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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die Barbarina

"Ew, Majestät haben unter dem 22. v. M, befohlen, daß von dem Gehalte der
Barbarina diejenige Summe zurückbehalten werden solle, welche sie den Schwestern
Vincent (eS waren Modistinnen) schuldet. Ich habe nach diesem Befehle gehandelt
und ihn der Kassenvcrwaltung mitgeteilt; da sie aber bereits ihren Abschied, also auch
nichts mehr zu fordern, da sie ferner erklärt hat, bald abreisen zu wollen, so bitten
die Geschwister Vincent dringend darum, daß man sie bor Erledigung ihrer Schuld
nicht abreisen lasse. Unter diesen Uniständen habe ich mich an Herrn von Kirchehsen
mit dem Ersuchen gewandt, Ew. Majestät Befehl auszuführen und sie vor ihrem Austritt
aus Ew. Majestät Landen zur Bezahlung dieser sowie noch einiger anderen Schulden
zu veranlassen. Ich halte mich verpflichtet, Ew. Majestät darüber zu berichten und
Ihre weiteren Befehle abzuwarten usw."

Der Rand dieses Schreibens trägt den Vermerk von der Hand des Königs:
"Muß dafür sorgen, das; die Leuthe bezahlet werden, seine Sache -- oder muß
sie cirretiren lassen." Man sieht, die Rolle der Barbarina als Freundin des
Monarchen war völlig atisgespielt. Am 11. Juni berichtete nun der Polizeidirektor
v. Kirchehsen in Sachen der Barbarina um den König, wie folgt:

"Allerdurchlauchtigster u. f. w.

Der Baron v. Swerts hat gestern Abend mit Vorzeigung Ew. Maj. Allergnädigster
Ordre von mir verlanget, die Barbarina, falls sie Mongoubert's Forderung nicht bezahle,
zu arretiren. Ich habe dieses befolget, und einen Polizey-Beamten ihr' im Hause ge¬
lassen, auch ihr gesaget, daß mein Verfahren lediglich auf des B. v. Swerts reguisition
und auf das Ansuchen Mongoubert's geschehe. Sie hat hierauf geantwortet, daß sie
Niemand allhier etwas schuldig sey. Wegen der Mongoubert'schen Post wäre die Sache
vor dem Cammergericht anhängig, das Geld alle baar deponirt, und nachdem sie den
ihr deferirten Eyd abgeleget, hoffe sie täglich, von dieser Schuld durch eine Sentenz
nbsolvirt zu werden, mithin habe der Mongoubert etwas an ihr nicht zu fordern.
Ew. K. M. allerhöchste Befehle zu meinem Verhalten erbittend, erwarte ich in
Submission u. s. w."

An demselben Tage erstattete auch der Baron v. Schwerts an den König
einen schriftlichen Bericht. Darin spricht er von einem "leichtfertig abgelegten"
Eid der Barbarina und erklärt, da sie doch möglicherweise (nämlich vom Kammer¬
gericht) freigesprochen werden könne, so scheine es ihm am geratensten, den Augen¬
blick abzuwarten, wo ihre Ungeduld sie bestimmen werde, lieber zu bezahlen, als
den Hausarrest noch länger aufrecht erhalten zu sehen. Nach diesem Vorschlage
des Barons v. Schwerts scheint man verfahren zu haben. Die Barbarina hielt
noch fast einen Monat den häuslichen Belagerungszustand aus. Dann aber scheint
der Augenblick der "Ungeduld" gekommen zu sein, denn sie beglich endlich ihre
Rechnungen und ging unangefochten -- den "leichtfertig abgelegten" Eid scheint
man ihr verziehen zu haben -- am 5. Juli 1748 mit ihrer Schwester nach England.
Dieser Schwester wird hier zuerst gedacht. Vielleicht war die Mutter schon vorauf
gereist oder nach Italien zurückgekehrt. Die Frage, warum die Barbarina gerade
nach England ging, ist nicht zu beantworten. Möglicherweise wollte sie wieder mit
ihrem früheren Verehrer dort anknüpfen. Wir wissen nicht, ob ein Wiedersehen
in England stattgefunden hat. Schon im Januar 1749 aber war die Barbarina
wieder in Berlin. Sie kam in der freilich erst nach manchen Schwierigkeiten
erreichten Absicht, einen Ehebund zu schließen.

Der Mann, der schließlich die viel umworbene Scholle heimführte, war der
Geheime Rat Karl Ludwig Freiherr von Cocceji. Er war der Sohn des berühmten
Verfassers des Allgemeinen Preußischen Landrechts, des Großkanzlers, Exzellenz
Samuel Frhrn. v. Cocceji, ein junger Mann von hohen körperlichen und geistigen
Vorzügen, der sterblich in die reizende, Tänzerin verliebt und in dieser Liebe nicht
minder hartnäckig war als sein schottischer Vorgänger. Natürlich wirbelte die


Grenzboten I 1910 10
Die Barbarina

„Ew, Majestät haben unter dem 22. v. M, befohlen, daß von dem Gehalte der
Barbarina diejenige Summe zurückbehalten werden solle, welche sie den Schwestern
Vincent (eS waren Modistinnen) schuldet. Ich habe nach diesem Befehle gehandelt
und ihn der Kassenvcrwaltung mitgeteilt; da sie aber bereits ihren Abschied, also auch
nichts mehr zu fordern, da sie ferner erklärt hat, bald abreisen zu wollen, so bitten
die Geschwister Vincent dringend darum, daß man sie bor Erledigung ihrer Schuld
nicht abreisen lasse. Unter diesen Uniständen habe ich mich an Herrn von Kirchehsen
mit dem Ersuchen gewandt, Ew. Majestät Befehl auszuführen und sie vor ihrem Austritt
aus Ew. Majestät Landen zur Bezahlung dieser sowie noch einiger anderen Schulden
zu veranlassen. Ich halte mich verpflichtet, Ew. Majestät darüber zu berichten und
Ihre weiteren Befehle abzuwarten usw."

Der Rand dieses Schreibens trägt den Vermerk von der Hand des Königs:
„Muß dafür sorgen, das; die Leuthe bezahlet werden, seine Sache — oder muß
sie cirretiren lassen." Man sieht, die Rolle der Barbarina als Freundin des
Monarchen war völlig atisgespielt. Am 11. Juni berichtete nun der Polizeidirektor
v. Kirchehsen in Sachen der Barbarina um den König, wie folgt:

„Allerdurchlauchtigster u. f. w.

Der Baron v. Swerts hat gestern Abend mit Vorzeigung Ew. Maj. Allergnädigster
Ordre von mir verlanget, die Barbarina, falls sie Mongoubert's Forderung nicht bezahle,
zu arretiren. Ich habe dieses befolget, und einen Polizey-Beamten ihr' im Hause ge¬
lassen, auch ihr gesaget, daß mein Verfahren lediglich auf des B. v. Swerts reguisition
und auf das Ansuchen Mongoubert's geschehe. Sie hat hierauf geantwortet, daß sie
Niemand allhier etwas schuldig sey. Wegen der Mongoubert'schen Post wäre die Sache
vor dem Cammergericht anhängig, das Geld alle baar deponirt, und nachdem sie den
ihr deferirten Eyd abgeleget, hoffe sie täglich, von dieser Schuld durch eine Sentenz
nbsolvirt zu werden, mithin habe der Mongoubert etwas an ihr nicht zu fordern.
Ew. K. M. allerhöchste Befehle zu meinem Verhalten erbittend, erwarte ich in
Submission u. s. w."

An demselben Tage erstattete auch der Baron v. Schwerts an den König
einen schriftlichen Bericht. Darin spricht er von einem „leichtfertig abgelegten"
Eid der Barbarina und erklärt, da sie doch möglicherweise (nämlich vom Kammer¬
gericht) freigesprochen werden könne, so scheine es ihm am geratensten, den Augen¬
blick abzuwarten, wo ihre Ungeduld sie bestimmen werde, lieber zu bezahlen, als
den Hausarrest noch länger aufrecht erhalten zu sehen. Nach diesem Vorschlage
des Barons v. Schwerts scheint man verfahren zu haben. Die Barbarina hielt
noch fast einen Monat den häuslichen Belagerungszustand aus. Dann aber scheint
der Augenblick der „Ungeduld" gekommen zu sein, denn sie beglich endlich ihre
Rechnungen und ging unangefochten — den „leichtfertig abgelegten" Eid scheint
man ihr verziehen zu haben — am 5. Juli 1748 mit ihrer Schwester nach England.
Dieser Schwester wird hier zuerst gedacht. Vielleicht war die Mutter schon vorauf
gereist oder nach Italien zurückgekehrt. Die Frage, warum die Barbarina gerade
nach England ging, ist nicht zu beantworten. Möglicherweise wollte sie wieder mit
ihrem früheren Verehrer dort anknüpfen. Wir wissen nicht, ob ein Wiedersehen
in England stattgefunden hat. Schon im Januar 1749 aber war die Barbarina
wieder in Berlin. Sie kam in der freilich erst nach manchen Schwierigkeiten
erreichten Absicht, einen Ehebund zu schließen.

Der Mann, der schließlich die viel umworbene Scholle heimführte, war der
Geheime Rat Karl Ludwig Freiherr von Cocceji. Er war der Sohn des berühmten
Verfassers des Allgemeinen Preußischen Landrechts, des Großkanzlers, Exzellenz
Samuel Frhrn. v. Cocceji, ein junger Mann von hohen körperlichen und geistigen
Vorzügen, der sterblich in die reizende, Tänzerin verliebt und in dieser Liebe nicht
minder hartnäckig war als sein schottischer Vorgänger. Natürlich wirbelte die


Grenzboten I 1910 10
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[0085] Die Barbarina „Ew, Majestät haben unter dem 22. v. M, befohlen, daß von dem Gehalte der Barbarina diejenige Summe zurückbehalten werden solle, welche sie den Schwestern Vincent (eS waren Modistinnen) schuldet. Ich habe nach diesem Befehle gehandelt und ihn der Kassenvcrwaltung mitgeteilt; da sie aber bereits ihren Abschied, also auch nichts mehr zu fordern, da sie ferner erklärt hat, bald abreisen zu wollen, so bitten die Geschwister Vincent dringend darum, daß man sie bor Erledigung ihrer Schuld nicht abreisen lasse. Unter diesen Uniständen habe ich mich an Herrn von Kirchehsen mit dem Ersuchen gewandt, Ew. Majestät Befehl auszuführen und sie vor ihrem Austritt aus Ew. Majestät Landen zur Bezahlung dieser sowie noch einiger anderen Schulden zu veranlassen. Ich halte mich verpflichtet, Ew. Majestät darüber zu berichten und Ihre weiteren Befehle abzuwarten usw." Der Rand dieses Schreibens trägt den Vermerk von der Hand des Königs: „Muß dafür sorgen, das; die Leuthe bezahlet werden, seine Sache — oder muß sie cirretiren lassen." Man sieht, die Rolle der Barbarina als Freundin des Monarchen war völlig atisgespielt. Am 11. Juni berichtete nun der Polizeidirektor v. Kirchehsen in Sachen der Barbarina um den König, wie folgt: „Allerdurchlauchtigster u. f. w. Der Baron v. Swerts hat gestern Abend mit Vorzeigung Ew. Maj. Allergnädigster Ordre von mir verlanget, die Barbarina, falls sie Mongoubert's Forderung nicht bezahle, zu arretiren. Ich habe dieses befolget, und einen Polizey-Beamten ihr' im Hause ge¬ lassen, auch ihr gesaget, daß mein Verfahren lediglich auf des B. v. Swerts reguisition und auf das Ansuchen Mongoubert's geschehe. Sie hat hierauf geantwortet, daß sie Niemand allhier etwas schuldig sey. Wegen der Mongoubert'schen Post wäre die Sache vor dem Cammergericht anhängig, das Geld alle baar deponirt, und nachdem sie den ihr deferirten Eyd abgeleget, hoffe sie täglich, von dieser Schuld durch eine Sentenz nbsolvirt zu werden, mithin habe der Mongoubert etwas an ihr nicht zu fordern. Ew. K. M. allerhöchste Befehle zu meinem Verhalten erbittend, erwarte ich in Submission u. s. w." An demselben Tage erstattete auch der Baron v. Schwerts an den König einen schriftlichen Bericht. Darin spricht er von einem „leichtfertig abgelegten" Eid der Barbarina und erklärt, da sie doch möglicherweise (nämlich vom Kammer¬ gericht) freigesprochen werden könne, so scheine es ihm am geratensten, den Augen¬ blick abzuwarten, wo ihre Ungeduld sie bestimmen werde, lieber zu bezahlen, als den Hausarrest noch länger aufrecht erhalten zu sehen. Nach diesem Vorschlage des Barons v. Schwerts scheint man verfahren zu haben. Die Barbarina hielt noch fast einen Monat den häuslichen Belagerungszustand aus. Dann aber scheint der Augenblick der „Ungeduld" gekommen zu sein, denn sie beglich endlich ihre Rechnungen und ging unangefochten — den „leichtfertig abgelegten" Eid scheint man ihr verziehen zu haben — am 5. Juli 1748 mit ihrer Schwester nach England. Dieser Schwester wird hier zuerst gedacht. Vielleicht war die Mutter schon vorauf gereist oder nach Italien zurückgekehrt. Die Frage, warum die Barbarina gerade nach England ging, ist nicht zu beantworten. Möglicherweise wollte sie wieder mit ihrem früheren Verehrer dort anknüpfen. Wir wissen nicht, ob ein Wiedersehen in England stattgefunden hat. Schon im Januar 1749 aber war die Barbarina wieder in Berlin. Sie kam in der freilich erst nach manchen Schwierigkeiten erreichten Absicht, einen Ehebund zu schließen. Der Mann, der schließlich die viel umworbene Scholle heimführte, war der Geheime Rat Karl Ludwig Freiherr von Cocceji. Er war der Sohn des berühmten Verfassers des Allgemeinen Preußischen Landrechts, des Großkanzlers, Exzellenz Samuel Frhrn. v. Cocceji, ein junger Mann von hohen körperlichen und geistigen Vorzügen, der sterblich in die reizende, Tänzerin verliebt und in dieser Liebe nicht minder hartnäckig war als sein schottischer Vorgänger. Natürlich wirbelte die Grenzboten I 1910 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/85>, abgerufen am 24.07.2024.