Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Meier-Graefes Maröeswerk Es ist begreiflich, daß Markes, der den tiefen Problemen seiner Kunst Bei der Betrachtung und der Beurteilung von Werken der bildenden Kunst Die erhabene und große Harmonie, die der sensible Künstler der Natur Diese durch das Genie verschönerte Vernunft zeichnete Marsch in hervor¬ Meier-Graefes Maröeswerk Es ist begreiflich, daß Markes, der den tiefen Problemen seiner Kunst Bei der Betrachtung und der Beurteilung von Werken der bildenden Kunst Die erhabene und große Harmonie, die der sensible Künstler der Natur Diese durch das Genie verschönerte Vernunft zeichnete Marsch in hervor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315092"/> <fw type="header" place="top"> Meier-Graefes Maröeswerk</fw><lb/> <p xml:id="ID_274"> Es ist begreiflich, daß Markes, der den tiefen Problemen seiner Kunst<lb/> nachsann und der einmal schrieb: „Es handelt sich ja auch nicht darum, von der<lb/> Welt eine Genugtuung zu erhalten, sondern soviel wie möglich sich selbst genug<lb/> zu tun," seinen Zeitgenossen als ein wunderlicher Grübler und Experimentierer<lb/> erscheinen mußte, denn sie waren sich nicht klar darüber, und viele siud es sich<lb/> jetzt noch nicht, daß das Ding, das Gegenständliche für die Kunst, und damit<lb/> für den Künstler, nur in bezug auf die Bedeutung, die es als umgewertetes<lb/> künstlerisches Ausdrucksmittel hat, von wesentlichem Wert ist. Der nicht bloß<lb/> reproduzierende, sondern wahrhaft gestaltende Künstler trachtet nämlich gar nicht<lb/> darnach, den Anschein eines Dinges der Natur möglichst „naturgetreu" wieder¬<lb/> zugeben, sondern er strebt darnach, es seiner umbildenden, ueubildenden Gewalt<lb/> unterzuordnen, es für den Zweck „Kunst" zu gewinnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_275"> Bei der Betrachtung und der Beurteilung von Werken der bildenden Kunst<lb/> wird es sich daher darum handeln, sie in bezug auf die künstlerischen Aus¬<lb/> drucksmittel und deren Wirkung hin anzusehen und zu werten. Die Kunst ist.<lb/> wie Fiedler sagte, auf keinem andern Wege zu finden als auf ihrem eigenen.<lb/> Nur indem man es versucht, sich der Welt mit dem Interesse des Künstlers<lb/> gegenüberzustellen, kann man dahin gelangen, seinen, Verkehr mit Kunst¬<lb/> werken denjenigen Inhalt zu geben, der sich einzig und allein auf die Erkenntnis<lb/> des innersten Wesens künstlerischer Tätigkeit gründet.</p><lb/> <p xml:id="ID_276"> Die erhabene und große Harmonie, die der sensible Künstler der Natur<lb/> gegenüber empfindet, insbesondere in gewissen Stimmungen, wird er am besten<lb/> zum Ausdruck bringen, wenn er die Harmonie auf der begrenzten Fläche durch<lb/> seine Mittel hervorzubringen trachtet. Darum ersteht dem Maler die besondere<lb/> Anforderung, seine Mittel daraufhin zu studieren und die Natur vom Stand¬<lb/> punkt der harmonischen Ausdrucksmöglichkeit seiner Mittel zu betrachten 'und<lb/> darzustellen. Hierbei wird es sich um ein ernstes und anstrengendes Studium<lb/> handeln. Die Empfindung allein tut's in diesem Falle nicht. Das darf jedoch<lb/> weder den Kunstfreunden, noch den Kunstforschern und den Künstlern selbst als<lb/> unkünstlerisch erscheinen, denn die Kunst ist nicht das — hier zitiere ich einen<lb/> Ausspruch von Delacroix —, wofür sie der Laie hält, nämlich eine Art Ein¬<lb/> gebung, die ich weiß nicht woher kommt, ins Blaue hineingeht und uur<lb/> das malerische Äußere der Dinge darstellt, sondern sie ist Wissenschaft, die<lb/> Vernunft selbst, die durch das Genie verschönert ist, aber einen vorgeschriebenen<lb/> Weg geht und durch höhere Gesetze in Schranken gehalten wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_277" next="#ID_278"> Diese durch das Genie verschönerte Vernunft zeichnete Marsch in hervor¬<lb/> ragendem Maße aus. Und er ist nicht, wie schon behauptet wurde, um dem<lb/> „künstlerisch sein sollenden" aufreibenden Studium der künstlerischen Ausdrucks¬<lb/> mittel, und nicht an dein vergeblichen heißen Bemühen um ihre erfolgreiche<lb/> Bewältigung zugrunde gegangen, sondern einfach der grausamen Willkür des<lb/> blinden Schicksals erlegen, das ihm eine Krankheit verhängte, an der auch<lb/> Anzengrüber starb. Da Marees körperlich zusammenbrach, als er noch weit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
Meier-Graefes Maröeswerk
Es ist begreiflich, daß Markes, der den tiefen Problemen seiner Kunst
nachsann und der einmal schrieb: „Es handelt sich ja auch nicht darum, von der
Welt eine Genugtuung zu erhalten, sondern soviel wie möglich sich selbst genug
zu tun," seinen Zeitgenossen als ein wunderlicher Grübler und Experimentierer
erscheinen mußte, denn sie waren sich nicht klar darüber, und viele siud es sich
jetzt noch nicht, daß das Ding, das Gegenständliche für die Kunst, und damit
für den Künstler, nur in bezug auf die Bedeutung, die es als umgewertetes
künstlerisches Ausdrucksmittel hat, von wesentlichem Wert ist. Der nicht bloß
reproduzierende, sondern wahrhaft gestaltende Künstler trachtet nämlich gar nicht
darnach, den Anschein eines Dinges der Natur möglichst „naturgetreu" wieder¬
zugeben, sondern er strebt darnach, es seiner umbildenden, ueubildenden Gewalt
unterzuordnen, es für den Zweck „Kunst" zu gewinnen.
Bei der Betrachtung und der Beurteilung von Werken der bildenden Kunst
wird es sich daher darum handeln, sie in bezug auf die künstlerischen Aus¬
drucksmittel und deren Wirkung hin anzusehen und zu werten. Die Kunst ist.
wie Fiedler sagte, auf keinem andern Wege zu finden als auf ihrem eigenen.
Nur indem man es versucht, sich der Welt mit dem Interesse des Künstlers
gegenüberzustellen, kann man dahin gelangen, seinen, Verkehr mit Kunst¬
werken denjenigen Inhalt zu geben, der sich einzig und allein auf die Erkenntnis
des innersten Wesens künstlerischer Tätigkeit gründet.
Die erhabene und große Harmonie, die der sensible Künstler der Natur
gegenüber empfindet, insbesondere in gewissen Stimmungen, wird er am besten
zum Ausdruck bringen, wenn er die Harmonie auf der begrenzten Fläche durch
seine Mittel hervorzubringen trachtet. Darum ersteht dem Maler die besondere
Anforderung, seine Mittel daraufhin zu studieren und die Natur vom Stand¬
punkt der harmonischen Ausdrucksmöglichkeit seiner Mittel zu betrachten 'und
darzustellen. Hierbei wird es sich um ein ernstes und anstrengendes Studium
handeln. Die Empfindung allein tut's in diesem Falle nicht. Das darf jedoch
weder den Kunstfreunden, noch den Kunstforschern und den Künstlern selbst als
unkünstlerisch erscheinen, denn die Kunst ist nicht das — hier zitiere ich einen
Ausspruch von Delacroix —, wofür sie der Laie hält, nämlich eine Art Ein¬
gebung, die ich weiß nicht woher kommt, ins Blaue hineingeht und uur
das malerische Äußere der Dinge darstellt, sondern sie ist Wissenschaft, die
Vernunft selbst, die durch das Genie verschönert ist, aber einen vorgeschriebenen
Weg geht und durch höhere Gesetze in Schranken gehalten wird.
Diese durch das Genie verschönerte Vernunft zeichnete Marsch in hervor¬
ragendem Maße aus. Und er ist nicht, wie schon behauptet wurde, um dem
„künstlerisch sein sollenden" aufreibenden Studium der künstlerischen Ausdrucks¬
mittel, und nicht an dein vergeblichen heißen Bemühen um ihre erfolgreiche
Bewältigung zugrunde gegangen, sondern einfach der grausamen Willkür des
blinden Schicksals erlegen, das ihm eine Krankheit verhängte, an der auch
Anzengrüber starb. Da Marees körperlich zusammenbrach, als er noch weit
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