Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches bei. Deal das Projekt des sogenannten Balkanbundes und die Hoffnungen, die Zur Auffrischung der Mittelparteien. Die Lage der politischen Es wird ja geklagt, daß sich in den Parlamenten eine große Unsicherheit Maßgebliches und Unmaßgebliches bei. Deal das Projekt des sogenannten Balkanbundes und die Hoffnungen, die Zur Auffrischung der Mittelparteien. Die Lage der politischen Es wird ja geklagt, daß sich in den Parlamenten eine große Unsicherheit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315737"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_564" prev="#ID_563"> bei. Deal das Projekt des sogenannten Balkanbundes und die Hoffnungen, die<lb/> in den Balkanstaaten durch die Besuche König Ferdinands und König Peters an<lb/> der Newa angeregt worden sind, sind jedenfalls schwer vereinbar mit der An¬<lb/> erkennung des Status amo, wie sie in der Verständigung mit Österreich-Ungarn<lb/> einhalten ist. Sehr wichtig ist unter diesen Umständen, daß die Türkei eine feste<lb/> und entschiedene Politik führt und sich nicht durch ehrgeizige Pläne der Balkan¬<lb/> staaten aus ihrer Bahn locken läßt. Noch bedeutsamer aber ist die Stellung, die<lb/> Österreich-Ungarn durch tatkräftige und zielbewußte Politik im nahen Orient<lb/> gewonnen hat. Zu dieser Stellung gehört auch der zuverlässige Rückhalt, den es<lb/> am Demschen Reich besitzt. Es ist für uns von Bedeutung, daß durch die<lb/> Gruppierung der Mächte ein Gleichgewichtssystem geschaffen ist, das dem unruhigen<lb/> Ehrgeiz Jswolskis Schranken setzt und die Gefahr, die dem europäischen Frieden<lb/> vom nahen Orient her droht, wesentlich verringert.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Zur Auffrischung der Mittelparteien.</head> <p xml:id="ID_565"> Die Lage der politischen<lb/> Parteien in Deutschland ist aus verschiedenen in den „Grenzboten" bereits wieder¬<lb/> holt erörterten Gründen recht wenig erfreulich. Eine der wichtigste!! Ursachen ist<lb/> die Tatsache, daß in den Parteiäußerungen die Sachlichkeit und Sachkenntnis zu<lb/> vermissen ist und daß zugleich rings um die Parteien herum Fachvereinigungen ent¬<lb/> standen sind, die ihnen an Schlagierligkeit überlegen sind; die Generalsekretäre dringen<lb/> in die Parteien ein und betreiben dort die Politik der Fachvereine, so daß die Frak¬<lb/> tionen durch die neuen Gebilde von außen und innen bedroht sind. Wirksame<lb/> Abwehr ist nur zu leisten, wenn sich die Parteien wieder ein möglichst hohes Maß<lb/> von Sachkenntnis zulegen, so daß sie nicht der Dialektik der Generalsekretäre unter¬<lb/> worfen sind. Die Generalsekretärs-Politik hat für sich genommen einen bedeutenden<lb/> Wert, ist aber für das Parteileben nicht ganz ungefährlich, weil sie potenzierte<lb/> Interessenpolitik ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_566"> Es wird ja geklagt, daß sich in den Parlamenten eine große Unsicherheit<lb/> und Willkür in den Entschließungen der Fraktionen geltend mache, und haupt¬<lb/> sächlich soll dies auf mangelhafte Instruktion der aus den verschiedensten Lebens¬<lb/> berufen herausgegriffenen Volksvertreter zurückzuführen sein. Wer die Schwankungen<lb/> in unserer Zuckersteuerpolitik, die Sprunghafte Entwicklung unserer Steuer- und<lb/> Zollpolitik überhaupt, die starke Einseitigkeit unserer agrarfreundlichen Gesetzgebung<lb/> verfolgt hat, wird schwer eine andere Erklärung für diese Eigenarten des<lb/> Parlamentarismus angeben können. Es fehlt so sehr der innere Zusammenhang<lb/> in den gesetzgeberischen Vorgängen, daß häufig Mangel an sachlichen Ernst, ja<lb/> sogar an Charakter vermutet werden kann. Freilich nicht ausnahmslos. So ist<lb/> es den Sozialdemokraten und dem Zentrum gelungen, in den Fraktionen und<lb/> auch draußen in der Partei auf den meisten Gebieten des wirtschaftlichen und<lb/> kulturellen Lebens Leute heranzubilden, die mit den Dingen Bescheid wissen, über<lb/> die sie gelegentlich reden sollen. Wenig gut steht es dagegen bei den Deutsch¬<lb/> konservativen, geradezu traurig bei den Mittelparteien. Die Konservativen<lb/> sind mit ihrer Organisation ganz in die des Bundes der Landwirte auf¬<lb/> gegangen. Die Mittelparteien stehn vor der Gefahr, vom Hansabunde aufgesogen<lb/> zu werden. Dementsprechend sieht es auch in der Publizistik aus. Bei der<lb/> Bedeuiung, die heute einer starken Mittelpartei für unser öffentliches Leben zu¬<lb/> kommt, ist dieser von manchen Seiten bereits beklagte Vorgang keine Privat¬<lb/> angelegenheit, sondern bis zu einem Grade ein allgemeines Problem, das auch<lb/> die ausgesprochenste Aufmerksamkeit der Kreise außerhalb der eigentlichen<lb/> Parteien verdient.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
bei. Deal das Projekt des sogenannten Balkanbundes und die Hoffnungen, die
in den Balkanstaaten durch die Besuche König Ferdinands und König Peters an
der Newa angeregt worden sind, sind jedenfalls schwer vereinbar mit der An¬
erkennung des Status amo, wie sie in der Verständigung mit Österreich-Ungarn
einhalten ist. Sehr wichtig ist unter diesen Umständen, daß die Türkei eine feste
und entschiedene Politik führt und sich nicht durch ehrgeizige Pläne der Balkan¬
staaten aus ihrer Bahn locken läßt. Noch bedeutsamer aber ist die Stellung, die
Österreich-Ungarn durch tatkräftige und zielbewußte Politik im nahen Orient
gewonnen hat. Zu dieser Stellung gehört auch der zuverlässige Rückhalt, den es
am Demschen Reich besitzt. Es ist für uns von Bedeutung, daß durch die
Gruppierung der Mächte ein Gleichgewichtssystem geschaffen ist, das dem unruhigen
Ehrgeiz Jswolskis Schranken setzt und die Gefahr, die dem europäischen Frieden
vom nahen Orient her droht, wesentlich verringert.
Zur Auffrischung der Mittelparteien. Die Lage der politischen
Parteien in Deutschland ist aus verschiedenen in den „Grenzboten" bereits wieder¬
holt erörterten Gründen recht wenig erfreulich. Eine der wichtigste!! Ursachen ist
die Tatsache, daß in den Parteiäußerungen die Sachlichkeit und Sachkenntnis zu
vermissen ist und daß zugleich rings um die Parteien herum Fachvereinigungen ent¬
standen sind, die ihnen an Schlagierligkeit überlegen sind; die Generalsekretäre dringen
in die Parteien ein und betreiben dort die Politik der Fachvereine, so daß die Frak¬
tionen durch die neuen Gebilde von außen und innen bedroht sind. Wirksame
Abwehr ist nur zu leisten, wenn sich die Parteien wieder ein möglichst hohes Maß
von Sachkenntnis zulegen, so daß sie nicht der Dialektik der Generalsekretäre unter¬
worfen sind. Die Generalsekretärs-Politik hat für sich genommen einen bedeutenden
Wert, ist aber für das Parteileben nicht ganz ungefährlich, weil sie potenzierte
Interessenpolitik ist.
Es wird ja geklagt, daß sich in den Parlamenten eine große Unsicherheit
und Willkür in den Entschließungen der Fraktionen geltend mache, und haupt¬
sächlich soll dies auf mangelhafte Instruktion der aus den verschiedensten Lebens¬
berufen herausgegriffenen Volksvertreter zurückzuführen sein. Wer die Schwankungen
in unserer Zuckersteuerpolitik, die Sprunghafte Entwicklung unserer Steuer- und
Zollpolitik überhaupt, die starke Einseitigkeit unserer agrarfreundlichen Gesetzgebung
verfolgt hat, wird schwer eine andere Erklärung für diese Eigenarten des
Parlamentarismus angeben können. Es fehlt so sehr der innere Zusammenhang
in den gesetzgeberischen Vorgängen, daß häufig Mangel an sachlichen Ernst, ja
sogar an Charakter vermutet werden kann. Freilich nicht ausnahmslos. So ist
es den Sozialdemokraten und dem Zentrum gelungen, in den Fraktionen und
auch draußen in der Partei auf den meisten Gebieten des wirtschaftlichen und
kulturellen Lebens Leute heranzubilden, die mit den Dingen Bescheid wissen, über
die sie gelegentlich reden sollen. Wenig gut steht es dagegen bei den Deutsch¬
konservativen, geradezu traurig bei den Mittelparteien. Die Konservativen
sind mit ihrer Organisation ganz in die des Bundes der Landwirte auf¬
gegangen. Die Mittelparteien stehn vor der Gefahr, vom Hansabunde aufgesogen
zu werden. Dementsprechend sieht es auch in der Publizistik aus. Bei der
Bedeuiung, die heute einer starken Mittelpartei für unser öffentliches Leben zu¬
kommt, ist dieser von manchen Seiten bereits beklagte Vorgang keine Privat¬
angelegenheit, sondern bis zu einem Grade ein allgemeines Problem, das auch
die ausgesprochenste Aufmerksamkeit der Kreise außerhalb der eigentlichen
Parteien verdient.
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