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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Schloß Stolper und die Reichsgräfin von Lose!

hatten sie an ihm einen starken Rückhalt; denn er "hielt es sür ein gut Werk,
wenn er Priester in Verhaft nach Stolper bringen konnte".

Allein als 1539 Georg starb und Herzog Heinrich ans Nuder kam, da
"gings gar aus einem anderen Fasse; es begunte nun das Papsttum fürchterlich
zu knacken. Lutherus wuchs und der Bischof nahm ab". Gleich nach seinem
Regierungsantritt führte Heinrich die Reformation in Dresden und Meißen
ein. Der Bischof hatte nun nichts mehr auf der Albrechtsburg zu suchen und
zog sich ganz auf seine Feste Stolper zurück. Sein kostbarstes Besitztum brachte
er aus Meißen mit, namentlich die Meißner Reliquien, einen Finger des Apostels
Paulus, die Hirnschale des heiligen Donatus und die Gebeine Bennos, der erst
kurz zuvor heilig gesprochen war. Indes auch auf dem Stolpener Felsenneste
blieben die heiligen Knochen nicht vor Profanation bewahrt. In dem Drunter
und Drüber des "Saukrieges", der Carlowitzschen Fehden, glaubte man sie im
Frieden der Burgkapelle nicht sicher genug, und da sie sich trotz aller Wunder¬
kraft nicht selbst zu schützen wußten, fanden sie ein nicht besonders würdiges,
aber doch ketzerfestes Asyl im Strohsack eines frommen Stolpener Pfaffen Nikolaus
Grüner. Später sind sie nach München gekommen und dort verschwunden.

Noch zwanzig Jahre lang hielt sich der Bischof auf seiner Bergfestung.
Häufig wetterte Luther: "Nur die Flegel auf dem Stolper droben, die wollen
sich nicht ergeben." Endlich 1559 ging Stolper durch Umtausch gegen das Amt
Mühlberg in kursächsischen Besitz über. Der Bischof räumte den Platz, und
sofort wurde durch kurfürstliche Kommissare "das Papsttum ausgetrieben und
das Luthertum eingeführt".

Die Kurfürsten gestalteten die Burg nach und nach zu einer starken Festung
im Sinne der neueren Zeit um und gaben ihr die Gestalt, in der sie dann
schließlich zur Ruine verfallen ist. Auch unter ihrem Regiments mußte die Feste
zuweilen als Gefängnis dienen. So wurden 1592 zwei Dresdner Hofprediger um
ihres calvinischen Glaubensbekenntnisses willen "LoIIeMliter" hierher geschleppt.
Aber sie brachten wenig Segen nach Stolper. Der Teufel selber kam mit ihnen
hierher; es war von Stund an nicht mehr geheuer auf dem Schlosse. Das berichtet
der Verwalter Thomas Treutter in einem umständlichen Schreiben an seinen
Vorgesetzten. Es ist gar kein Zweifel, er selber hat den Leibhaftigen ganz
deutlich gesehen. Nacht für Nacht ist er zu ihm in die Stube gekommen, und
wie hat er sich da aufgeführt! Im Waschbecken hat er sich gebadet, das Bänklein
hat er fortgerückt, die Bücher umgeblättert und hin und her geworfen. Anderen
ist er auch begegnet; ein rotes Lederwams hat er angehabt und einen Fuhr¬
mannshut auf dem Kopfe mit langen Federn. In seinein Zorn hat er ein
furchtbares Hagelwetter über Stolper erregt. Mit dicken schloßen fo groß wie
Walnüsse hat er die Fenster eingeschlagen und die Ziegel von den Dächern
geworfen, daß es lebensgefährlich gewesen ist, über den Schloßhof zu gehen;
auf deu Feldern ist nicht der dritte Halm stehen geblieben; die Bürger haben
nicht anders gemeint, als nun käme der jüngste Tag. Inzwischen wurde seinen


Schloß Stolper und die Reichsgräfin von Lose!

hatten sie an ihm einen starken Rückhalt; denn er „hielt es sür ein gut Werk,
wenn er Priester in Verhaft nach Stolper bringen konnte".

Allein als 1539 Georg starb und Herzog Heinrich ans Nuder kam, da
„gings gar aus einem anderen Fasse; es begunte nun das Papsttum fürchterlich
zu knacken. Lutherus wuchs und der Bischof nahm ab". Gleich nach seinem
Regierungsantritt führte Heinrich die Reformation in Dresden und Meißen
ein. Der Bischof hatte nun nichts mehr auf der Albrechtsburg zu suchen und
zog sich ganz auf seine Feste Stolper zurück. Sein kostbarstes Besitztum brachte
er aus Meißen mit, namentlich die Meißner Reliquien, einen Finger des Apostels
Paulus, die Hirnschale des heiligen Donatus und die Gebeine Bennos, der erst
kurz zuvor heilig gesprochen war. Indes auch auf dem Stolpener Felsenneste
blieben die heiligen Knochen nicht vor Profanation bewahrt. In dem Drunter
und Drüber des „Saukrieges", der Carlowitzschen Fehden, glaubte man sie im
Frieden der Burgkapelle nicht sicher genug, und da sie sich trotz aller Wunder¬
kraft nicht selbst zu schützen wußten, fanden sie ein nicht besonders würdiges,
aber doch ketzerfestes Asyl im Strohsack eines frommen Stolpener Pfaffen Nikolaus
Grüner. Später sind sie nach München gekommen und dort verschwunden.

Noch zwanzig Jahre lang hielt sich der Bischof auf seiner Bergfestung.
Häufig wetterte Luther: „Nur die Flegel auf dem Stolper droben, die wollen
sich nicht ergeben." Endlich 1559 ging Stolper durch Umtausch gegen das Amt
Mühlberg in kursächsischen Besitz über. Der Bischof räumte den Platz, und
sofort wurde durch kurfürstliche Kommissare „das Papsttum ausgetrieben und
das Luthertum eingeführt".

Die Kurfürsten gestalteten die Burg nach und nach zu einer starken Festung
im Sinne der neueren Zeit um und gaben ihr die Gestalt, in der sie dann
schließlich zur Ruine verfallen ist. Auch unter ihrem Regiments mußte die Feste
zuweilen als Gefängnis dienen. So wurden 1592 zwei Dresdner Hofprediger um
ihres calvinischen Glaubensbekenntnisses willen „LoIIeMliter" hierher geschleppt.
Aber sie brachten wenig Segen nach Stolper. Der Teufel selber kam mit ihnen
hierher; es war von Stund an nicht mehr geheuer auf dem Schlosse. Das berichtet
der Verwalter Thomas Treutter in einem umständlichen Schreiben an seinen
Vorgesetzten. Es ist gar kein Zweifel, er selber hat den Leibhaftigen ganz
deutlich gesehen. Nacht für Nacht ist er zu ihm in die Stube gekommen, und
wie hat er sich da aufgeführt! Im Waschbecken hat er sich gebadet, das Bänklein
hat er fortgerückt, die Bücher umgeblättert und hin und her geworfen. Anderen
ist er auch begegnet; ein rotes Lederwams hat er angehabt und einen Fuhr¬
mannshut auf dem Kopfe mit langen Federn. In seinein Zorn hat er ein
furchtbares Hagelwetter über Stolper erregt. Mit dicken schloßen fo groß wie
Walnüsse hat er die Fenster eingeschlagen und die Ziegel von den Dächern
geworfen, daß es lebensgefährlich gewesen ist, über den Schloßhof zu gehen;
auf deu Feldern ist nicht der dritte Halm stehen geblieben; die Bürger haben
nicht anders gemeint, als nun käme der jüngste Tag. Inzwischen wurde seinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/19>, abgerufen am 23.07.2024.