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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Preußische Ansiedler in Österreich

seines Gewerbes hundert Gulden erhalten würde. Müller erhielt, da der Gesandte
ihm irrtümliche Versprechungen gegeben hatte, nur fünfzig Gulden und die
gewöhnlichen Reisekosten. Im Jahre 1784 wird wiederholt davon gesprochen,
Weber aus Hirschberg und Schmiedeberg (Preußisch-Schlesien) nach Galizien zu
bringen; ebenso sollten Weber aus Zittau und Schönau (Sachsen) zur Ein¬
wanderung bewogen werden.

Auch im Jahre 1785 werden die preußischen Emigranten, zumeist aus
Schlesien, häufig genannt, so Müller, Klose. Mantel u. a. In diesem Jahre
erging der Auftrag, daß sie "weit mehr als andere" zu begünstigen seien; sie
sollten in den deutschen und galizischen Erbländer, ferner auch im Banat
(Südostungarn) und in Ungarn angesiedelt werden. Man nahm preußische
Einwanderer auch zur Zeit auf, als wegen allzu großen Zudranges von Kolonisten
-- innerhalb acht Tagen kamen einmal über siebzehnhundert nach Galizien --
andere zurückgewiesen wurden. Am 21. Juli 1785 war ein Hofdekret bekannt
geworden, wonach "alle preußischen Emigranten, sie mögen Vermögen
mitbringen oder nicht, in Böhmen angesiedelt, wenn sie aber dort
nicht untergebracht werden können, nach Galizien und Ungarn
instradiert werden sollen". Als der Kaiser bald hierauf die Anwerbung
von Ansiedlern in Südwestdeutschland einstellte, wurde diese Verfügung auf die
Preußen nicht ausdehnt. Die Behörden stellten damals fest, daß diese
Einwanderer sehr fleißig sind und ihre Heimat wegen des schlechten
Bodens und anderer Lasten verlassen. Sie seien wohl zu unterscheiden
von den Reichsemigranten (aus Südwestdeutschland), die nach Preußen geworben
werden und von dort nach Galizien und endlich nach Rußland wandern, um
nichts zu arbeiten. Daraufhin erging an die galizischen Ämter der Auftrag, die
preußischen Ansiedler, sie mögen über Zamosc oder anderswoher kommen, auf¬
zunehmen und mit vorschriftsmäßigen Begünstigungen anzusiedeln. Im nächsten
Jahre erging sogar der Auftrag, auch die Reichsemigranten, die über Preußen
kamen, unbedingt aufzunehmen; da in Galizien Mangel an Ansiedluugsplätzen
herrschte, wurden sie nach Mähren und Ungarn gewiesen (178K und 1787).
Einzelne wurden in den Städten untergebracht; so wurde der preußische Emigrant
Just Wenzel in Biala angesiedelt und ihm nach den Patentbestimmungen fünfzig
Gulden bar als Handwerkervorschuß ausgezahlt. Anderen preußischen Einwan¬
derern wurde der Rat erteilt, sich bei den Privatgrundherren um Ansiedlungs-
plcitze zu bewerben. Im großen "Hauptnormale über das Ansiedlungswesen"
vom 3. April 1787 sür Galizien werden als eine besondere Art der "Kameral-
ansiedler" "die preußischen, über Zamosc einwandernden Auswanderer" genannt.
Über ihre Unterbringung wird auf das zitierte Hofdekret vom Juli 1785 hin¬
gewiesen und dazu hinzugefügt: "Wenn also ein preußischer Einwanderer aus
Böheim nach Galizien eingeleitet wird, fo ist solcher gleich anderen unbegünstigten
Kameralansiedlern zu behandeln; jene, welche über Zamosc einwandern, haben
sich an das Kreisamt zu wenden, und sind an selbes anzuweisen, welches bei


Preußische Ansiedler in Österreich

seines Gewerbes hundert Gulden erhalten würde. Müller erhielt, da der Gesandte
ihm irrtümliche Versprechungen gegeben hatte, nur fünfzig Gulden und die
gewöhnlichen Reisekosten. Im Jahre 1784 wird wiederholt davon gesprochen,
Weber aus Hirschberg und Schmiedeberg (Preußisch-Schlesien) nach Galizien zu
bringen; ebenso sollten Weber aus Zittau und Schönau (Sachsen) zur Ein¬
wanderung bewogen werden.

Auch im Jahre 1785 werden die preußischen Emigranten, zumeist aus
Schlesien, häufig genannt, so Müller, Klose. Mantel u. a. In diesem Jahre
erging der Auftrag, daß sie „weit mehr als andere" zu begünstigen seien; sie
sollten in den deutschen und galizischen Erbländer, ferner auch im Banat
(Südostungarn) und in Ungarn angesiedelt werden. Man nahm preußische
Einwanderer auch zur Zeit auf, als wegen allzu großen Zudranges von Kolonisten
— innerhalb acht Tagen kamen einmal über siebzehnhundert nach Galizien —
andere zurückgewiesen wurden. Am 21. Juli 1785 war ein Hofdekret bekannt
geworden, wonach „alle preußischen Emigranten, sie mögen Vermögen
mitbringen oder nicht, in Böhmen angesiedelt, wenn sie aber dort
nicht untergebracht werden können, nach Galizien und Ungarn
instradiert werden sollen". Als der Kaiser bald hierauf die Anwerbung
von Ansiedlern in Südwestdeutschland einstellte, wurde diese Verfügung auf die
Preußen nicht ausdehnt. Die Behörden stellten damals fest, daß diese
Einwanderer sehr fleißig sind und ihre Heimat wegen des schlechten
Bodens und anderer Lasten verlassen. Sie seien wohl zu unterscheiden
von den Reichsemigranten (aus Südwestdeutschland), die nach Preußen geworben
werden und von dort nach Galizien und endlich nach Rußland wandern, um
nichts zu arbeiten. Daraufhin erging an die galizischen Ämter der Auftrag, die
preußischen Ansiedler, sie mögen über Zamosc oder anderswoher kommen, auf¬
zunehmen und mit vorschriftsmäßigen Begünstigungen anzusiedeln. Im nächsten
Jahre erging sogar der Auftrag, auch die Reichsemigranten, die über Preußen
kamen, unbedingt aufzunehmen; da in Galizien Mangel an Ansiedluugsplätzen
herrschte, wurden sie nach Mähren und Ungarn gewiesen (178K und 1787).
Einzelne wurden in den Städten untergebracht; so wurde der preußische Emigrant
Just Wenzel in Biala angesiedelt und ihm nach den Patentbestimmungen fünfzig
Gulden bar als Handwerkervorschuß ausgezahlt. Anderen preußischen Einwan¬
derern wurde der Rat erteilt, sich bei den Privatgrundherren um Ansiedlungs-
plcitze zu bewerben. Im großen „Hauptnormale über das Ansiedlungswesen"
vom 3. April 1787 sür Galizien werden als eine besondere Art der „Kameral-
ansiedler" „die preußischen, über Zamosc einwandernden Auswanderer" genannt.
Über ihre Unterbringung wird auf das zitierte Hofdekret vom Juli 1785 hin¬
gewiesen und dazu hinzugefügt: „Wenn also ein preußischer Einwanderer aus
Böheim nach Galizien eingeleitet wird, fo ist solcher gleich anderen unbegünstigten
Kameralansiedlern zu behandeln; jene, welche über Zamosc einwandern, haben
sich an das Kreisamt zu wenden, und sind an selbes anzuweisen, welches bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/191>, abgerufen am 25.08.2024.