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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Austauschprofessor

Darum ließ ich meinen Privatdozenten schwimmen. Und ging nach Bergstadt.
Und ich muß sagen, wenn ich so vor meiner Sexta sitze --"

O, Mr. Jerum, wie furchtbar können Sie lügen, dachte Miß Granton,
und sagte:

"Aber Mr. Jerum, von die Sexta können Sie niemals werden berühmt.
Lieben Sie gar nicht den Ruhm? Ich meine nicht den Ruhm sür Gröck, sondern
den Ruhm sür Unsterblichkeit. Wenn ich ein Mann wäre wie Sie, ich setzte
nur nicht auf den Stuhl für die Sexta, ich setzte mir auf den Stuhl für die
Wissenschaft. Ja, so täte ich. Zuroly. Und ich bin wirklich unzufrieden mit
Ihnen. Ich weiß, bis man ein berühmter Mann wird, muß man haben --
wie sagt man? -- einen Hinterhalt. Denn man gewinnt nicht viel, außer
Ruhm. Aber Sie sind aus ein so großes Geschäftshaus -- so erzählten Sie
mir vor fünf Jahren -- und Sie haben so vielen Geld. . . Nicht wahr, Sie
haben ihn doch?"

"Geld wie Heu," sagte Doktor Jerum.

"Nun also. Sonst, wenn Sie nicht hätten, Sie könnten heiraten ein
deutsches Mädchen wegen Geld. . ."

"Pfui Deibel!" sagte Jerum. "Damit ich mir dann nachher, wenn wir
uns mal zankten, von ihr sagen lassen müßte: Du hast mich ja nur des Geldes
wegen genommen."

"Nun fluchen Sie schon wieder. Und zanken muß man sich nicht mit
seiner Frau --"

"Sondern das M -- den Mund halten," sagte Doktor Jerum, dem die
Wendung des Gesprächs schmerzlich und peinlich zugleich war. "Gott sei Dank,
in zehn Minuten haben wir die Post."

"Ani -- O--o--o--odds!" schrie Miß Granton plötzlich auf und sank
zusammen.

"Was ist?" rief Jerum erschrocken.

"O, Mr. Jerum. Ich habe mir gestießen. Ich habe gestießen mein Fuß
gegen einen Stein, oder Wurzel von ein Baum. O--o--obs! das tut ganz
furchtbar schrecklich weh. O, ich fürchte, ich kann nicht stehn auf und nicht
gehen weiter. Fassen Sie mein Hand. l'tmnkZ. -- Nein -- es geht nicht. --
()une lap088this."

"Welch ein Unglückstag," sagte Doktor Jerum. "Hoffentlich ist nichts
gebrochen."

"Nein, nicht gebrochen. Bloß -- wie nennt man es -- verstaucht. Ich
werde bleiben hier, Sie müssen holen einen Wagen."

Da nahm Doktor Jerum, ohne erst lange um Erlaubnis zu fragen, die
zusammengebrochene Miß auf den Arm und sagte: "So werde ich Sie bis zur
Post tragen."

"Können Sie däs?" fragte Miß Granton. "O, das ist noch viel, viel
besser als Wagen."


Grenzboten II 1910 78
Der Austauschprofessor

Darum ließ ich meinen Privatdozenten schwimmen. Und ging nach Bergstadt.
Und ich muß sagen, wenn ich so vor meiner Sexta sitze —"

O, Mr. Jerum, wie furchtbar können Sie lügen, dachte Miß Granton,
und sagte:

„Aber Mr. Jerum, von die Sexta können Sie niemals werden berühmt.
Lieben Sie gar nicht den Ruhm? Ich meine nicht den Ruhm sür Gröck, sondern
den Ruhm sür Unsterblichkeit. Wenn ich ein Mann wäre wie Sie, ich setzte
nur nicht auf den Stuhl für die Sexta, ich setzte mir auf den Stuhl für die
Wissenschaft. Ja, so täte ich. Zuroly. Und ich bin wirklich unzufrieden mit
Ihnen. Ich weiß, bis man ein berühmter Mann wird, muß man haben —
wie sagt man? — einen Hinterhalt. Denn man gewinnt nicht viel, außer
Ruhm. Aber Sie sind aus ein so großes Geschäftshaus — so erzählten Sie
mir vor fünf Jahren — und Sie haben so vielen Geld. . . Nicht wahr, Sie
haben ihn doch?"

„Geld wie Heu," sagte Doktor Jerum.

„Nun also. Sonst, wenn Sie nicht hätten, Sie könnten heiraten ein
deutsches Mädchen wegen Geld. . ."

„Pfui Deibel!" sagte Jerum. „Damit ich mir dann nachher, wenn wir
uns mal zankten, von ihr sagen lassen müßte: Du hast mich ja nur des Geldes
wegen genommen."

„Nun fluchen Sie schon wieder. Und zanken muß man sich nicht mit
seiner Frau —"

„Sondern das M — den Mund halten," sagte Doktor Jerum, dem die
Wendung des Gesprächs schmerzlich und peinlich zugleich war. „Gott sei Dank,
in zehn Minuten haben wir die Post."

„Ani — O—o—o—odds!" schrie Miß Granton plötzlich auf und sank
zusammen.

„Was ist?" rief Jerum erschrocken.

„O, Mr. Jerum. Ich habe mir gestießen. Ich habe gestießen mein Fuß
gegen einen Stein, oder Wurzel von ein Baum. O—o—obs! das tut ganz
furchtbar schrecklich weh. O, ich fürchte, ich kann nicht stehn auf und nicht
gehen weiter. Fassen Sie mein Hand. l'tmnkZ. — Nein — es geht nicht. —
()une lap088this."

„Welch ein Unglückstag," sagte Doktor Jerum. „Hoffentlich ist nichts
gebrochen."

„Nein, nicht gebrochen. Bloß — wie nennt man es — verstaucht. Ich
werde bleiben hier, Sie müssen holen einen Wagen."

Da nahm Doktor Jerum, ohne erst lange um Erlaubnis zu fragen, die
zusammengebrochene Miß auf den Arm und sagte: „So werde ich Sie bis zur
Post tragen."

„Können Sie däs?" fragte Miß Granton. „O, das ist noch viel, viel
besser als Wagen."


Grenzboten II 1910 78
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[0629] Der Austauschprofessor Darum ließ ich meinen Privatdozenten schwimmen. Und ging nach Bergstadt. Und ich muß sagen, wenn ich so vor meiner Sexta sitze —" O, Mr. Jerum, wie furchtbar können Sie lügen, dachte Miß Granton, und sagte: „Aber Mr. Jerum, von die Sexta können Sie niemals werden berühmt. Lieben Sie gar nicht den Ruhm? Ich meine nicht den Ruhm sür Gröck, sondern den Ruhm sür Unsterblichkeit. Wenn ich ein Mann wäre wie Sie, ich setzte nur nicht auf den Stuhl für die Sexta, ich setzte mir auf den Stuhl für die Wissenschaft. Ja, so täte ich. Zuroly. Und ich bin wirklich unzufrieden mit Ihnen. Ich weiß, bis man ein berühmter Mann wird, muß man haben — wie sagt man? — einen Hinterhalt. Denn man gewinnt nicht viel, außer Ruhm. Aber Sie sind aus ein so großes Geschäftshaus — so erzählten Sie mir vor fünf Jahren — und Sie haben so vielen Geld. . . Nicht wahr, Sie haben ihn doch?" „Geld wie Heu," sagte Doktor Jerum. „Nun also. Sonst, wenn Sie nicht hätten, Sie könnten heiraten ein deutsches Mädchen wegen Geld. . ." „Pfui Deibel!" sagte Jerum. „Damit ich mir dann nachher, wenn wir uns mal zankten, von ihr sagen lassen müßte: Du hast mich ja nur des Geldes wegen genommen." „Nun fluchen Sie schon wieder. Und zanken muß man sich nicht mit seiner Frau —" „Sondern das M — den Mund halten," sagte Doktor Jerum, dem die Wendung des Gesprächs schmerzlich und peinlich zugleich war. „Gott sei Dank, in zehn Minuten haben wir die Post." „Ani — O—o—o—odds!" schrie Miß Granton plötzlich auf und sank zusammen. „Was ist?" rief Jerum erschrocken. „O, Mr. Jerum. Ich habe mir gestießen. Ich habe gestießen mein Fuß gegen einen Stein, oder Wurzel von ein Baum. O—o—obs! das tut ganz furchtbar schrecklich weh. O, ich fürchte, ich kann nicht stehn auf und nicht gehen weiter. Fassen Sie mein Hand. l'tmnkZ. — Nein — es geht nicht. — ()une lap088this." „Welch ein Unglückstag," sagte Doktor Jerum. „Hoffentlich ist nichts gebrochen." „Nein, nicht gebrochen. Bloß — wie nennt man es — verstaucht. Ich werde bleiben hier, Sie müssen holen einen Wagen." Da nahm Doktor Jerum, ohne erst lange um Erlaubnis zu fragen, die zusammengebrochene Miß auf den Arm und sagte: „So werde ich Sie bis zur Post tragen." „Können Sie däs?" fragte Miß Granton. „O, das ist noch viel, viel besser als Wagen." Grenzboten II 1910 78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/629>, abgerufen am 22.07.2024.