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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die Freiheit der Wissenschaft

solle wie der auf einer spanischen Universität erlangte. Wenn die Macht dazu
vorhanden wäre, so würde diese Gleichstellung unzweifelhaft auch für deutsche
Universitäten in Kraft treten.

Aus diesen Angaben mag man nun ersehen, was die ultramontane Kirche
unter Freiheit der Wissenschaft versteht. Sie ist in Wirklichkeit das Gegenteil
aller Freiheit. Das konnte hier nur in kurzen Zügen wiedergegeben werden.
Wer sich aber wirklich für diese Fragen und die in ihnen schlummernden
Gefahren interessiert, der muß die ultramontanen Schriften selber lesen; nicht
nur das hier vielfach zugrunde gelegte Buch von Donat, sondern auch zahlreiche
ähnliche Werke, die bei Donat zitiert sind, die sich aber ganz besonders zusammen¬
gestellt finden in den Werken des Grafen Hoensbroech. Diese letzteren können
nicht genug zur Lektüre empfohlen werden, und sind um so wichtiger, weil sie
nicht eine subjektiv gefärbte Darstellung der ultramontanen Verhältnisse sind,
sondern eine aktenmäßige Zusammenstellung.

Der Ultramontanismus pflegt seinen Gegnern, und ganz besonders in neuester
Zeit, vorzuwerfen, sie wollten einen neuen Kulturkampf heraufbeschwören. Man
gibt vor, dieser Kampf werde gegen die katholische Religion geführt. Davon
kann natürlich gar keine Rede sein und nur absichtliche Verleumdung zu
Agitationszwecken kann das behaupten. Mit der katholischen Religion hat das
alles ganz und gar nichts zu tun, sondern lediglich mit der ultramontanen
weltlichen Macht. Der Ausdruck Kulturkampf wird ganz ausschließlich als
politisches Agitationsmittel verwendet. Wenn überhaupt hier von einem
Kulturkampf die Rede sein kann, so führen nicht die Gegner des Ultra¬
montanismus diesen Kulturkampf, sondern der Ultramontanismus selbst. Denn
das, was wir in den ultramontanen Schriften finden, ist ein Kampf gegen die
geistige Kultur der gesamten Welt, und nicht bloß gegen die geistige Kultur,
fondern auch gegen die politische Machtstellung der Staaten als der Träger
dieser Kultur, in einer unerhörten Verquickung von Religion und Politik.




Die Freiheit der Wissenschaft

solle wie der auf einer spanischen Universität erlangte. Wenn die Macht dazu
vorhanden wäre, so würde diese Gleichstellung unzweifelhaft auch für deutsche
Universitäten in Kraft treten.

Aus diesen Angaben mag man nun ersehen, was die ultramontane Kirche
unter Freiheit der Wissenschaft versteht. Sie ist in Wirklichkeit das Gegenteil
aller Freiheit. Das konnte hier nur in kurzen Zügen wiedergegeben werden.
Wer sich aber wirklich für diese Fragen und die in ihnen schlummernden
Gefahren interessiert, der muß die ultramontanen Schriften selber lesen; nicht
nur das hier vielfach zugrunde gelegte Buch von Donat, sondern auch zahlreiche
ähnliche Werke, die bei Donat zitiert sind, die sich aber ganz besonders zusammen¬
gestellt finden in den Werken des Grafen Hoensbroech. Diese letzteren können
nicht genug zur Lektüre empfohlen werden, und sind um so wichtiger, weil sie
nicht eine subjektiv gefärbte Darstellung der ultramontanen Verhältnisse sind,
sondern eine aktenmäßige Zusammenstellung.

Der Ultramontanismus pflegt seinen Gegnern, und ganz besonders in neuester
Zeit, vorzuwerfen, sie wollten einen neuen Kulturkampf heraufbeschwören. Man
gibt vor, dieser Kampf werde gegen die katholische Religion geführt. Davon
kann natürlich gar keine Rede sein und nur absichtliche Verleumdung zu
Agitationszwecken kann das behaupten. Mit der katholischen Religion hat das
alles ganz und gar nichts zu tun, sondern lediglich mit der ultramontanen
weltlichen Macht. Der Ausdruck Kulturkampf wird ganz ausschließlich als
politisches Agitationsmittel verwendet. Wenn überhaupt hier von einem
Kulturkampf die Rede sein kann, so führen nicht die Gegner des Ultra¬
montanismus diesen Kulturkampf, sondern der Ultramontanismus selbst. Denn
das, was wir in den ultramontanen Schriften finden, ist ein Kampf gegen die
geistige Kultur der gesamten Welt, und nicht bloß gegen die geistige Kultur,
fondern auch gegen die politische Machtstellung der Staaten als der Träger
dieser Kultur, in einer unerhörten Verquickung von Religion und Politik.




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[0415] Die Freiheit der Wissenschaft solle wie der auf einer spanischen Universität erlangte. Wenn die Macht dazu vorhanden wäre, so würde diese Gleichstellung unzweifelhaft auch für deutsche Universitäten in Kraft treten. Aus diesen Angaben mag man nun ersehen, was die ultramontane Kirche unter Freiheit der Wissenschaft versteht. Sie ist in Wirklichkeit das Gegenteil aller Freiheit. Das konnte hier nur in kurzen Zügen wiedergegeben werden. Wer sich aber wirklich für diese Fragen und die in ihnen schlummernden Gefahren interessiert, der muß die ultramontanen Schriften selber lesen; nicht nur das hier vielfach zugrunde gelegte Buch von Donat, sondern auch zahlreiche ähnliche Werke, die bei Donat zitiert sind, die sich aber ganz besonders zusammen¬ gestellt finden in den Werken des Grafen Hoensbroech. Diese letzteren können nicht genug zur Lektüre empfohlen werden, und sind um so wichtiger, weil sie nicht eine subjektiv gefärbte Darstellung der ultramontanen Verhältnisse sind, sondern eine aktenmäßige Zusammenstellung. Der Ultramontanismus pflegt seinen Gegnern, und ganz besonders in neuester Zeit, vorzuwerfen, sie wollten einen neuen Kulturkampf heraufbeschwören. Man gibt vor, dieser Kampf werde gegen die katholische Religion geführt. Davon kann natürlich gar keine Rede sein und nur absichtliche Verleumdung zu Agitationszwecken kann das behaupten. Mit der katholischen Religion hat das alles ganz und gar nichts zu tun, sondern lediglich mit der ultramontanen weltlichen Macht. Der Ausdruck Kulturkampf wird ganz ausschließlich als politisches Agitationsmittel verwendet. Wenn überhaupt hier von einem Kulturkampf die Rede sein kann, so führen nicht die Gegner des Ultra¬ montanismus diesen Kulturkampf, sondern der Ultramontanismus selbst. Denn das, was wir in den ultramontanen Schriften finden, ist ein Kampf gegen die geistige Kultur der gesamten Welt, und nicht bloß gegen die geistige Kultur, fondern auch gegen die politische Machtstellung der Staaten als der Träger dieser Kultur, in einer unerhörten Verquickung von Religion und Politik.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/415>, abgerufen am 23.07.2024.