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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Schloß Stolper und die Reichsgräfin von Cosel

wisse:: viel von seiner: Verdiensten um den Ausbau der Feste und von seiner
landesväterlichen Sorge um das Städtchen Stolper am Fuße des Burgbergs
zu rühmen. Es war wohl damals unter seinen Untertanen ein allzu feucht¬
fröhliches Treiben eingerissen. Da steuerte er "als ein Liebhaber guter Ordnung
der Üppigkeit, die in Bierhäusern, und der Ungerechtigkeit, so unter Kartenspielern
vorging". Wir haben die Verordnung cZatc> Stolper, Mittwoch nach Jubilate
1503. Die ersten Sätze daraus lauten:

"Es soll niemand zu Biere gehen im Winter vor Zeiger 2 zu Mittage
und Zeiger 8 auf den Abend wieder davon, und im Sommer um Zeiger 3 zu
Biere und um Zeiger 9 davon, und da einer ungehorsam befunden, soll der
Wirt, der es zulasset, und der Gast, der das thut, ihr ieglicher so mannigfaltig
das geschieht, ein gut Schock zum Bau geben, halb in unsere Kammer, die ander
Helffte dem Rathe. Es soll auch hinfort bei Vermeidung eines Silbern Schocks
Buße niemand nach dem Zeiger 8, es sei im Winter oder Sommer, auf der
Gasse schreien oder jauchzen." Dann folgen ähnliche Strafbestimmungen gegen
diejenigen, die "in gedachter unserer Stadt auf Karten, Würffeln oder sonst
irgend ein ander Spiel um Geld spielen". Der Magister Senff, der uns dies
mitteilt*), kaun sich nicht versagen, hinzuzufügen: "Es wäre wohl nötig, daß
man die alten Befehle dem heutigen unartigen, unmäßigen und gewinnsüchtigen
Volke mit Nachdruck noch schärfte," aber er findet es ein wenig zuviel, "daß
denen Zechbrüdern nachgesehen wird, daß sie mögen sechs Stunden hinter einander
unter dem Zapfen sitzen."

Unter den Nachfolgern Johannes des Sechsten wurde das bischöfliche Residenz¬
schloß Stolper zu einer Hochburg des Papsttums gegen das aufstrebende Luthertum.
Von Stolper datiert gingen zornige Erlasse des Bischofs oder seines Offizials
aus, die sich gegen die Wittenberger Ketzereien wendeten. Darüber erzürnte sich
Luther nicht wenig und blieb seine geharnischten Antworten nicht schuldig. Als
der Bischof einmal mit allerlei spitzfindigen Vergleichen die katholische Form des
Abendmahls unter einerlei Gestalt verteidigt, poltert Luther dagegen los: "O, daß
der Koch und Keller zum Stolper müßten ein Ding werden und dem Bischöfe
schlecht Essen geben ohne Trinken, auf daß er seine eigne Kunst an ihn: auch
versuchet, ob er Essen und Trinken vor ein Ding wollte halten und ohne
Getränke trinken könnte." Ein andermal zerpflückt er ein Mandat des Stolpener
Offizials mit seinem drastischen Wortwitz. Aus dem "Stolpener" machte er einen
"Stolperer" und meint, "des Offizials Zeddul würde für aller Vernunfft mehr
für Tölpisch als Stölpisch angesehn werden".

Aber nicht nur mit solchen "Zedduln" bekämpften die Bischöfe die Reformation.
Wenn ihre eigenen Geistlichen sich der Hinneigung zu den neuen Irrlehren
schuldig machten, so ließen die Bischöfe sie einfach in den "grauerlichenGefängnüssen"
des Stolpener Schlosses verschwinden. Solange in Sachsen Herzog Georg regierte,



") Karl Samuel Senff, "Kirchenreformation- und Jubelgeschichte des Amts
stülpen", 1719.
Schloß Stolper und die Reichsgräfin von Cosel

wisse:: viel von seiner: Verdiensten um den Ausbau der Feste und von seiner
landesväterlichen Sorge um das Städtchen Stolper am Fuße des Burgbergs
zu rühmen. Es war wohl damals unter seinen Untertanen ein allzu feucht¬
fröhliches Treiben eingerissen. Da steuerte er „als ein Liebhaber guter Ordnung
der Üppigkeit, die in Bierhäusern, und der Ungerechtigkeit, so unter Kartenspielern
vorging". Wir haben die Verordnung cZatc> Stolper, Mittwoch nach Jubilate
1503. Die ersten Sätze daraus lauten:

„Es soll niemand zu Biere gehen im Winter vor Zeiger 2 zu Mittage
und Zeiger 8 auf den Abend wieder davon, und im Sommer um Zeiger 3 zu
Biere und um Zeiger 9 davon, und da einer ungehorsam befunden, soll der
Wirt, der es zulasset, und der Gast, der das thut, ihr ieglicher so mannigfaltig
das geschieht, ein gut Schock zum Bau geben, halb in unsere Kammer, die ander
Helffte dem Rathe. Es soll auch hinfort bei Vermeidung eines Silbern Schocks
Buße niemand nach dem Zeiger 8, es sei im Winter oder Sommer, auf der
Gasse schreien oder jauchzen." Dann folgen ähnliche Strafbestimmungen gegen
diejenigen, die „in gedachter unserer Stadt auf Karten, Würffeln oder sonst
irgend ein ander Spiel um Geld spielen". Der Magister Senff, der uns dies
mitteilt*), kaun sich nicht versagen, hinzuzufügen: „Es wäre wohl nötig, daß
man die alten Befehle dem heutigen unartigen, unmäßigen und gewinnsüchtigen
Volke mit Nachdruck noch schärfte," aber er findet es ein wenig zuviel, „daß
denen Zechbrüdern nachgesehen wird, daß sie mögen sechs Stunden hinter einander
unter dem Zapfen sitzen."

Unter den Nachfolgern Johannes des Sechsten wurde das bischöfliche Residenz¬
schloß Stolper zu einer Hochburg des Papsttums gegen das aufstrebende Luthertum.
Von Stolper datiert gingen zornige Erlasse des Bischofs oder seines Offizials
aus, die sich gegen die Wittenberger Ketzereien wendeten. Darüber erzürnte sich
Luther nicht wenig und blieb seine geharnischten Antworten nicht schuldig. Als
der Bischof einmal mit allerlei spitzfindigen Vergleichen die katholische Form des
Abendmahls unter einerlei Gestalt verteidigt, poltert Luther dagegen los: „O, daß
der Koch und Keller zum Stolper müßten ein Ding werden und dem Bischöfe
schlecht Essen geben ohne Trinken, auf daß er seine eigne Kunst an ihn: auch
versuchet, ob er Essen und Trinken vor ein Ding wollte halten und ohne
Getränke trinken könnte." Ein andermal zerpflückt er ein Mandat des Stolpener
Offizials mit seinem drastischen Wortwitz. Aus dem „Stolpener" machte er einen
„Stolperer" und meint, „des Offizials Zeddul würde für aller Vernunfft mehr
für Tölpisch als Stölpisch angesehn werden".

Aber nicht nur mit solchen „Zedduln" bekämpften die Bischöfe die Reformation.
Wenn ihre eigenen Geistlichen sich der Hinneigung zu den neuen Irrlehren
schuldig machten, so ließen die Bischöfe sie einfach in den „grauerlichenGefängnüssen"
des Stolpener Schlosses verschwinden. Solange in Sachsen Herzog Georg regierte,



") Karl Samuel Senff, „Kirchenreformation- und Jubelgeschichte des Amts
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/18>, abgerufen am 23.07.2024.