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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Patronat und Schulbehörde

den Schriftwechsel des Direktors mit dem Provinzial-Schulkollegium jederzeit
Einblick zu verlangen. Gerade in der Zwischenstellung des Direktors inmitten
der verschiedensten Ansprüche -- von Lehrern, Schülern, Eltern, Patronat und
Aufsichtsbehörde -- liegt die Schwierigkeit, aber auch die Stärke seines Amtes.
Weiß er taktvoll und besonnen hindurchzufinden, so kann er großen Einfluß
gewinnen, den zum Besten der Schule auszuüben niemand mehr als er berufen
ist. Wie soll das aber angehen, wenn ihm von der einen Seite fortwährend
ins Blatt gesehen und dazwischengeredet wird? Unleidlich müßte es werden,
der Konflikt der Pflichten, die ihn nach zwei Seiten hinziehen, ein dauernder
Mißstand, der zu Kampf und Streit der unerfreulichsten Art die Nötigung
enthielte.

Oder wäre eben dieser Kampf das, worauf es eigentlich abgesehen ist?
jene Bestimmung nur die Handhabe, um ihn einzuleiten? So müßte man
glauben, wenn ein Leitartikel der "Kölnischen Zeitung" vom 19. März d. Is.
Anschauungen zum Ausdruck gebracht hätte, die weiter verbreitet wären. Der
ungenannte Verfasser behandelt unter der Überschrift "Oberlehrer und Stadt¬
verwaltung" die Wünsche der Kuratorien und versichert, diese richteten sich in
keiner Weise gegen die Oberlehrer, sondern "ausschließlich gegen die Art und
Weise, wie heute das den Provinzial-Schulkollegien zustehende Aufsichtsrecht
gehandhabt" werde. Davon erzählt er wunderbare Dinge, um die Forderung
zu begründen: es müsse, was für die Volksschulen die Schuldeputation ist, auch
für die höheren Schulen einer Stadt geschaffen werden, ein mit Aufsichts¬
befugnissen ausgestattetes Gemeindeorgan, das, wie jene zwischen Volksschule
und Bezirksregierung, so zwischen höherer Schule und Provinzial-Schul¬
kollegium eine mittlere Instanz bildete; zu solchen Organen wären denn die
Kuratorien umzugestalten.

/^ucliatur et altera pars. Sieben Jahre lang war ich in Düsseldorf
Mitglied auch der Schuldeputation, daneben mehrfach sonst in städtischen
Kommissionen tätig. So hatte ich von kommunaler Selbstverwaltung nicht
nur eine hohe Meinung, sondern auch eine lebhafte Anschauung, als ich vor
fünf Jahren berufen wurde, im Provinzial-Schulkollegium von Westfalen das
Dezernat auch über eine größere Anzahl städtischer Anstalten zu übernehmen.
Mit besondrer Freude sah ich diesem Teil meiner Aufgabe entgegen. Ich
halte es noch heute für selbswerständlich, daß, wer ein solches Amt antritt, sich
von vornherein nicht auf das Lesen von Berichten und Entwerfen von Ver¬
fügungen beschränken, sondern persönlichen Gedankenaustausch mit den Leitern
und Vorstehern der städtischen Schulverwaltung suchen soll; und ich hielt es
damals für selbstverständlich, daß solche Absicht, wenn sie in den unter gebildeten
Männern üblichen Formen sich äußert, erwidert werde. Alls welche Weise
ich -- hier und da, keineswegs doch überall -- eines andren belehrt worden bin,
braucht nicht ausgeführt zu werden. Nur bitte ich, der Versicherung zu glauben:
wenn das Verhältnis zwischen Kuratorium und Provinzial-Schulkollegium nicht


Patronat und Schulbehörde

den Schriftwechsel des Direktors mit dem Provinzial-Schulkollegium jederzeit
Einblick zu verlangen. Gerade in der Zwischenstellung des Direktors inmitten
der verschiedensten Ansprüche — von Lehrern, Schülern, Eltern, Patronat und
Aufsichtsbehörde — liegt die Schwierigkeit, aber auch die Stärke seines Amtes.
Weiß er taktvoll und besonnen hindurchzufinden, so kann er großen Einfluß
gewinnen, den zum Besten der Schule auszuüben niemand mehr als er berufen
ist. Wie soll das aber angehen, wenn ihm von der einen Seite fortwährend
ins Blatt gesehen und dazwischengeredet wird? Unleidlich müßte es werden,
der Konflikt der Pflichten, die ihn nach zwei Seiten hinziehen, ein dauernder
Mißstand, der zu Kampf und Streit der unerfreulichsten Art die Nötigung
enthielte.

Oder wäre eben dieser Kampf das, worauf es eigentlich abgesehen ist?
jene Bestimmung nur die Handhabe, um ihn einzuleiten? So müßte man
glauben, wenn ein Leitartikel der „Kölnischen Zeitung" vom 19. März d. Is.
Anschauungen zum Ausdruck gebracht hätte, die weiter verbreitet wären. Der
ungenannte Verfasser behandelt unter der Überschrift „Oberlehrer und Stadt¬
verwaltung" die Wünsche der Kuratorien und versichert, diese richteten sich in
keiner Weise gegen die Oberlehrer, sondern „ausschließlich gegen die Art und
Weise, wie heute das den Provinzial-Schulkollegien zustehende Aufsichtsrecht
gehandhabt" werde. Davon erzählt er wunderbare Dinge, um die Forderung
zu begründen: es müsse, was für die Volksschulen die Schuldeputation ist, auch
für die höheren Schulen einer Stadt geschaffen werden, ein mit Aufsichts¬
befugnissen ausgestattetes Gemeindeorgan, das, wie jene zwischen Volksschule
und Bezirksregierung, so zwischen höherer Schule und Provinzial-Schul¬
kollegium eine mittlere Instanz bildete; zu solchen Organen wären denn die
Kuratorien umzugestalten.

/^ucliatur et altera pars. Sieben Jahre lang war ich in Düsseldorf
Mitglied auch der Schuldeputation, daneben mehrfach sonst in städtischen
Kommissionen tätig. So hatte ich von kommunaler Selbstverwaltung nicht
nur eine hohe Meinung, sondern auch eine lebhafte Anschauung, als ich vor
fünf Jahren berufen wurde, im Provinzial-Schulkollegium von Westfalen das
Dezernat auch über eine größere Anzahl städtischer Anstalten zu übernehmen.
Mit besondrer Freude sah ich diesem Teil meiner Aufgabe entgegen. Ich
halte es noch heute für selbswerständlich, daß, wer ein solches Amt antritt, sich
von vornherein nicht auf das Lesen von Berichten und Entwerfen von Ver¬
fügungen beschränken, sondern persönlichen Gedankenaustausch mit den Leitern
und Vorstehern der städtischen Schulverwaltung suchen soll; und ich hielt es
damals für selbstverständlich, daß solche Absicht, wenn sie in den unter gebildeten
Männern üblichen Formen sich äußert, erwidert werde. Alls welche Weise
ich — hier und da, keineswegs doch überall — eines andren belehrt worden bin,
braucht nicht ausgeführt zu werden. Nur bitte ich, der Versicherung zu glauben:
wenn das Verhältnis zwischen Kuratorium und Provinzial-Schulkollegium nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/171>, abgerufen am 23.07.2024.