art außer-


Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Indnstriebezirk

Sorge um den weiteren Abfluß existiert nicht. Hier aber waren Verhältnisse
entstanden, die diesen Weiterabfluß für den ganzen Bezirk zur Aufgabe stellten,
und sie waren, wie die Untersuchungen ergeben hatten, wesentlich herbeigeführt
durch die Hauptindustrie des Gebietes, den Bergbau. Ein weiterer Grund der
Mißstände, die außerordentliche Verschmutzung des Emscherwassers, lag ebenfalls
außerhalb des Einwirkungskreises der Gemeinden, da sie zum großen Teil durch
die Abwässer industrieller Unternehmungen verursacht wurde, die das Kanalisations¬
system der Gemeinde nicht berührten. Überhaupt existierte für die meisten
Gemeinden noch kein ihr ganzes Gebiet umfassendes Kanalisationssystem.

Sollte eine Vereinigung der Gemeinden zum Träger der neuen Aufgabe
und ihrer Lasten gemacht werden, so schien es fast unmöglich, bei Feststellung
des Verteilungsmaßstabes alle die eben berührten Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Und wäre es möglich gewesen, so bot unsere Kommunalsteuergesetzgebung keine
Handhabe, in den einzelnen Gemeinden die hiernach bemessenen Beiträge auf die
eigentlichen Urheber der schädigenden Einflüsse abzuwälzen. Sie wären der
Allgemeinheit zur Last geblieben. Das aber war für einzelne Gemeinden
unannehmbar und war auch nicht die Meinung der betreffenden industriellen
Kreise, insbesondere des Bergbaues. Dieser war von jeher besonderen mit
seiner Natur zusammenhängenden polizeilichen Lasten und Beschränkungen
unterworfen und hat sich in Rheinland und Westfalen daran gewöhnt, die
Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen zugunsten der Nach¬
barschaft und der Gemeinde als nobile ottiLium aufzufassen. Hier handelte
es sich um einen Zustand, der sich ungeahnt im Laufe der Zeit als Folge des
Bergbaues entwickelt hatte, der den einzelnen Bergbautreibenden häufig Belästigung,
noch mehr aber der Allgemeinheit Schaden zufügte, dessen Beseitigung von
Polizei wegen von den Bergbautreibenden nicht zu erreichen gewesen wäre, und
der nur im Wege gemeinsamen Vorgehens mit anderen Interessenten zu bessern
war. Ähnlich lag die Sache bei den anderen großindustriellen Unternehmungen,
die trotz Erfüllung der ihnen gewerbepolizeilich auferlegten Verpflichtungen schon
durch die Massenhaftigkeit der von ihnen abgegebenen Abwässer zur Ver¬
schlimmerung des Zustandes beitrugen. Überall bestand Bereitwilligkeit, auch
über die unmittelbare polizeiliche Verpflichtung hinaus zur Besserung des
Zustandes beizutragen, wenn alle Beteiligten ihre Leistungen zu dem Zwecke
vereinigten. Aber der Kreis dieser Beteiligten war unübersehbar. Außer den
Städten und Gemeinden, die in der Ausführung des Projekts eine notwendige
Ergänzung ihrer Kanalisations- und Kläranlagen erblicken mußten, war eigentlich
jede Betriebs- und Wohnstätte beteiligt, die der Emscher schmutzige Abwässer
zuführte, jedes Bergwerk, dessen Grubenwasser sie fortführen mußte und durch
dessen Bergbau ihr Lauf behindert wurde.

Es ist wesentlich das Verdienst des unermüdlichen Vorsitzenden der großen
Emscherkommission, des verstorbenen Oberbürgermeisters Zweigert aus Essen, für
den Gedanken, daß die Beiträge zur Emscherregulierung wie eine Art außer-


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[0220] Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Indnstriebezirk Sorge um den weiteren Abfluß existiert nicht. Hier aber waren Verhältnisse entstanden, die diesen Weiterabfluß für den ganzen Bezirk zur Aufgabe stellten, und sie waren, wie die Untersuchungen ergeben hatten, wesentlich herbeigeführt durch die Hauptindustrie des Gebietes, den Bergbau. Ein weiterer Grund der Mißstände, die außerordentliche Verschmutzung des Emscherwassers, lag ebenfalls außerhalb des Einwirkungskreises der Gemeinden, da sie zum großen Teil durch die Abwässer industrieller Unternehmungen verursacht wurde, die das Kanalisations¬ system der Gemeinde nicht berührten. Überhaupt existierte für die meisten Gemeinden noch kein ihr ganzes Gebiet umfassendes Kanalisationssystem. Sollte eine Vereinigung der Gemeinden zum Träger der neuen Aufgabe und ihrer Lasten gemacht werden, so schien es fast unmöglich, bei Feststellung des Verteilungsmaßstabes alle die eben berührten Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Und wäre es möglich gewesen, so bot unsere Kommunalsteuergesetzgebung keine Handhabe, in den einzelnen Gemeinden die hiernach bemessenen Beiträge auf die eigentlichen Urheber der schädigenden Einflüsse abzuwälzen. Sie wären der Allgemeinheit zur Last geblieben. Das aber war für einzelne Gemeinden unannehmbar und war auch nicht die Meinung der betreffenden industriellen Kreise, insbesondere des Bergbaues. Dieser war von jeher besonderen mit seiner Natur zusammenhängenden polizeilichen Lasten und Beschränkungen unterworfen und hat sich in Rheinland und Westfalen daran gewöhnt, die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen zugunsten der Nach¬ barschaft und der Gemeinde als nobile ottiLium aufzufassen. Hier handelte es sich um einen Zustand, der sich ungeahnt im Laufe der Zeit als Folge des Bergbaues entwickelt hatte, der den einzelnen Bergbautreibenden häufig Belästigung, noch mehr aber der Allgemeinheit Schaden zufügte, dessen Beseitigung von Polizei wegen von den Bergbautreibenden nicht zu erreichen gewesen wäre, und der nur im Wege gemeinsamen Vorgehens mit anderen Interessenten zu bessern war. Ähnlich lag die Sache bei den anderen großindustriellen Unternehmungen, die trotz Erfüllung der ihnen gewerbepolizeilich auferlegten Verpflichtungen schon durch die Massenhaftigkeit der von ihnen abgegebenen Abwässer zur Ver¬ schlimmerung des Zustandes beitrugen. Überall bestand Bereitwilligkeit, auch über die unmittelbare polizeiliche Verpflichtung hinaus zur Besserung des Zustandes beizutragen, wenn alle Beteiligten ihre Leistungen zu dem Zwecke vereinigten. Aber der Kreis dieser Beteiligten war unübersehbar. Außer den Städten und Gemeinden, die in der Ausführung des Projekts eine notwendige Ergänzung ihrer Kanalisations- und Kläranlagen erblicken mußten, war eigentlich jede Betriebs- und Wohnstätte beteiligt, die der Emscher schmutzige Abwässer zuführte, jedes Bergwerk, dessen Grubenwasser sie fortführen mußte und durch dessen Bergbau ihr Lauf behindert wurde. Es ist wesentlich das Verdienst des unermüdlichen Vorsitzenden der großen Emscherkommission, des verstorbenen Oberbürgermeisters Zweigert aus Essen, für den Gedanken, daß die Beiträge zur Emscherregulierung wie eine Art außer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/220>, abgerufen am 23.07.2024.