Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Die preußische verrvaltungsorganiscition früher eigentliche Geschäftsführung in den Regierungssachen dem ihm beigegebenen An den Regierungen lobt Lotz mit Recht die zweckmäßige Arbeitsgliederung, Mir scheint dieser Vorwurf nicht begründet zu sein. Der König und seine So stellte schon der Oberpräsident, der vorgesetzte Einzelbeamte, wenn er Die preußische verrvaltungsorganiscition früher eigentliche Geschäftsführung in den Regierungssachen dem ihm beigegebenen An den Regierungen lobt Lotz mit Recht die zweckmäßige Arbeitsgliederung, Mir scheint dieser Vorwurf nicht begründet zu sein. Der König und seine So stellte schon der Oberpräsident, der vorgesetzte Einzelbeamte, wenn er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315717"/> <fw type="header" place="top"> Die preußische verrvaltungsorganiscition früher</fw><lb/> <p xml:id="ID_396" prev="#ID_395"> eigentliche Geschäftsführung in den Regierungssachen dem ihm beigegebenen<lb/> Regierungsvizepräsidenten entweder ganz oder teilweise zu übertragen. Sie<lb/> hatten sich nur entsprechend gegen das Staatsministerium zu erklären.</p><lb/> <p xml:id="ID_397"> An den Regierungen lobt Lotz mit Recht die zweckmäßige Arbeitsgliederung,<lb/> die durch die Einteilung in Fachabteilungen erreicht wurde, die in der kollegia-<lb/> lischer Verfassung begründete Stetigkeit der Verwaltung und Unparteilichkeit der<lb/> Verwaltungsrechtsprechung, sowie die bereits früher geschilderte Verwaltungs¬<lb/> methode. Freiherr von Zedlitz findet dagegen in der Verfassung der Regierungen<lb/> eine zu hohe Bewertung oder, wie er an einer andern Stelle sagt, eine einseitige<lb/> Wertschätzung des Kollegialsystems.</p><lb/> <p xml:id="ID_398"> Mir scheint dieser Vorwurf nicht begründet zu sein. Der König und seine<lb/> Ratgeber, namentlich Stein, waren keine Doktrinäre. Die innere Einrichtung<lb/> der Behörden war vielmehr das Ergebnis sorgfältiger Abwägung aller Vorteile<lb/> und Nachteile des Präfektursystems einer- und des Kollegialsystems anderseits,<lb/> mit dem Ziele, sie auszugleichen. Und man wird bei vorurteilsfreier Prüfung<lb/> nicht bestreiten dürfen, daß dieses Ziel wohl erreicht worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_399" next="#ID_400"> So stellte schon der Oberpräsident, der vorgesetzte Einzelbeamte, wenn er<lb/> seiner Aufgabe gewachsen war, mit seiner Tatkraft und seiner ganzen Persön¬<lb/> lichkeit eine vollwirksame Ergänzung zu der unter ihm stehenden Kollegialbehörde<lb/> dar. Aber auch in der Verfassung der Regierungen selbst gab es mannigfache<lb/> Hemmnisse gegen die Überspannung des Kollegiälitütsgrundsatzes. Vor allem<lb/> war die Stellung der leitenden Beamten so, daß machtvollen Persönlichkeiten<lb/> genügende Gelegenheit gegeben war, einen bestimmenden Einfluß auf die Geschäfte<lb/> zu gewinnen und die Behörde mit ihrem Geist zu erfüllen. Der Regierungs¬<lb/> präsident, der Leiter der ganzen Behörde, sollte der Mittelpunkt der ganzen<lb/> Verwaltung sein, und, von allem Kleinkram befreit, immer das Allgemeine im<lb/> Auge behalten und darauf hinwirken, daß diesem durch einseitige Verfügungen<lb/> in den einzelnen Abteilungen kein Eintrag geschehe. Er hatte die Leitung<lb/> im Plenum und in den einzelnen Abteilungen und für die pünktliche<lb/> Erledigung der Geschäfte zu sorgen. Ferner war er der Vorgesetzte aller Mit¬<lb/> glieder und Beamten der Behörde, deren Angelegenheiten er in den ersten Jahren<lb/> in dem sog. Präsidium, d. h. zusammen mit den Dirigenten der einzelnen<lb/> Abteilungen, seit 1826 aber allein bearbeitete. Ähnlich war die Stellung der<lb/> Abteilungsdirigenten zu ihren Abteilungen. Zur Durchführung dieser Rechte<lb/> hatten die leitenden Beamten gewisse Machtbefugnisse. So konnten sie Ent¬<lb/> scheidungen einzelner Abteilungen, mit denen sie nicht einverstanden waren, ans<lb/> Plenum bringen und, wenn sie auch dessen Beschlüssen nicht beitreten konnten,<lb/> die Entscheidung des Oberpräsidenten herbeiführen. Vor allem aber durften sie<lb/> einzelne Sachen dem Kollegium überhaupt entziehen. Schon die Geschäfts¬<lb/> instruktion für die Regierungen von 1808 hatte das Regierungspräsidium<lb/> ermächtigt, einzelne Sachen, die ihm höhern Orts ausdrücklich übertragen wurden<lb/> oder eine ganz besondere Eile und Geheimhaltung forderten, oder wobei sonst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
Die preußische verrvaltungsorganiscition früher
eigentliche Geschäftsführung in den Regierungssachen dem ihm beigegebenen
Regierungsvizepräsidenten entweder ganz oder teilweise zu übertragen. Sie
hatten sich nur entsprechend gegen das Staatsministerium zu erklären.
An den Regierungen lobt Lotz mit Recht die zweckmäßige Arbeitsgliederung,
die durch die Einteilung in Fachabteilungen erreicht wurde, die in der kollegia-
lischer Verfassung begründete Stetigkeit der Verwaltung und Unparteilichkeit der
Verwaltungsrechtsprechung, sowie die bereits früher geschilderte Verwaltungs¬
methode. Freiherr von Zedlitz findet dagegen in der Verfassung der Regierungen
eine zu hohe Bewertung oder, wie er an einer andern Stelle sagt, eine einseitige
Wertschätzung des Kollegialsystems.
Mir scheint dieser Vorwurf nicht begründet zu sein. Der König und seine
Ratgeber, namentlich Stein, waren keine Doktrinäre. Die innere Einrichtung
der Behörden war vielmehr das Ergebnis sorgfältiger Abwägung aller Vorteile
und Nachteile des Präfektursystems einer- und des Kollegialsystems anderseits,
mit dem Ziele, sie auszugleichen. Und man wird bei vorurteilsfreier Prüfung
nicht bestreiten dürfen, daß dieses Ziel wohl erreicht worden ist.
So stellte schon der Oberpräsident, der vorgesetzte Einzelbeamte, wenn er
seiner Aufgabe gewachsen war, mit seiner Tatkraft und seiner ganzen Persön¬
lichkeit eine vollwirksame Ergänzung zu der unter ihm stehenden Kollegialbehörde
dar. Aber auch in der Verfassung der Regierungen selbst gab es mannigfache
Hemmnisse gegen die Überspannung des Kollegiälitütsgrundsatzes. Vor allem
war die Stellung der leitenden Beamten so, daß machtvollen Persönlichkeiten
genügende Gelegenheit gegeben war, einen bestimmenden Einfluß auf die Geschäfte
zu gewinnen und die Behörde mit ihrem Geist zu erfüllen. Der Regierungs¬
präsident, der Leiter der ganzen Behörde, sollte der Mittelpunkt der ganzen
Verwaltung sein, und, von allem Kleinkram befreit, immer das Allgemeine im
Auge behalten und darauf hinwirken, daß diesem durch einseitige Verfügungen
in den einzelnen Abteilungen kein Eintrag geschehe. Er hatte die Leitung
im Plenum und in den einzelnen Abteilungen und für die pünktliche
Erledigung der Geschäfte zu sorgen. Ferner war er der Vorgesetzte aller Mit¬
glieder und Beamten der Behörde, deren Angelegenheiten er in den ersten Jahren
in dem sog. Präsidium, d. h. zusammen mit den Dirigenten der einzelnen
Abteilungen, seit 1826 aber allein bearbeitete. Ähnlich war die Stellung der
Abteilungsdirigenten zu ihren Abteilungen. Zur Durchführung dieser Rechte
hatten die leitenden Beamten gewisse Machtbefugnisse. So konnten sie Ent¬
scheidungen einzelner Abteilungen, mit denen sie nicht einverstanden waren, ans
Plenum bringen und, wenn sie auch dessen Beschlüssen nicht beitreten konnten,
die Entscheidung des Oberpräsidenten herbeiführen. Vor allem aber durften sie
einzelne Sachen dem Kollegium überhaupt entziehen. Schon die Geschäfts¬
instruktion für die Regierungen von 1808 hatte das Regierungspräsidium
ermächtigt, einzelne Sachen, die ihm höhern Orts ausdrücklich übertragen wurden
oder eine ganz besondere Eile und Geheimhaltung forderten, oder wobei sonst
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