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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Bürgerliche Anltur

In diesem Bürgerliche" liegt die tiefere Kulturbedentung der dekorativen
Kunst.

Es erhellt also auch von diesem Standpunkt, wie töricht es wäre, wenn
die moderne Industrie sich gegen diese organisch großzügige Entwicklung sperrte.
Sie ist der sichtbare Ausdruck dieser neuen Kultur oder sollte es wenigstens
sein, begriffe sie ihr eigenes Wesen, isle Bedeutung. Im wesentlichen ist das
ja der Fall und nur wenige widersetzen sich aus zufälligen, äußeren Gründen,
die für die Allgemeinheit ohne Bedeutung bleiben.

Erst in diesem Sinne erhält die Industrie ihre große Bedeutung, schafft
sie Kultur. Die Industriellen, die diese Sendung begreifen, werden sich mehren;
das Publikum schafft sich in ihnen das Instrument, seinen Willen durchzusetzen.
Darin liegt ihre überragende Bedeutuug. Die Industrie ist nicht Zweck, sondern
Mittel; im kulturellen Sinne wenigstens; Machtmittel, um Kultur sichtbar werden
zu lassen, sie aus der Phantasie (Künstler) und den Wünschen und Bedürfnissen
(Publikum) zur Schöpfung erstehen zu lassen, daß spätere Zeiten solche bürgerlichen
Milieus einst ebenso als Einheit empfinden, wie wir die Schlösser und die
Bauerukunst als Einheit empfinden. Wir nehmen damit die Traditionen der
bürgerlichen Kultur, die es in früheren Zeiten gab, bis sie von der höfischen
Kunst verdrängt wurde, wieder auf. Die wirtschaftliche Entwicklung ließ den
Bürger in der Neuzeit zu modernen Aufgaben nicht kommen. Und speziell in
Deutschland gab es erst viele Zwischenstufen zu überwinden. Nun scheinen
neue Möglichkeiten gekommen zu sein und diejenigen, die die Entwicklung
verstehend erleben wollen, werden sich klar sein müssen, daß wir am Anfang
Lrnst Schur neuer Kulturen stehen.




Bürgerliche Anltur

In diesem Bürgerliche» liegt die tiefere Kulturbedentung der dekorativen
Kunst.

Es erhellt also auch von diesem Standpunkt, wie töricht es wäre, wenn
die moderne Industrie sich gegen diese organisch großzügige Entwicklung sperrte.
Sie ist der sichtbare Ausdruck dieser neuen Kultur oder sollte es wenigstens
sein, begriffe sie ihr eigenes Wesen, isle Bedeutung. Im wesentlichen ist das
ja der Fall und nur wenige widersetzen sich aus zufälligen, äußeren Gründen,
die für die Allgemeinheit ohne Bedeutung bleiben.

Erst in diesem Sinne erhält die Industrie ihre große Bedeutung, schafft
sie Kultur. Die Industriellen, die diese Sendung begreifen, werden sich mehren;
das Publikum schafft sich in ihnen das Instrument, seinen Willen durchzusetzen.
Darin liegt ihre überragende Bedeutuug. Die Industrie ist nicht Zweck, sondern
Mittel; im kulturellen Sinne wenigstens; Machtmittel, um Kultur sichtbar werden
zu lassen, sie aus der Phantasie (Künstler) und den Wünschen und Bedürfnissen
(Publikum) zur Schöpfung erstehen zu lassen, daß spätere Zeiten solche bürgerlichen
Milieus einst ebenso als Einheit empfinden, wie wir die Schlösser und die
Bauerukunst als Einheit empfinden. Wir nehmen damit die Traditionen der
bürgerlichen Kultur, die es in früheren Zeiten gab, bis sie von der höfischen
Kunst verdrängt wurde, wieder auf. Die wirtschaftliche Entwicklung ließ den
Bürger in der Neuzeit zu modernen Aufgaben nicht kommen. Und speziell in
Deutschland gab es erst viele Zwischenstufen zu überwinden. Nun scheinen
neue Möglichkeiten gekommen zu sein und diejenigen, die die Entwicklung
verstehend erleben wollen, werden sich klar sein müssen, daß wir am Anfang
Lrnst Schur neuer Kulturen stehen.




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[0403] Bürgerliche Anltur In diesem Bürgerliche» liegt die tiefere Kulturbedentung der dekorativen Kunst. Es erhellt also auch von diesem Standpunkt, wie töricht es wäre, wenn die moderne Industrie sich gegen diese organisch großzügige Entwicklung sperrte. Sie ist der sichtbare Ausdruck dieser neuen Kultur oder sollte es wenigstens sein, begriffe sie ihr eigenes Wesen, isle Bedeutung. Im wesentlichen ist das ja der Fall und nur wenige widersetzen sich aus zufälligen, äußeren Gründen, die für die Allgemeinheit ohne Bedeutung bleiben. Erst in diesem Sinne erhält die Industrie ihre große Bedeutung, schafft sie Kultur. Die Industriellen, die diese Sendung begreifen, werden sich mehren; das Publikum schafft sich in ihnen das Instrument, seinen Willen durchzusetzen. Darin liegt ihre überragende Bedeutuug. Die Industrie ist nicht Zweck, sondern Mittel; im kulturellen Sinne wenigstens; Machtmittel, um Kultur sichtbar werden zu lassen, sie aus der Phantasie (Künstler) und den Wünschen und Bedürfnissen (Publikum) zur Schöpfung erstehen zu lassen, daß spätere Zeiten solche bürgerlichen Milieus einst ebenso als Einheit empfinden, wie wir die Schlösser und die Bauerukunst als Einheit empfinden. Wir nehmen damit die Traditionen der bürgerlichen Kultur, die es in früheren Zeiten gab, bis sie von der höfischen Kunst verdrängt wurde, wieder auf. Die wirtschaftliche Entwicklung ließ den Bürger in der Neuzeit zu modernen Aufgaben nicht kommen. Und speziell in Deutschland gab es erst viele Zwischenstufen zu überwinden. Nun scheinen neue Möglichkeiten gekommen zu sein und diejenigen, die die Entwicklung verstehend erleben wollen, werden sich klar sein müssen, daß wir am Anfang Lrnst Schur neuer Kulturen stehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/403>, abgerufen am 24.07.2024.