Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.Im Kampf gegen die Übermacht Von dem Bischof und der Stiftsdirektion erntete er viele Anerkennung, und So einen Pfarrer hatte noch keiner gesehen. Er war überall, gelangte zu Seine Predigten, die bisher so eigentümlich ruhig gewesen waren, nahmen Aber einen herrlichen Mann Gottes hatten sie erhalten, das mußte man Mit um so größerem Staunen und zu ihrer großen Beruhigung sahen die Und sie fanden die Erklärung darin, daß Pastor Römer ein Mann war, Zu Jungfer Thorborgs Ehre fiel manch ein Wort, wie gut sie es verstand, Sören Römer litt. Der schöne Friede seiner Seele war dahin. Der lichte, ruhige Mut, die Er klammerte sich an seinen Gott, ja, wie nie zuvor schlang er seine Arme Aber er fand keine Erlösung- So hoch er sich auch unter Flehen und Anrufen emporschwang, ja, bis zu (Fortsetzung folgt.) Im Kampf gegen die Übermacht Von dem Bischof und der Stiftsdirektion erntete er viele Anerkennung, und So einen Pfarrer hatte noch keiner gesehen. Er war überall, gelangte zu Seine Predigten, die bisher so eigentümlich ruhig gewesen waren, nahmen Aber einen herrlichen Mann Gottes hatten sie erhalten, das mußte man Mit um so größerem Staunen und zu ihrer großen Beruhigung sahen die Und sie fanden die Erklärung darin, daß Pastor Römer ein Mann war, Zu Jungfer Thorborgs Ehre fiel manch ein Wort, wie gut sie es verstand, Sören Römer litt. Der schöne Friede seiner Seele war dahin. Der lichte, ruhige Mut, die Er klammerte sich an seinen Gott, ja, wie nie zuvor schlang er seine Arme Aber er fand keine Erlösung- So hoch er sich auch unter Flehen und Anrufen emporschwang, ja, bis zu (Fortsetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315783"/> <fw type="header" place="top"> Im Kampf gegen die Übermacht</fw><lb/> <p xml:id="ID_775"> Von dem Bischof und der Stiftsdirektion erntete er viele Anerkennung, und<lb/> in der Gemeinde war sein Ansehen größer denn je.</p><lb/> <p xml:id="ID_776"> So einen Pfarrer hatte noch keiner gesehen. Er war überall, gelangte zu<lb/> allem und zu allen in der weitausgedehnter Gemeinde. Und rings umher begann<lb/> man zu murmeln, daß er sich zu viel aufbürde. 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Im Kampf gegen die Übermacht
Von dem Bischof und der Stiftsdirektion erntete er viele Anerkennung, und
in der Gemeinde war sein Ansehen größer denn je.
So einen Pfarrer hatte noch keiner gesehen. Er war überall, gelangte zu
allem und zu allen in der weitausgedehnter Gemeinde. Und rings umher begann
man zu murmeln, daß er sich zu viel aufbürde. Wohl war er ein kräftiger
Mann, aber es war ein Wahnsinn, so wie er ohne Rast und Ruh umherreiste.
Es konnte einem auch wirklich weh tun, zu sehen, wie todmüde und abgearbeitet
er oft war. Er war mager geworden, und seine Augen brannten von dem Feuer
des heiligen Eifers.
Seine Predigten, die bisher so eigentümlich ruhig gewesen waren, nahmen
jetzt zu an Kraft und Glut, gingen wie ein Unwetter des Herrn über ihre Köpfe
hin. Wie nie zuvor rief er die Strafe der Sünde hernieder, rief er die Gewissen
auf zum Kampf gegen den Teufel, die Welt und unser eigenes Fleisch. Ja, es
war oft, als zitterten und bebten die gebrechlichen Kirchen unter seiner Stimme.
Aber einen herrlichen Mann Gottes hatten sie erhalten, das mußte man
anerkennen, und dafür mußte man dankbar sein! .. .
Mit um so größerem Staunen und zu ihrer großen Beruhigung sahen die
Männer, die als häufige Gäste in das Pfarrhaus kamen, wie ruhig und zufrieden
der Pfarrer in seinem Heim war, immer freundlich, ja oft des Abends aufgeräumt
und munter wie nie zuvor.
Und sie fanden die Erklärung darin, daß Pastor Römer ein Mann war,
der seinen rechten Beruf und Wirkungskreis — und darin sein Lebensglück
gefunden hatte.
Zu Jungfer Thorborgs Ehre fiel manch ein Wort, wie gut sie es verstand,
dem Pfarrer sein Haus gemütlich zu machen!
Sören Römer litt.
Der schöne Friede seiner Seele war dahin. Der lichte, ruhige Mut, die
Freude an der Arbeit, die schlichte Befriedigung des Tages — alles war aus
seinem Leben verscheucht, und seine Tage wie seine Nächte waren ein Kampf und
eine Qual.
Er klammerte sich an seinen Gott, ja, wie nie zuvor schlang er seine Arme
um Christi blutige Füße am Stamm des Kreuzes. Und er erfüllte seine Amts¬
pflichten im Dienste des Herrn wie von Peitschenschlägen getrieben. Gottes Bild
flammte vor seinen Augen, und die Verkündigung drang ihm wie Feuerzungen
über die Lippen, — eine verzehrende Glut erfüllte seine Seele.
Aber er fand keine Erlösung-
So hoch er sich auch unter Flehen und Anrufen emporschwang, ja, bis zu
Gottes höchster Reinheit — immer wieder fiel er, immer wieder lag er auf dem
Bauch an der Erde, wie ein erdgebundenes Tier — und starrte mit Entsetzen in
den Abgrund, der sich von neuem in dem Innersten seiner Seele aufgetan hatte:
in die sündige Sinnenbegier.
(Fortsetzung folgt.)
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