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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Indnstricbezirk

Wassermenge, um den Zufluß der Ruhr regeln zu können. Es kam also nur
darauf an, die Ausführung der Talsperren in etwas größerem Maßstabe und
schneller, als es das rein örtliche Interesse gebot, zu erreichen. Dafür schien
es ausreichend, den örtlichen Genossenschaften jährlich Zuschüsse zu gewähren,
die die Zinsen und Amortisationsbeträge etwa des halben Baukapitals decken
würden. Sonach handelte es sich nur darum, die erforderlichen Mittel aufzu¬
bringen und eine Zentralstelle für die Bauausführung der Talsperren zu schaffen.

Fand sich für diesen Zweck überhaupt eine Mehrheit der beteiligten Wasser¬
werke zusammen, so konnten einzelne Widerstrebende durch Handhabung der
landrechtlichen Bestimmungen zum Beitritt veranlaßt werden, wonach "Wasser¬
bauten" an öffentlichen Flüssen nur unter polizeilicher Aufsicht ausgeführt werden
durften und Wasserleitungen aus öffentlichen Strömen eine staatliche Erlaubnis
erheischen (§ 96 I 8 und Z 46 II 15 des Allgemeinen Landrechts). Damit konnten
später neu entstehende Wasserwerke in jedem Falle zum Beitritt gezwungen
werden, bestehende aber im Falle notwendiger Vergrößerung. ... So konnten
die Befugnisse der Verwaltung aus den alten Negalrechten, die ihr bei der
wachsenden Verkehrsbedeutung der öffentlichen Ströme einen ungeahnten erheb¬
lichen Einfluß auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sichern, kräftig zur Geltung
gebracht werden.

Die Verhandlungen mit den Interessenten bewiesen die Richtigkeit der
Rechnung. Siebzehn städtische und gegen fünfzig industrielle Wasserwerke schlossen
sich zum "Ruhrtalsperrenverein" zusammen, der nach den Satzungen den Zweck
hat, "den Wasserstand der Ruhr nach Menge und Beschaffenheit durch eigene
Erbauung oder Förderung von Talsperrenanlagen im Niederschlagsgebiet der
Ruhr zu verbessern". Auch eine Anzahl von Triebwerken an der Ruhr, die durch
die Vergrößerung der Gleichmäßigkeit des Wasserzuflusses Vorteile hatten, erklärten
sich zum Beitritt bereit. Ein Beitragsmodus, wurde -- unter Voraussetzung
baldiger Revision -- vereinbart. Bei der Berechnung tritt eine Begünstigung
hinsichtlich derjenigen Wassermengen ein, die seitens der Entnehmer schon von
jeher bezogen wurden, sowie hinsichtlich derer, die in das Ruhrgebiet wieder
zurückgeliefert werden. Der Sitz des Vereins wurde Essen. Schon am
11. Dezember 1899 konnte das Statut genehmigt werden.

Die Entwickelung des Vereins vollzog sich seitdem im wesentlichen in der
Erledigung der ihm gestellten technischen Aufgabe. Schon 1903 waren neun
Talsperren mit einem Stauiuhalt von 30 Millionen Kubikmeter im Ruhrgebiet
teils fertig, teils im Bau; neue sind seitdem in Angriff genommen, darunter
die gewaltige Möhnetalsperre mit einem Inhalt von 130 Millionen Kubikmeter
-- das Dreifache der berühmten Urftalsperre in der Eifel. Über das ursprüngliche
Programm ist also weit hinausgegangen worden. Die Aufwendungen des Vereins
für diese Zwecke beziffern sich jährlich auf 600000 Mark. Für die Ruhr hat das
Vorgehen u. a. den Erfolg gehabt, daß jetzt schon der Plan auftauchen konnte, durch
weitere Stauanlagen den Wasserzufluß so zu regeln und zu verstärken, daß


Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Indnstricbezirk

Wassermenge, um den Zufluß der Ruhr regeln zu können. Es kam also nur
darauf an, die Ausführung der Talsperren in etwas größerem Maßstabe und
schneller, als es das rein örtliche Interesse gebot, zu erreichen. Dafür schien
es ausreichend, den örtlichen Genossenschaften jährlich Zuschüsse zu gewähren,
die die Zinsen und Amortisationsbeträge etwa des halben Baukapitals decken
würden. Sonach handelte es sich nur darum, die erforderlichen Mittel aufzu¬
bringen und eine Zentralstelle für die Bauausführung der Talsperren zu schaffen.

Fand sich für diesen Zweck überhaupt eine Mehrheit der beteiligten Wasser¬
werke zusammen, so konnten einzelne Widerstrebende durch Handhabung der
landrechtlichen Bestimmungen zum Beitritt veranlaßt werden, wonach „Wasser¬
bauten" an öffentlichen Flüssen nur unter polizeilicher Aufsicht ausgeführt werden
durften und Wasserleitungen aus öffentlichen Strömen eine staatliche Erlaubnis
erheischen (§ 96 I 8 und Z 46 II 15 des Allgemeinen Landrechts). Damit konnten
später neu entstehende Wasserwerke in jedem Falle zum Beitritt gezwungen
werden, bestehende aber im Falle notwendiger Vergrößerung. ... So konnten
die Befugnisse der Verwaltung aus den alten Negalrechten, die ihr bei der
wachsenden Verkehrsbedeutung der öffentlichen Ströme einen ungeahnten erheb¬
lichen Einfluß auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sichern, kräftig zur Geltung
gebracht werden.

Die Verhandlungen mit den Interessenten bewiesen die Richtigkeit der
Rechnung. Siebzehn städtische und gegen fünfzig industrielle Wasserwerke schlossen
sich zum „Ruhrtalsperrenverein" zusammen, der nach den Satzungen den Zweck
hat, „den Wasserstand der Ruhr nach Menge und Beschaffenheit durch eigene
Erbauung oder Förderung von Talsperrenanlagen im Niederschlagsgebiet der
Ruhr zu verbessern". Auch eine Anzahl von Triebwerken an der Ruhr, die durch
die Vergrößerung der Gleichmäßigkeit des Wasserzuflusses Vorteile hatten, erklärten
sich zum Beitritt bereit. Ein Beitragsmodus, wurde — unter Voraussetzung
baldiger Revision — vereinbart. Bei der Berechnung tritt eine Begünstigung
hinsichtlich derjenigen Wassermengen ein, die seitens der Entnehmer schon von
jeher bezogen wurden, sowie hinsichtlich derer, die in das Ruhrgebiet wieder
zurückgeliefert werden. Der Sitz des Vereins wurde Essen. Schon am
11. Dezember 1899 konnte das Statut genehmigt werden.

Die Entwickelung des Vereins vollzog sich seitdem im wesentlichen in der
Erledigung der ihm gestellten technischen Aufgabe. Schon 1903 waren neun
Talsperren mit einem Stauiuhalt von 30 Millionen Kubikmeter im Ruhrgebiet
teils fertig, teils im Bau; neue sind seitdem in Angriff genommen, darunter
die gewaltige Möhnetalsperre mit einem Inhalt von 130 Millionen Kubikmeter
— das Dreifache der berühmten Urftalsperre in der Eifel. Über das ursprüngliche
Programm ist also weit hinausgegangen worden. Die Aufwendungen des Vereins
für diese Zwecke beziffern sich jährlich auf 600000 Mark. Für die Ruhr hat das
Vorgehen u. a. den Erfolg gehabt, daß jetzt schon der Plan auftauchen konnte, durch
weitere Stauanlagen den Wasserzufluß so zu regeln und zu verstärken, daß


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[0218] Die Wasserwirtschaft im rheinisch-westfälischen Indnstricbezirk Wassermenge, um den Zufluß der Ruhr regeln zu können. Es kam also nur darauf an, die Ausführung der Talsperren in etwas größerem Maßstabe und schneller, als es das rein örtliche Interesse gebot, zu erreichen. Dafür schien es ausreichend, den örtlichen Genossenschaften jährlich Zuschüsse zu gewähren, die die Zinsen und Amortisationsbeträge etwa des halben Baukapitals decken würden. Sonach handelte es sich nur darum, die erforderlichen Mittel aufzu¬ bringen und eine Zentralstelle für die Bauausführung der Talsperren zu schaffen. Fand sich für diesen Zweck überhaupt eine Mehrheit der beteiligten Wasser¬ werke zusammen, so konnten einzelne Widerstrebende durch Handhabung der landrechtlichen Bestimmungen zum Beitritt veranlaßt werden, wonach „Wasser¬ bauten" an öffentlichen Flüssen nur unter polizeilicher Aufsicht ausgeführt werden durften und Wasserleitungen aus öffentlichen Strömen eine staatliche Erlaubnis erheischen (§ 96 I 8 und Z 46 II 15 des Allgemeinen Landrechts). Damit konnten später neu entstehende Wasserwerke in jedem Falle zum Beitritt gezwungen werden, bestehende aber im Falle notwendiger Vergrößerung. ... So konnten die Befugnisse der Verwaltung aus den alten Negalrechten, die ihr bei der wachsenden Verkehrsbedeutung der öffentlichen Ströme einen ungeahnten erheb¬ lichen Einfluß auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sichern, kräftig zur Geltung gebracht werden. Die Verhandlungen mit den Interessenten bewiesen die Richtigkeit der Rechnung. Siebzehn städtische und gegen fünfzig industrielle Wasserwerke schlossen sich zum „Ruhrtalsperrenverein" zusammen, der nach den Satzungen den Zweck hat, „den Wasserstand der Ruhr nach Menge und Beschaffenheit durch eigene Erbauung oder Förderung von Talsperrenanlagen im Niederschlagsgebiet der Ruhr zu verbessern". Auch eine Anzahl von Triebwerken an der Ruhr, die durch die Vergrößerung der Gleichmäßigkeit des Wasserzuflusses Vorteile hatten, erklärten sich zum Beitritt bereit. Ein Beitragsmodus, wurde — unter Voraussetzung baldiger Revision — vereinbart. Bei der Berechnung tritt eine Begünstigung hinsichtlich derjenigen Wassermengen ein, die seitens der Entnehmer schon von jeher bezogen wurden, sowie hinsichtlich derer, die in das Ruhrgebiet wieder zurückgeliefert werden. Der Sitz des Vereins wurde Essen. Schon am 11. Dezember 1899 konnte das Statut genehmigt werden. Die Entwickelung des Vereins vollzog sich seitdem im wesentlichen in der Erledigung der ihm gestellten technischen Aufgabe. Schon 1903 waren neun Talsperren mit einem Stauiuhalt von 30 Millionen Kubikmeter im Ruhrgebiet teils fertig, teils im Bau; neue sind seitdem in Angriff genommen, darunter die gewaltige Möhnetalsperre mit einem Inhalt von 130 Millionen Kubikmeter — das Dreifache der berühmten Urftalsperre in der Eifel. Über das ursprüngliche Programm ist also weit hinausgegangen worden. Die Aufwendungen des Vereins für diese Zwecke beziffern sich jährlich auf 600000 Mark. Für die Ruhr hat das Vorgehen u. a. den Erfolg gehabt, daß jetzt schon der Plan auftauchen konnte, durch weitere Stauanlagen den Wasserzufluß so zu regeln und zu verstärken, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/218>, abgerufen am 23.07.2024.