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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Vaganten

nackt und bloß hinaus muß, UNI die "nobils8 praslati et presb^tLN beati"
anzubetteln:

Von dem Archipoeten nur ein paar Strophen aus der Vagantenbeichte,
die durch die Fülle und Behendigkeit ihrer Sprache, wie Jakob Grimm sagt,
"jeden Zweifel an dem wahrhaftigen Berufe ihres Verfassers für die Poesie
niederschlägt".

Drei Dinge werden dem Dichter zur Last gelegt: Liebe, Spiel und Wein.
Er bekennt sich schuldig, ist aber um Entschuldigungen auch nicht verlegen"').

1. Heiszer Scham und Reue voll,
Wilden Grimm zum Raube,
Schlag' ich voller Bitterkeit
An mein Herz, das taube.
Windgeschaffen, federleicht,
Locker wie vom Staube
Gleich' ich loser Lüfte Spiel,
Gleich' ich einem Laube!
4. Traurigkeit, ein traurig Ding,
Das mich mag verschonen!
Scherz geht über Honigseim,
Der will sich verlohnen.
Mir ist in Frau Venus' Dienst
Eine Lust zu froren,
Die in eines Tropfen Herz
Nie hat mögen wohnen,
7. Zwingen liiszt sich die Natur
Nimmermehr mit Banner,
Und an einer Jungfrau Bild
Muß der Sinn entbrennen.
Wie soll auch der Jugendmut
Regel halten können,
Und dem leicht erregten Blut
Seinen Wunsch mißgönnen?
10. Zweitens hab' ich auch das Spiel
Leider nicht gemieden.
Doch so oft vom Spieltisch ich
Blute und blos; geschieden,
Hob im Frost des Leibes mir
An der Geist zu sieden:
Vers und Lieder kann ich traun
Dann die besten schmieden.


") Übersetzung von Ludwig Laistner.
Die Vaganten

nackt und bloß hinaus muß, UNI die „nobils8 praslati et presb^tLN beati"
anzubetteln:

Von dem Archipoeten nur ein paar Strophen aus der Vagantenbeichte,
die durch die Fülle und Behendigkeit ihrer Sprache, wie Jakob Grimm sagt,
„jeden Zweifel an dem wahrhaftigen Berufe ihres Verfassers für die Poesie
niederschlägt".

Drei Dinge werden dem Dichter zur Last gelegt: Liebe, Spiel und Wein.
Er bekennt sich schuldig, ist aber um Entschuldigungen auch nicht verlegen"').

1. Heiszer Scham und Reue voll,
Wilden Grimm zum Raube,
Schlag' ich voller Bitterkeit
An mein Herz, das taube.
Windgeschaffen, federleicht,
Locker wie vom Staube
Gleich' ich loser Lüfte Spiel,
Gleich' ich einem Laube!
4. Traurigkeit, ein traurig Ding,
Das mich mag verschonen!
Scherz geht über Honigseim,
Der will sich verlohnen.
Mir ist in Frau Venus' Dienst
Eine Lust zu froren,
Die in eines Tropfen Herz
Nie hat mögen wohnen,
7. Zwingen liiszt sich die Natur
Nimmermehr mit Banner,
Und an einer Jungfrau Bild
Muß der Sinn entbrennen.
Wie soll auch der Jugendmut
Regel halten können,
Und dem leicht erregten Blut
Seinen Wunsch mißgönnen?
10. Zweitens hab' ich auch das Spiel
Leider nicht gemieden.
Doch so oft vom Spieltisch ich
Blute und blos; geschieden,
Hob im Frost des Leibes mir
An der Geist zu sieden:
Vers und Lieder kann ich traun
Dann die besten schmieden.


") Übersetzung von Ludwig Laistner.
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[0182] Die Vaganten nackt und bloß hinaus muß, UNI die „nobils8 praslati et presb^tLN beati" anzubetteln: Von dem Archipoeten nur ein paar Strophen aus der Vagantenbeichte, die durch die Fülle und Behendigkeit ihrer Sprache, wie Jakob Grimm sagt, „jeden Zweifel an dem wahrhaftigen Berufe ihres Verfassers für die Poesie niederschlägt". Drei Dinge werden dem Dichter zur Last gelegt: Liebe, Spiel und Wein. Er bekennt sich schuldig, ist aber um Entschuldigungen auch nicht verlegen"'). 1. Heiszer Scham und Reue voll, Wilden Grimm zum Raube, Schlag' ich voller Bitterkeit An mein Herz, das taube. Windgeschaffen, federleicht, Locker wie vom Staube Gleich' ich loser Lüfte Spiel, Gleich' ich einem Laube! 4. Traurigkeit, ein traurig Ding, Das mich mag verschonen! Scherz geht über Honigseim, Der will sich verlohnen. Mir ist in Frau Venus' Dienst Eine Lust zu froren, Die in eines Tropfen Herz Nie hat mögen wohnen, 7. Zwingen liiszt sich die Natur Nimmermehr mit Banner, Und an einer Jungfrau Bild Muß der Sinn entbrennen. Wie soll auch der Jugendmut Regel halten können, Und dem leicht erregten Blut Seinen Wunsch mißgönnen? 10. Zweitens hab' ich auch das Spiel Leider nicht gemieden. Doch so oft vom Spieltisch ich Blute und blos; geschieden, Hob im Frost des Leibes mir An der Geist zu sieden: Vers und Lieder kann ich traun Dann die besten schmieden. ") Übersetzung von Ludwig Laistner.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/182>, abgerufen am 23.07.2024.