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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Im Acimpf gegen die Übermacht

"Ich hatte eigentlich gedacht, ich wollte die gute Mndame Foksen bitten, Sie
zu beherbergen, solange Sie hier bleiben. . .!"

"Danke I Das Bett da oben ist gut genug sür mich. Sie sollen nicht fremde
Leute meinetwegen bemühen."

Sie sagten einander freundlich Gute Nacht.

Und Sören Römer ging zu Bett, indem er lächelnd daran dachte, wie friedlich
und gut dieser Tag geendet hatte, der so unruhig, bewegt begonnen... Mit
Wohlbehagen streckte er sich in den reinen Laken aus.

Er hörte Jungfer Thorborg über sich. Es schallte so im ganzen Hause, und
die Fußbodenbretter knarrten. Aber er hörte, daß sie leicht auftrat und sich
bemühte, keinen Lärm zu machen.---

Es war doch ein eigenartig trauliches Gefühl, einen Mitmenschen im Hause
zu wissen.. .

Es wurde still da oben.

Und seine Gedanken wanderten.

Wie gut und warm sie im Grunde ihres Herzens wart Und wie tüchtig sie
alles angriff --I

Und schön war sie! Strahlend schön mit den schwarzen Augen, dem dunklen,
warmen Teint...

Er fuhr in die Höhe und starrte mit Entsetzen in die Finsternis hinaus.

Aber er beruhigte sich wieder und legte sich zurück. Er verjagte die Gedanken
und wollte schlafen. Aber der Schlaf wollte nicht kommen. Die Angst schlich sich
in seine Seele. ..




Am Vormittag des nächsten Tages kehrte er von einer Wanderung nach der
Fischerspitze zurück.

Er traf Jungfer Thorborg im Studierzimmer, mit dem Abständen seiner
Bücher beschäftigt.

"Jungfer Thorborg I" sagte er ernsthaft, "ich habe mir nun über Nacht und
heute die Sache ernstlich überlegt. Und ich finde, daß es doch das Richtigste ist,
wenn Sie Ihr Nachtlager bei Foksens haben."

Sie wurde dunkelrot.

"Es -- es ist aus mehreren Gründen so am richtigsten. Um Ihretwillen --
wie auch ..."

"Pastor RömerI" unterbrach sie ihn, "reden Sie nicht weiter! Ich weiß, was
Sie denken und meinen. Sie sollen es mir nicht sagen. Ich will es Ihnen selber
sagen. Sie fürchten, daß ich wieder aus solche Torheiten verfallen könnte -- und
des Nachts zu Ihnen hineinkomme. Aber Sie können unbesorgt sein. Ich habe
mich genug über meine dumme, dumme Unbeherrschtheit und den Trotz hinterher
geschämt. Nur, um Ihnen zu zeigen, daß ich nicht so eine bin, wie Sie glauben
und von mir denken, bin ich hierhergekommen! Das war ganz etwas anderes --
aber Sie verstanden es nicht -- Sie konnten es ja auch gar nicht verstehen.. ."

Sie erhob die gesenkten Augen zu ihm. Tränen zitterten in ihrem dunklen
Glanz, und sie streckte ihm beide Hände halb entgegen:

"Sie dürfen Mich nicht aus dem Hause jagen -- wie eine Dirne! Denn
dann treiben Sie mich geradewegs ins Wasser. Dann -- dann kann ich nicht
weiterleben!"

Er senkte den Kopf.

"Ich will so still und gut sein, Pastor Römer. Wenn Sie mir nur erlaube" wollen,
daß ich es Ihnen gemütlich im Hause mache -- solange Sie meiner bedürfen!"


Grenzboten II 1910 17
Im Acimpf gegen die Übermacht

„Ich hatte eigentlich gedacht, ich wollte die gute Mndame Foksen bitten, Sie
zu beherbergen, solange Sie hier bleiben. . .!"

„Danke I Das Bett da oben ist gut genug sür mich. Sie sollen nicht fremde
Leute meinetwegen bemühen."

Sie sagten einander freundlich Gute Nacht.

Und Sören Römer ging zu Bett, indem er lächelnd daran dachte, wie friedlich
und gut dieser Tag geendet hatte, der so unruhig, bewegt begonnen... Mit
Wohlbehagen streckte er sich in den reinen Laken aus.

Er hörte Jungfer Thorborg über sich. Es schallte so im ganzen Hause, und
die Fußbodenbretter knarrten. Aber er hörte, daß sie leicht auftrat und sich
bemühte, keinen Lärm zu machen.---

Es war doch ein eigenartig trauliches Gefühl, einen Mitmenschen im Hause
zu wissen.. .

Es wurde still da oben.

Und seine Gedanken wanderten.

Wie gut und warm sie im Grunde ihres Herzens wart Und wie tüchtig sie
alles angriff —I

Und schön war sie! Strahlend schön mit den schwarzen Augen, dem dunklen,
warmen Teint...

Er fuhr in die Höhe und starrte mit Entsetzen in die Finsternis hinaus.

Aber er beruhigte sich wieder und legte sich zurück. Er verjagte die Gedanken
und wollte schlafen. Aber der Schlaf wollte nicht kommen. Die Angst schlich sich
in seine Seele. ..




Am Vormittag des nächsten Tages kehrte er von einer Wanderung nach der
Fischerspitze zurück.

Er traf Jungfer Thorborg im Studierzimmer, mit dem Abständen seiner
Bücher beschäftigt.

„Jungfer Thorborg I" sagte er ernsthaft, „ich habe mir nun über Nacht und
heute die Sache ernstlich überlegt. Und ich finde, daß es doch das Richtigste ist,
wenn Sie Ihr Nachtlager bei Foksens haben."

Sie wurde dunkelrot.

„Es — es ist aus mehreren Gründen so am richtigsten. Um Ihretwillen —
wie auch ..."

„Pastor RömerI" unterbrach sie ihn, „reden Sie nicht weiter! Ich weiß, was
Sie denken und meinen. Sie sollen es mir nicht sagen. Ich will es Ihnen selber
sagen. Sie fürchten, daß ich wieder aus solche Torheiten verfallen könnte — und
des Nachts zu Ihnen hineinkomme. Aber Sie können unbesorgt sein. Ich habe
mich genug über meine dumme, dumme Unbeherrschtheit und den Trotz hinterher
geschämt. Nur, um Ihnen zu zeigen, daß ich nicht so eine bin, wie Sie glauben
und von mir denken, bin ich hierhergekommen! Das war ganz etwas anderes —
aber Sie verstanden es nicht — Sie konnten es ja auch gar nicht verstehen.. ."

Sie erhob die gesenkten Augen zu ihm. Tränen zitterten in ihrem dunklen
Glanz, und sie streckte ihm beide Hände halb entgegen:

„Sie dürfen Mich nicht aus dem Hause jagen — wie eine Dirne! Denn
dann treiben Sie mich geradewegs ins Wasser. Dann — dann kann ich nicht
weiterleben!"

Er senkte den Kopf.

„Ich will so still und gut sein, Pastor Römer. Wenn Sie mir nur erlaube« wollen,
daß ich es Ihnen gemütlich im Hause mache — solange Sie meiner bedürfen!"


Grenzboten II 1910 17
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[0141] Im Acimpf gegen die Übermacht „Ich hatte eigentlich gedacht, ich wollte die gute Mndame Foksen bitten, Sie zu beherbergen, solange Sie hier bleiben. . .!" „Danke I Das Bett da oben ist gut genug sür mich. Sie sollen nicht fremde Leute meinetwegen bemühen." Sie sagten einander freundlich Gute Nacht. Und Sören Römer ging zu Bett, indem er lächelnd daran dachte, wie friedlich und gut dieser Tag geendet hatte, der so unruhig, bewegt begonnen... Mit Wohlbehagen streckte er sich in den reinen Laken aus. Er hörte Jungfer Thorborg über sich. Es schallte so im ganzen Hause, und die Fußbodenbretter knarrten. Aber er hörte, daß sie leicht auftrat und sich bemühte, keinen Lärm zu machen.--- Es war doch ein eigenartig trauliches Gefühl, einen Mitmenschen im Hause zu wissen.. . Es wurde still da oben. Und seine Gedanken wanderten. Wie gut und warm sie im Grunde ihres Herzens wart Und wie tüchtig sie alles angriff —I Und schön war sie! Strahlend schön mit den schwarzen Augen, dem dunklen, warmen Teint... Er fuhr in die Höhe und starrte mit Entsetzen in die Finsternis hinaus. Aber er beruhigte sich wieder und legte sich zurück. Er verjagte die Gedanken und wollte schlafen. Aber der Schlaf wollte nicht kommen. Die Angst schlich sich in seine Seele. .. Am Vormittag des nächsten Tages kehrte er von einer Wanderung nach der Fischerspitze zurück. Er traf Jungfer Thorborg im Studierzimmer, mit dem Abständen seiner Bücher beschäftigt. „Jungfer Thorborg I" sagte er ernsthaft, „ich habe mir nun über Nacht und heute die Sache ernstlich überlegt. Und ich finde, daß es doch das Richtigste ist, wenn Sie Ihr Nachtlager bei Foksens haben." Sie wurde dunkelrot. „Es — es ist aus mehreren Gründen so am richtigsten. Um Ihretwillen — wie auch ..." „Pastor RömerI" unterbrach sie ihn, „reden Sie nicht weiter! Ich weiß, was Sie denken und meinen. Sie sollen es mir nicht sagen. Ich will es Ihnen selber sagen. Sie fürchten, daß ich wieder aus solche Torheiten verfallen könnte — und des Nachts zu Ihnen hineinkomme. Aber Sie können unbesorgt sein. Ich habe mich genug über meine dumme, dumme Unbeherrschtheit und den Trotz hinterher geschämt. Nur, um Ihnen zu zeigen, daß ich nicht so eine bin, wie Sie glauben und von mir denken, bin ich hierhergekommen! Das war ganz etwas anderes — aber Sie verstanden es nicht — Sie konnten es ja auch gar nicht verstehen.. ." Sie erhob die gesenkten Augen zu ihm. Tränen zitterten in ihrem dunklen Glanz, und sie streckte ihm beide Hände halb entgegen: „Sie dürfen Mich nicht aus dem Hause jagen — wie eine Dirne! Denn dann treiben Sie mich geradewegs ins Wasser. Dann — dann kann ich nicht weiterleben!" Er senkte den Kopf. „Ich will so still und gut sein, Pastor Römer. Wenn Sie mir nur erlaube« wollen, daß ich es Ihnen gemütlich im Hause mache — solange Sie meiner bedürfen!" Grenzboten II 1910 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/141>, abgerufen am 22.07.2024.