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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische verwaltungsorgamsation jetzt

habe, unter Umständen unnötige Arbeit, und deutet darauf hin, daß nicht
überall das richtige Verständnis für das Wesen und die Aufgabe der Staats¬
verwaltung vorhanden ist. --

Dagegen werden allerdings manche Mißstände, die in: Bereiche der
Zentralbehörden hervortreten, hauptsächlich durch organisatorische Mängel
hervorgerufen.

Mit diesen Behörden befassen sich nur Schwarz, Lotz und Graf Huc
de Grals. Schwarz rechnet zu den Krankheitserscheinungen unsrer jetzigen
Zustände die vielfachen Klagen über die Überlastung einzelner Ministerialressorts
mit erstinstanzlichen Entscheidungen. Er schließt daraus, daß die provinziellen
Behördenbezirke nicht entsprechend abgegrenzt seien, um den Behörden den
nötigen Überblick und genügende Vergleichsmomente zu verschaffen, ohne die
ihnen eine selbständige Entscheidungsbefugnis in vielen Fällen nicht eingeräumt
werden könne. Soweit ich diese etwas dunklen Worte verstehe, können sie sich
nur auf die Verwaltung des Ministerialfonds beziehen; andre Fälle, wo die
Zentralbehörden verfassungsmäßig in erster Instanz zu entscheiden hätten, (z. B.
Schiffahrtspolizei usw.) sind so selten, daß sie ohne Bedeutung sind. Unter dieser
Voraussetzung kann ich aber Schwarz nicht zustimmen. Er möchte die obern
provinziellen Verwaltungsbezirke möglichst groß haben. Je größer aber ein Bezirk
ist, desto schwieriger ist es doch, den Überblick und "Vergleichsmomente" zu
erwerben. Deshalb bietet die Kleinheit mancher der jetzt bestehenden provinziellen
Verwaltungsbezirke kein Hindernis, die Ministerialfonds jetzt schon in weitem Umfang
zu verteilen. Das wirkliche Hindernis haben bisher wohl auch nicht tatsächliche,
sondern persönliche Verhältnisse gebildet. Man möchte eben die Entscheidung --
in manchen Fällen sicherlich mit vollemRecht -- nicht aus derHcmd geben. Daneben
wirken mit die Macht der bestehenden Einrichtungen und die Unbekanntschaft mit
den Verhältnissen in der Provinz. Zahlreiche Ministerialräte wissen nicht, wie
es unten zugeht, und können sich nicht vorstellen, wie die Verteilung des Ministerial¬
fonds durchzuführen wäre.

Lotz spricht von einer allgemeinen Überlastung der Ministerialressorts. Er
führt es auf diesen Umstand zurück, daß es für Fragen, die für spruchreif
gälten, jahrelanger Arbeit bedürfe, um alle Köpfe unter einen Hut zu bringen.
Beispielsweise erinnert er daran, wie lange es gedauert habe, bis die viel¬
erörterte Medizinalreform zu dein ersten Schritt des Kreisarztgesetzes vor¬
geschritten sei, und wie zögernd man ihn gemacht habe, wie lange die Lösung
der Schuldotatiousfrage auf sich habe warten lassen, wie viele Jahre die Neuregelung
der Vorbildung der höhern Verwaltungsbeamten erwogen und immer wieder
zurückgestellt worden sei. Er stimmt deshalb denen zu, die glauben, daß es
wieder der Zentralstelle an "Homogenität und Aktionsfähigkeit" fehle, ganz wie
am Anfang des vorigen Jahrhunderts. Nur sei damals eine grundstürzende
Reform im Zentrum das Wichtigste und Entscheidende gewesen, während jetzt
die Provinzialbehörden einer durchgreifenden Umgestaltung bedürften und es


Die preußische verwaltungsorgamsation jetzt

habe, unter Umständen unnötige Arbeit, und deutet darauf hin, daß nicht
überall das richtige Verständnis für das Wesen und die Aufgabe der Staats¬
verwaltung vorhanden ist. —

Dagegen werden allerdings manche Mißstände, die in: Bereiche der
Zentralbehörden hervortreten, hauptsächlich durch organisatorische Mängel
hervorgerufen.

Mit diesen Behörden befassen sich nur Schwarz, Lotz und Graf Huc
de Grals. Schwarz rechnet zu den Krankheitserscheinungen unsrer jetzigen
Zustände die vielfachen Klagen über die Überlastung einzelner Ministerialressorts
mit erstinstanzlichen Entscheidungen. Er schließt daraus, daß die provinziellen
Behördenbezirke nicht entsprechend abgegrenzt seien, um den Behörden den
nötigen Überblick und genügende Vergleichsmomente zu verschaffen, ohne die
ihnen eine selbständige Entscheidungsbefugnis in vielen Fällen nicht eingeräumt
werden könne. Soweit ich diese etwas dunklen Worte verstehe, können sie sich
nur auf die Verwaltung des Ministerialfonds beziehen; andre Fälle, wo die
Zentralbehörden verfassungsmäßig in erster Instanz zu entscheiden hätten, (z. B.
Schiffahrtspolizei usw.) sind so selten, daß sie ohne Bedeutung sind. Unter dieser
Voraussetzung kann ich aber Schwarz nicht zustimmen. Er möchte die obern
provinziellen Verwaltungsbezirke möglichst groß haben. Je größer aber ein Bezirk
ist, desto schwieriger ist es doch, den Überblick und „Vergleichsmomente" zu
erwerben. Deshalb bietet die Kleinheit mancher der jetzt bestehenden provinziellen
Verwaltungsbezirke kein Hindernis, die Ministerialfonds jetzt schon in weitem Umfang
zu verteilen. Das wirkliche Hindernis haben bisher wohl auch nicht tatsächliche,
sondern persönliche Verhältnisse gebildet. Man möchte eben die Entscheidung —
in manchen Fällen sicherlich mit vollemRecht — nicht aus derHcmd geben. Daneben
wirken mit die Macht der bestehenden Einrichtungen und die Unbekanntschaft mit
den Verhältnissen in der Provinz. Zahlreiche Ministerialräte wissen nicht, wie
es unten zugeht, und können sich nicht vorstellen, wie die Verteilung des Ministerial¬
fonds durchzuführen wäre.

Lotz spricht von einer allgemeinen Überlastung der Ministerialressorts. Er
führt es auf diesen Umstand zurück, daß es für Fragen, die für spruchreif
gälten, jahrelanger Arbeit bedürfe, um alle Köpfe unter einen Hut zu bringen.
Beispielsweise erinnert er daran, wie lange es gedauert habe, bis die viel¬
erörterte Medizinalreform zu dein ersten Schritt des Kreisarztgesetzes vor¬
geschritten sei, und wie zögernd man ihn gemacht habe, wie lange die Lösung
der Schuldotatiousfrage auf sich habe warten lassen, wie viele Jahre die Neuregelung
der Vorbildung der höhern Verwaltungsbeamten erwogen und immer wieder
zurückgestellt worden sei. Er stimmt deshalb denen zu, die glauben, daß es
wieder der Zentralstelle an „Homogenität und Aktionsfähigkeit" fehle, ganz wie
am Anfang des vorigen Jahrhunderts. Nur sei damals eine grundstürzende
Reform im Zentrum das Wichtigste und Entscheidende gewesen, während jetzt
die Provinzialbehörden einer durchgreifenden Umgestaltung bedürften und es


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[0135] Die preußische verwaltungsorgamsation jetzt habe, unter Umständen unnötige Arbeit, und deutet darauf hin, daß nicht überall das richtige Verständnis für das Wesen und die Aufgabe der Staats¬ verwaltung vorhanden ist. — Dagegen werden allerdings manche Mißstände, die in: Bereiche der Zentralbehörden hervortreten, hauptsächlich durch organisatorische Mängel hervorgerufen. Mit diesen Behörden befassen sich nur Schwarz, Lotz und Graf Huc de Grals. Schwarz rechnet zu den Krankheitserscheinungen unsrer jetzigen Zustände die vielfachen Klagen über die Überlastung einzelner Ministerialressorts mit erstinstanzlichen Entscheidungen. Er schließt daraus, daß die provinziellen Behördenbezirke nicht entsprechend abgegrenzt seien, um den Behörden den nötigen Überblick und genügende Vergleichsmomente zu verschaffen, ohne die ihnen eine selbständige Entscheidungsbefugnis in vielen Fällen nicht eingeräumt werden könne. Soweit ich diese etwas dunklen Worte verstehe, können sie sich nur auf die Verwaltung des Ministerialfonds beziehen; andre Fälle, wo die Zentralbehörden verfassungsmäßig in erster Instanz zu entscheiden hätten, (z. B. Schiffahrtspolizei usw.) sind so selten, daß sie ohne Bedeutung sind. Unter dieser Voraussetzung kann ich aber Schwarz nicht zustimmen. Er möchte die obern provinziellen Verwaltungsbezirke möglichst groß haben. Je größer aber ein Bezirk ist, desto schwieriger ist es doch, den Überblick und „Vergleichsmomente" zu erwerben. Deshalb bietet die Kleinheit mancher der jetzt bestehenden provinziellen Verwaltungsbezirke kein Hindernis, die Ministerialfonds jetzt schon in weitem Umfang zu verteilen. Das wirkliche Hindernis haben bisher wohl auch nicht tatsächliche, sondern persönliche Verhältnisse gebildet. Man möchte eben die Entscheidung — in manchen Fällen sicherlich mit vollemRecht — nicht aus derHcmd geben. Daneben wirken mit die Macht der bestehenden Einrichtungen und die Unbekanntschaft mit den Verhältnissen in der Provinz. Zahlreiche Ministerialräte wissen nicht, wie es unten zugeht, und können sich nicht vorstellen, wie die Verteilung des Ministerial¬ fonds durchzuführen wäre. Lotz spricht von einer allgemeinen Überlastung der Ministerialressorts. Er führt es auf diesen Umstand zurück, daß es für Fragen, die für spruchreif gälten, jahrelanger Arbeit bedürfe, um alle Köpfe unter einen Hut zu bringen. Beispielsweise erinnert er daran, wie lange es gedauert habe, bis die viel¬ erörterte Medizinalreform zu dein ersten Schritt des Kreisarztgesetzes vor¬ geschritten sei, und wie zögernd man ihn gemacht habe, wie lange die Lösung der Schuldotatiousfrage auf sich habe warten lassen, wie viele Jahre die Neuregelung der Vorbildung der höhern Verwaltungsbeamten erwogen und immer wieder zurückgestellt worden sei. Er stimmt deshalb denen zu, die glauben, daß es wieder der Zentralstelle an „Homogenität und Aktionsfähigkeit" fehle, ganz wie am Anfang des vorigen Jahrhunderts. Nur sei damals eine grundstürzende Reform im Zentrum das Wichtigste und Entscheidende gewesen, während jetzt die Provinzialbehörden einer durchgreifenden Umgestaltung bedürften und es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/135>, abgerufen am 22.07.2024.