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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Meier-Graefes Mari^esiverk

Die mittelbare Veranlassung dazu gibt der soeben erschienene zweite Band der
von Julius Meier-Graefe im Verlag von R. Piper 6- Co. in München her¬
ausgegebenen prachtvollen dreibändigen Publikation, der den Katalog des ge¬
samten, durch die letzten Funde mehr als verdoppelten, Materials in chrono¬
logischer Anordnung, mit der Geschichte und der farbenanalytischen Beschreibung
der Bilder, nebst getreuer Wiedergabe aller angeführten Bilder und Skizzen,
und der meisten Zeichnungen, enthält.

Es ist da zu sagen,- daß sich der Zusammenhang zwischen den Mareesschen
Werken und den Arbeiten der in unsern Tagen zur Geltung gelangenden Maler
nur schwer aufweisen läßt, weil er in einem gewissen Sinne im Jmponderabilen
liegt, kein äußerlicher, formaler ist. Ein Genteinsames bildet nur die Bestrebung
der allmählich ausrückenden neuesten Maler, das Sehen und die Darstellung
auf die große Form der Erscheinung zu richten.

Während in der Mitte und am Ende des vorigen Jahrhunderts die
Hauptbestrebungen in der Malerei auf die Erzeugung von Licht und Helligkeit
im Vereine mit der unstilisierten Wiedergabe der Erscheinungsformen gerichtet
waren, treten nenerdings die verfeinerten koloristischen und daneben die auf
Wucht und Größe abzielenden Bestrebungen mehr und mehr hervor. Wie
schon einige alte Meister es taten, bringen auch die neueren feinfühligen modernen
Koloristen die Malerei mit ihrem Studium der Klangwirkung in eine innige
Wechselbeziehung zur Musik. Und wie in der modernen Musik, die sich von
der klassischen unterscheidet, daß sie nicht so sehr die Melodie als vielmehr die
Harmonie bevorzugt, hat sich auch in der modernen Malerei eine Wandlung
vollzogen, die den, Dinge, dem farbigen Gegenständlichen nicht mehr die alleinige
oder selbst nur hauptsächliche Bedeutung zumißt, sondern den Gegenstand in
seiner Bedeutung für die Verwertung in und mit dem gegebenen oder gewählten
Raume, der begrenzten Bildfläche, als Grundlage für eine interessante künstlerische
Durcharbeitung der Hell-Dunkelheit und der Farbentonausgestaltung benutzt.
Das Gegenständliche gilt wieder einmal, wie immer in Zeiten bildkünstlerischem
Aufschwunges, bloß als Gelegenheit zur höchsten Verwertung der künstlerischen
Ausdrucksmittel, die, um Worte Bayersdorfers zu gebrauchen, vermöge der
autochthonen Kraft, die das psychologische Gesetz ihres Wirkens in sich tragen,
Kunst hervorbringen. In diesem Sinne wird die äußerste Durchbildung und
höchste artistische Gestaltung des Werkes angestrebt.

Ans dein über 400 Wbildungen in Heliogravüre, Farbendruck, Lichtdruck
und Autotypie enthaltenden Katalogband der Meier-Graefeschen Marees-
,Publikation' eines wahrhaften Standard Works, auf dessen folgende Bände
man mit Recht ungeduldig wartet, wird es deutlich, daß Marsch schon klar
erkannte, was von den Modernen als Grundsatz aufgestellt wurde, nämlich,
daß einfache Gegensätze aus der Natur heraus gesehen und auf die Flüche
übertragen die größten und ruhigsten Wirkungen ergeben. Was richtig ,ist.
Denn nur "in Wegwerfung des Zufälligen und in dem reinen Ausdruck


Grenzboten I 1910
Meier-Graefes Mari^esiverk

Die mittelbare Veranlassung dazu gibt der soeben erschienene zweite Band der
von Julius Meier-Graefe im Verlag von R. Piper 6- Co. in München her¬
ausgegebenen prachtvollen dreibändigen Publikation, der den Katalog des ge¬
samten, durch die letzten Funde mehr als verdoppelten, Materials in chrono¬
logischer Anordnung, mit der Geschichte und der farbenanalytischen Beschreibung
der Bilder, nebst getreuer Wiedergabe aller angeführten Bilder und Skizzen,
und der meisten Zeichnungen, enthält.

Es ist da zu sagen,- daß sich der Zusammenhang zwischen den Mareesschen
Werken und den Arbeiten der in unsern Tagen zur Geltung gelangenden Maler
nur schwer aufweisen läßt, weil er in einem gewissen Sinne im Jmponderabilen
liegt, kein äußerlicher, formaler ist. Ein Genteinsames bildet nur die Bestrebung
der allmählich ausrückenden neuesten Maler, das Sehen und die Darstellung
auf die große Form der Erscheinung zu richten.

Während in der Mitte und am Ende des vorigen Jahrhunderts die
Hauptbestrebungen in der Malerei auf die Erzeugung von Licht und Helligkeit
im Vereine mit der unstilisierten Wiedergabe der Erscheinungsformen gerichtet
waren, treten nenerdings die verfeinerten koloristischen und daneben die auf
Wucht und Größe abzielenden Bestrebungen mehr und mehr hervor. Wie
schon einige alte Meister es taten, bringen auch die neueren feinfühligen modernen
Koloristen die Malerei mit ihrem Studium der Klangwirkung in eine innige
Wechselbeziehung zur Musik. Und wie in der modernen Musik, die sich von
der klassischen unterscheidet, daß sie nicht so sehr die Melodie als vielmehr die
Harmonie bevorzugt, hat sich auch in der modernen Malerei eine Wandlung
vollzogen, die den, Dinge, dem farbigen Gegenständlichen nicht mehr die alleinige
oder selbst nur hauptsächliche Bedeutung zumißt, sondern den Gegenstand in
seiner Bedeutung für die Verwertung in und mit dem gegebenen oder gewählten
Raume, der begrenzten Bildfläche, als Grundlage für eine interessante künstlerische
Durcharbeitung der Hell-Dunkelheit und der Farbentonausgestaltung benutzt.
Das Gegenständliche gilt wieder einmal, wie immer in Zeiten bildkünstlerischem
Aufschwunges, bloß als Gelegenheit zur höchsten Verwertung der künstlerischen
Ausdrucksmittel, die, um Worte Bayersdorfers zu gebrauchen, vermöge der
autochthonen Kraft, die das psychologische Gesetz ihres Wirkens in sich tragen,
Kunst hervorbringen. In diesem Sinne wird die äußerste Durchbildung und
höchste artistische Gestaltung des Werkes angestrebt.

Ans dein über 400 Wbildungen in Heliogravüre, Farbendruck, Lichtdruck
und Autotypie enthaltenden Katalogband der Meier-Graefeschen Marees-
,Publikation' eines wahrhaften Standard Works, auf dessen folgende Bände
man mit Recht ungeduldig wartet, wird es deutlich, daß Marsch schon klar
erkannte, was von den Modernen als Grundsatz aufgestellt wurde, nämlich,
daß einfache Gegensätze aus der Natur heraus gesehen und auf die Flüche
übertragen die größten und ruhigsten Wirkungen ergeben. Was richtig ,ist.
Denn nur „in Wegwerfung des Zufälligen und in dem reinen Ausdruck


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[0093] Meier-Graefes Mari^esiverk Die mittelbare Veranlassung dazu gibt der soeben erschienene zweite Band der von Julius Meier-Graefe im Verlag von R. Piper 6- Co. in München her¬ ausgegebenen prachtvollen dreibändigen Publikation, der den Katalog des ge¬ samten, durch die letzten Funde mehr als verdoppelten, Materials in chrono¬ logischer Anordnung, mit der Geschichte und der farbenanalytischen Beschreibung der Bilder, nebst getreuer Wiedergabe aller angeführten Bilder und Skizzen, und der meisten Zeichnungen, enthält. Es ist da zu sagen,- daß sich der Zusammenhang zwischen den Mareesschen Werken und den Arbeiten der in unsern Tagen zur Geltung gelangenden Maler nur schwer aufweisen läßt, weil er in einem gewissen Sinne im Jmponderabilen liegt, kein äußerlicher, formaler ist. Ein Genteinsames bildet nur die Bestrebung der allmählich ausrückenden neuesten Maler, das Sehen und die Darstellung auf die große Form der Erscheinung zu richten. Während in der Mitte und am Ende des vorigen Jahrhunderts die Hauptbestrebungen in der Malerei auf die Erzeugung von Licht und Helligkeit im Vereine mit der unstilisierten Wiedergabe der Erscheinungsformen gerichtet waren, treten nenerdings die verfeinerten koloristischen und daneben die auf Wucht und Größe abzielenden Bestrebungen mehr und mehr hervor. Wie schon einige alte Meister es taten, bringen auch die neueren feinfühligen modernen Koloristen die Malerei mit ihrem Studium der Klangwirkung in eine innige Wechselbeziehung zur Musik. Und wie in der modernen Musik, die sich von der klassischen unterscheidet, daß sie nicht so sehr die Melodie als vielmehr die Harmonie bevorzugt, hat sich auch in der modernen Malerei eine Wandlung vollzogen, die den, Dinge, dem farbigen Gegenständlichen nicht mehr die alleinige oder selbst nur hauptsächliche Bedeutung zumißt, sondern den Gegenstand in seiner Bedeutung für die Verwertung in und mit dem gegebenen oder gewählten Raume, der begrenzten Bildfläche, als Grundlage für eine interessante künstlerische Durcharbeitung der Hell-Dunkelheit und der Farbentonausgestaltung benutzt. Das Gegenständliche gilt wieder einmal, wie immer in Zeiten bildkünstlerischem Aufschwunges, bloß als Gelegenheit zur höchsten Verwertung der künstlerischen Ausdrucksmittel, die, um Worte Bayersdorfers zu gebrauchen, vermöge der autochthonen Kraft, die das psychologische Gesetz ihres Wirkens in sich tragen, Kunst hervorbringen. In diesem Sinne wird die äußerste Durchbildung und höchste artistische Gestaltung des Werkes angestrebt. Ans dein über 400 Wbildungen in Heliogravüre, Farbendruck, Lichtdruck und Autotypie enthaltenden Katalogband der Meier-Graefeschen Marees- ,Publikation' eines wahrhaften Standard Works, auf dessen folgende Bände man mit Recht ungeduldig wartet, wird es deutlich, daß Marsch schon klar erkannte, was von den Modernen als Grundsatz aufgestellt wurde, nämlich, daß einfache Gegensätze aus der Natur heraus gesehen und auf die Flüche übertragen die größten und ruhigsten Wirkungen ergeben. Was richtig ,ist. Denn nur „in Wegwerfung des Zufälligen und in dem reinen Ausdruck Grenzboten I 1910

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/93>, abgerufen am 24.07.2024.