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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Patronat und Schulbehörde

Dezernenten für die höheren Schulen haben, müßte jede solche Beschränkung
wegfallen. Ein Stadtschulrat, der eine größere oder große Zahl von Schulen
mit Lehrern zu versorgen hat, muß reichlich hospitieren können, um die Ver¬
teilung der Kräfte so vorzunehmen und immer so zu erhalten, wie es dem
Bedürfnis entspricht.

Eine Frage, in der nicht so sehr praktische Gründe wie Rücksichten der
Dignität Beachtung zu fordern scheinen, ist die: wer soll einen neuen Direktor
in sein Amt einführen? Hierüber gibt es einen Ministerial-Erlaß vom Jahre 1868,
der in der neuesten Auflage einer aus amtlichen Quellen herausgegebenen
Sammlung von Gesetzen und Verordnungen für höhere Schulen eben jetzt
öffentlich gedruckt erscheint (Beier, 1909, S. 638 f.), der also der Auffassung
entspricht, die nach wie vor an maßgebender Stelle besteht. Die darin enthaltene
Forderung deckt sich doch wohl mit dem allgemeinen Empfinden: die feierliche
Überreichung einer Urkunde, der durch Unterschrift des Landesherrn ihre Gültigkeit
gegeben ist, soll durch einen Vertreter der Staatsregierung erfolgen. Nur
persönlicher Ehrgeiz einzelner Stadtoberhäupter könnte widerstreben, wie der
kürzlich in Essen vorgekommene und viel besprochene Fall vermuten läßt. Unter
den preußischen Städten ist Frankfurt a, M, nicht nur überhaupt eine der
stolzesten, sondern auch, was schon erwähnt wurde, diejenige, die ihrem höheren
Schulwesen die eigentümlichste Gestalt gegeben hat. Man braucht nicht mit
allem, was für diese Gestaltung dort geschehen ist, einverstanden zu sein, und
wird doch sagen müssen: als Ganzes ist sie ein ehrenvolles Zeugnis bürgerlicher
Selbständigkeit; wer diese so zu betätigen vermag, darf um so eher auch dem
Staate geben, was des Staates ist. So geschieht es in Frankfurt; die Ein¬
führung der Direktoren erfolgt durch den Abgesandten des Provinzial-Schul-
kollegiums. Nicht anders z. B. in Düsseldorf, wo vor zwölf Jahren der damalige
Koblenzer Schulrat, später vortragender Rat im Kulusnnnisterium, Dr. Matthias
mir die Bestallung überreichte. Noch bewahre ich die Rede auf, in welcher er
die Bedeutung des Amtes, das ich übernehmen sollte, darlegte, die besonderen
Vorzüge, aber auch Schwierigkeiten der Stellung eines städtischen Direktors
freimütig würdigend, die Aufgaben jeder einzelnen höheren Schule für das
gemeinsame große Vaterland freudig hervorhebend. Solches Vorbildes tournee
ich mich erinnern, so oft es mir nun selber oblag, einen Direktor in sein Amt
einzuführen. Wenn ein Patronat es vorzieht, bei diesem Anlaß mit den
Einwohnern der eignen Stadt unter sich zu sein -- benefiLM non olztruäuntui-.
Den grundsätzlichen Anspruch aber wird eine ihrer eignen Pflichten sichere
Negierung niemals preisgeben können, durch die Einführung des Direktors
feierlich zu bekunden, wie der Staat es ist, der für die Männer, die an einer
öffentlichen Anstalt zur Erziehung deutscher Jugend tätig sind, Pflichten und
Rechte bestimmt.

Er ist es denn auch, der Urlaub erteilt, der über die Erlaubnis zur
Übernahme von Nebenämtern entscheidet. Daß in beiden Fällen das Patronat


Patronat und Schulbehörde

Dezernenten für die höheren Schulen haben, müßte jede solche Beschränkung
wegfallen. Ein Stadtschulrat, der eine größere oder große Zahl von Schulen
mit Lehrern zu versorgen hat, muß reichlich hospitieren können, um die Ver¬
teilung der Kräfte so vorzunehmen und immer so zu erhalten, wie es dem
Bedürfnis entspricht.

Eine Frage, in der nicht so sehr praktische Gründe wie Rücksichten der
Dignität Beachtung zu fordern scheinen, ist die: wer soll einen neuen Direktor
in sein Amt einführen? Hierüber gibt es einen Ministerial-Erlaß vom Jahre 1868,
der in der neuesten Auflage einer aus amtlichen Quellen herausgegebenen
Sammlung von Gesetzen und Verordnungen für höhere Schulen eben jetzt
öffentlich gedruckt erscheint (Beier, 1909, S. 638 f.), der also der Auffassung
entspricht, die nach wie vor an maßgebender Stelle besteht. Die darin enthaltene
Forderung deckt sich doch wohl mit dem allgemeinen Empfinden: die feierliche
Überreichung einer Urkunde, der durch Unterschrift des Landesherrn ihre Gültigkeit
gegeben ist, soll durch einen Vertreter der Staatsregierung erfolgen. Nur
persönlicher Ehrgeiz einzelner Stadtoberhäupter könnte widerstreben, wie der
kürzlich in Essen vorgekommene und viel besprochene Fall vermuten läßt. Unter
den preußischen Städten ist Frankfurt a, M, nicht nur überhaupt eine der
stolzesten, sondern auch, was schon erwähnt wurde, diejenige, die ihrem höheren
Schulwesen die eigentümlichste Gestalt gegeben hat. Man braucht nicht mit
allem, was für diese Gestaltung dort geschehen ist, einverstanden zu sein, und
wird doch sagen müssen: als Ganzes ist sie ein ehrenvolles Zeugnis bürgerlicher
Selbständigkeit; wer diese so zu betätigen vermag, darf um so eher auch dem
Staate geben, was des Staates ist. So geschieht es in Frankfurt; die Ein¬
führung der Direktoren erfolgt durch den Abgesandten des Provinzial-Schul-
kollegiums. Nicht anders z. B. in Düsseldorf, wo vor zwölf Jahren der damalige
Koblenzer Schulrat, später vortragender Rat im Kulusnnnisterium, Dr. Matthias
mir die Bestallung überreichte. Noch bewahre ich die Rede auf, in welcher er
die Bedeutung des Amtes, das ich übernehmen sollte, darlegte, die besonderen
Vorzüge, aber auch Schwierigkeiten der Stellung eines städtischen Direktors
freimütig würdigend, die Aufgaben jeder einzelnen höheren Schule für das
gemeinsame große Vaterland freudig hervorhebend. Solches Vorbildes tournee
ich mich erinnern, so oft es mir nun selber oblag, einen Direktor in sein Amt
einzuführen. Wenn ein Patronat es vorzieht, bei diesem Anlaß mit den
Einwohnern der eignen Stadt unter sich zu sein — benefiLM non olztruäuntui-.
Den grundsätzlichen Anspruch aber wird eine ihrer eignen Pflichten sichere
Negierung niemals preisgeben können, durch die Einführung des Direktors
feierlich zu bekunden, wie der Staat es ist, der für die Männer, die an einer
öffentlichen Anstalt zur Erziehung deutscher Jugend tätig sind, Pflichten und
Rechte bestimmt.

Er ist es denn auch, der Urlaub erteilt, der über die Erlaubnis zur
Übernahme von Nebenämtern entscheidet. Daß in beiden Fällen das Patronat


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[0168] Patronat und Schulbehörde Dezernenten für die höheren Schulen haben, müßte jede solche Beschränkung wegfallen. Ein Stadtschulrat, der eine größere oder große Zahl von Schulen mit Lehrern zu versorgen hat, muß reichlich hospitieren können, um die Ver¬ teilung der Kräfte so vorzunehmen und immer so zu erhalten, wie es dem Bedürfnis entspricht. Eine Frage, in der nicht so sehr praktische Gründe wie Rücksichten der Dignität Beachtung zu fordern scheinen, ist die: wer soll einen neuen Direktor in sein Amt einführen? Hierüber gibt es einen Ministerial-Erlaß vom Jahre 1868, der in der neuesten Auflage einer aus amtlichen Quellen herausgegebenen Sammlung von Gesetzen und Verordnungen für höhere Schulen eben jetzt öffentlich gedruckt erscheint (Beier, 1909, S. 638 f.), der also der Auffassung entspricht, die nach wie vor an maßgebender Stelle besteht. Die darin enthaltene Forderung deckt sich doch wohl mit dem allgemeinen Empfinden: die feierliche Überreichung einer Urkunde, der durch Unterschrift des Landesherrn ihre Gültigkeit gegeben ist, soll durch einen Vertreter der Staatsregierung erfolgen. Nur persönlicher Ehrgeiz einzelner Stadtoberhäupter könnte widerstreben, wie der kürzlich in Essen vorgekommene und viel besprochene Fall vermuten läßt. Unter den preußischen Städten ist Frankfurt a, M, nicht nur überhaupt eine der stolzesten, sondern auch, was schon erwähnt wurde, diejenige, die ihrem höheren Schulwesen die eigentümlichste Gestalt gegeben hat. Man braucht nicht mit allem, was für diese Gestaltung dort geschehen ist, einverstanden zu sein, und wird doch sagen müssen: als Ganzes ist sie ein ehrenvolles Zeugnis bürgerlicher Selbständigkeit; wer diese so zu betätigen vermag, darf um so eher auch dem Staate geben, was des Staates ist. So geschieht es in Frankfurt; die Ein¬ führung der Direktoren erfolgt durch den Abgesandten des Provinzial-Schul- kollegiums. Nicht anders z. B. in Düsseldorf, wo vor zwölf Jahren der damalige Koblenzer Schulrat, später vortragender Rat im Kulusnnnisterium, Dr. Matthias mir die Bestallung überreichte. Noch bewahre ich die Rede auf, in welcher er die Bedeutung des Amtes, das ich übernehmen sollte, darlegte, die besonderen Vorzüge, aber auch Schwierigkeiten der Stellung eines städtischen Direktors freimütig würdigend, die Aufgaben jeder einzelnen höheren Schule für das gemeinsame große Vaterland freudig hervorhebend. Solches Vorbildes tournee ich mich erinnern, so oft es mir nun selber oblag, einen Direktor in sein Amt einzuführen. Wenn ein Patronat es vorzieht, bei diesem Anlaß mit den Einwohnern der eignen Stadt unter sich zu sein — benefiLM non olztruäuntui-. Den grundsätzlichen Anspruch aber wird eine ihrer eignen Pflichten sichere Negierung niemals preisgeben können, durch die Einführung des Direktors feierlich zu bekunden, wie der Staat es ist, der für die Männer, die an einer öffentlichen Anstalt zur Erziehung deutscher Jugend tätig sind, Pflichten und Rechte bestimmt. Er ist es denn auch, der Urlaub erteilt, der über die Erlaubnis zur Übernahme von Nebenämtern entscheidet. Daß in beiden Fällen das Patronat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/168>, abgerufen am 23.07.2024.