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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Vaganten

Nun folgt die bekannte Aufzählung aller derer, die sich um den Becher
scharen:

Trinkt der Sie- und trinkt der Erstand,
Trinkt der Wehr- und trinkt der Lehrstand,
Trinket dieser, trinket jene,
Trinkt der Knecht und seine Schöne,
Trinkt der Flinte, der Verhockte,
Trinkt der Blond- und Schwarzgelockte,
Trinkt der still' und Wetterwerb'ge,
Trinkt der Tor und der Verständige.
Trinkt der arme Mann im Spielet,
Trinkt der Fremd' im Elcndskittel,
Trinkt die Jugend, trinkt dus Alter,
Trinkt Dekan und Vorbestallter,
Trinkt das Mägdlein, trinkt der Knabe,
Trinkt die Mutter, die Ahn' am Stube,
Trinkt so Weib- als Männlein, veede,
Trinken tausend, all und jede.

Der Dichter schließt mit der Strophe:

Der Archipoeta erklärt in seiner "Generalbeichte" geradezu, in der Kneipe
beim vollen Becher sterben zu wollen:


ü^eum est propositum
In tsberna mori*).

Ost genug finden wir auch die üble Lage des Vaganten besungen, der bei
Wein und Würfelspiel sogar seine Kleidung zum Pfande gelassen hat und nun



") Die Verse sind schon früh aus dem Zusammenhange herausgenommen und als
besonderes Lied betrachtet worden. Bekannt ist auch Bürgers Übersetzung von 1777: "Ich
will einst bei Ja und Nein vor dem Zapfen sterben."
Grenzboten III 1810 22
Die Vaganten

Nun folgt die bekannte Aufzählung aller derer, die sich um den Becher
scharen:

Trinkt der Sie- und trinkt der Erstand,
Trinkt der Wehr- und trinkt der Lehrstand,
Trinket dieser, trinket jene,
Trinkt der Knecht und seine Schöne,
Trinkt der Flinte, der Verhockte,
Trinkt der Blond- und Schwarzgelockte,
Trinkt der still' und Wetterwerb'ge,
Trinkt der Tor und der Verständige.
Trinkt der arme Mann im Spielet,
Trinkt der Fremd' im Elcndskittel,
Trinkt die Jugend, trinkt dus Alter,
Trinkt Dekan und Vorbestallter,
Trinkt das Mägdlein, trinkt der Knabe,
Trinkt die Mutter, die Ahn' am Stube,
Trinkt so Weib- als Männlein, veede,
Trinken tausend, all und jede.

Der Dichter schließt mit der Strophe:

Der Archipoeta erklärt in seiner „Generalbeichte" geradezu, in der Kneipe
beim vollen Becher sterben zu wollen:


ü^eum est propositum
In tsberna mori*).

Ost genug finden wir auch die üble Lage des Vaganten besungen, der bei
Wein und Würfelspiel sogar seine Kleidung zum Pfande gelassen hat und nun



") Die Verse sind schon früh aus dem Zusammenhange herausgenommen und als
besonderes Lied betrachtet worden. Bekannt ist auch Bürgers Übersetzung von 1777: „Ich
will einst bei Ja und Nein vor dem Zapfen sterben."
Grenzboten III 1810 22
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[0181] Die Vaganten Nun folgt die bekannte Aufzählung aller derer, die sich um den Becher scharen: Trinkt der Sie- und trinkt der Erstand, Trinkt der Wehr- und trinkt der Lehrstand, Trinket dieser, trinket jene, Trinkt der Knecht und seine Schöne, Trinkt der Flinte, der Verhockte, Trinkt der Blond- und Schwarzgelockte, Trinkt der still' und Wetterwerb'ge, Trinkt der Tor und der Verständige. Trinkt der arme Mann im Spielet, Trinkt der Fremd' im Elcndskittel, Trinkt die Jugend, trinkt dus Alter, Trinkt Dekan und Vorbestallter, Trinkt das Mägdlein, trinkt der Knabe, Trinkt die Mutter, die Ahn' am Stube, Trinkt so Weib- als Männlein, veede, Trinken tausend, all und jede. Der Dichter schließt mit der Strophe: Der Archipoeta erklärt in seiner „Generalbeichte" geradezu, in der Kneipe beim vollen Becher sterben zu wollen: ü^eum est propositum In tsberna mori*). Ost genug finden wir auch die üble Lage des Vaganten besungen, der bei Wein und Würfelspiel sogar seine Kleidung zum Pfande gelassen hat und nun ") Die Verse sind schon früh aus dem Zusammenhange herausgenommen und als besonderes Lied betrachtet worden. Bekannt ist auch Bürgers Übersetzung von 1777: „Ich will einst bei Ja und Nein vor dem Zapfen sterben." Grenzboten III 1810 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/181>, abgerufen am 23.07.2024.