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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die Barbarin"

Der zweite Brief Lord Mackeuzies von demselben Datum ist in englischer
Sprache an einen Freund, den Abbe Colmar, gerichtet. Der Schreiber bittet
darin, Briefe an ihn unter der Adresse des Herrn George Pitt, Mitglied deo
Parlaments, nach London, Pakt-Malt, Kokospalme, zu richten und in diese" Briefen
sein Ossr little vornan als Kapitän oder Doktor zu bezeichnen.

Der dritte Brief endlich ist, abgesehen von der Anrede und einigen Worten
am Schlüsse, wieder französisch geschrieben, an die Barbarina gerichtet und lautet:

ever clearsst V/ike, in/ kooft/ sweet iVloll^I Mit welchen Ausdrücken
könnte ich, getrennt von Dir, wie ich eS war, meine Leiden bezeichnen! Ich zweifle
nicht daran, daß Du, meine Seele, auch viel gelitten hast, als du aus dem Theater
gingst und die Neuigkeit hörtest; aber wenn Du gelitten hast, so urteile danach, was
ich habe leiden müssen, als ich allein war und niemand bei mir hatte, der mich tröstete!
O Gott! Der Gedanke daran macht mir das Blut gerinnen. Ich habe Dir ein Briefchen
geschrieben, worin ich Dir meine unglückliche Lage geschildert habe. Ich weiß nicht,
ob man es Dir gegeben hat. Ich wagte aber nicht, Dir alles zu sagen, da ich nicht
wußte, ob man ihn Dir zustellen würde. Aber in dieser Stunde kann ich frei zu Dir
sprechen, denn mein Diener, der nach Berlin zurückkehrt, wird Dir ihn eigenhändig
übergeben. Bin ich denn auf lange getrennt von ihr, die mir so lieb ist, oder ist es
ein Traum? O, es ist nur zur wahr! Urteile selbst, meine Seele, was jetzt Dein
unglücklicher Gatte empfinden muß! Mein Herz bricht, ich kann nicht mehr. Was
möchte ich darum geben, könnte ich Dich eine Viertelstunde sehen! O Babby, ich fürchte,
wir sind für immer getrennt. Mein ganzer Trost ist, Dein liebes Bild zu küssen und
an die zu denken, die mir mehr ist als meine Seligkeit. Wir haben, als ich Dich nach
dem Essen verlassen hatte, nicht gedacht, daß wir uns nicht mehr wiedersehen würden,
zum wenigsten auf lange Zeit. O Gott, wo bin ich? Mußte er dies noch allen unsern
Leiden hinzufügen? Hatten wir etwa nicht genug vorher erduldet? O meine liebe
Babby, denke wohl an alle die Ratschläge, die ich Dir gegeben und an alles, was ich
Dir gesagt habe! Ich bin hier in Hamburg angekommen, um mich nach England
einzuschiffen, denn ich habe nicht mehr zu Lande reisen können; es ist eine Reise von
mehr als 600 von unsern Meilen, und Gott weiß, wann wir dort anlangen werden,
denn der Wind ist äußerst ungünstig. Ich muß heute abend in das Boot steigen, um
an Bord zu gehen. Wenn Du den Wind pfeifen hörst, dann denke an mich und
denke daran, daß ich Dir dann vielleicht meinen letzten Segen spende I Wenn es nicht
für Dich wäre, mein Abgott, der Tod könnte mir nicht erwünschter kommen. Es gibt
ringsum Wohl viele französische Schiffsreeder, die manchmal bis zur Mündung dieses
Flusses kommen; aber ich hoffe, weiter seewärts ein Kriegsschiff zu finden, dessen Kapitän
einer meiner Freunde ist. Ich habe Dir, meine Liebe, versprochen. Dir vor meiner
Abreise noch einen, brieflichen Rat zu senden, obwohl ich es nicht nach Wunsch Werde
machen können. Ich bin so zerstreut und verdrießlich. Ich glaube, es wird nicht
nötig sein, Dir zu sagen, Du möchtest Dich vor allen Höflichkeiten, die Dir erwiesen
werden, und vor allen Annehmlichkeiten, die man dir in Aussicht stellt, in acht nehmen.
Sie haben Dir schon die Unwahrheit von alledem gezeigt, indem sie mich von Dir
forttrieben. Lasse Dich nicht mit schönen Versprechungen abspeisen, sei überzeugt, daß
sie sich bemühen werden, Dich dort für immer zu halten, wenn Du nicht fest in Deinen
Entschlüssen biset Mit Rücksicht auf Dein Verhalten hoffe ich, daß Du darauf mehr
Sorgfalt denn je legen wirst; Du weißt es schon warum. Ich habe Dir einen Ein¬
blick gegeben in das, was Dir bevorsteht, wenn Du fehlst. Ich flehe Dich also an,
darauf Dein Augenmerk zu richten. Mache es Dir zur Regel, niemals außer dein
Hause zu speisen, sei es, bei wem es wolle, und niemals mit irgendeinem Manne
einen Augenblick allein zu bleibenl Sieh nicht einen und denselben Mann zu oft, damit
man Dich nicht mit ihm ins Gerede bringe! Wenn auch fälschlich, so wird es Dir
immer viele Unannehmlichkeiten bereiten, und jetzt wird man namentlich alles, was
Du tust, zu vergrößern trachten. Wenn Du fühlst, in der Gesellschaft irgendeines
Mannes, sei es, wer es sei, zu viel Vergnügen zu empfinden, so meide ihn von Anfang
an. Andernfalls läufst Du Gefahr, undankbar gegen den zu sein, der Dir so viel


Die Barbarin«

Der zweite Brief Lord Mackeuzies von demselben Datum ist in englischer
Sprache an einen Freund, den Abbe Colmar, gerichtet. Der Schreiber bittet
darin, Briefe an ihn unter der Adresse des Herrn George Pitt, Mitglied deo
Parlaments, nach London, Pakt-Malt, Kokospalme, zu richten und in diese» Briefen
sein Ossr little vornan als Kapitän oder Doktor zu bezeichnen.

Der dritte Brief endlich ist, abgesehen von der Anrede und einigen Worten
am Schlüsse, wieder französisch geschrieben, an die Barbarina gerichtet und lautet:

ever clearsst V/ike, in/ kooft/ sweet iVloll^I Mit welchen Ausdrücken
könnte ich, getrennt von Dir, wie ich eS war, meine Leiden bezeichnen! Ich zweifle
nicht daran, daß Du, meine Seele, auch viel gelitten hast, als du aus dem Theater
gingst und die Neuigkeit hörtest; aber wenn Du gelitten hast, so urteile danach, was
ich habe leiden müssen, als ich allein war und niemand bei mir hatte, der mich tröstete!
O Gott! Der Gedanke daran macht mir das Blut gerinnen. Ich habe Dir ein Briefchen
geschrieben, worin ich Dir meine unglückliche Lage geschildert habe. Ich weiß nicht,
ob man es Dir gegeben hat. Ich wagte aber nicht, Dir alles zu sagen, da ich nicht
wußte, ob man ihn Dir zustellen würde. Aber in dieser Stunde kann ich frei zu Dir
sprechen, denn mein Diener, der nach Berlin zurückkehrt, wird Dir ihn eigenhändig
übergeben. Bin ich denn auf lange getrennt von ihr, die mir so lieb ist, oder ist es
ein Traum? O, es ist nur zur wahr! Urteile selbst, meine Seele, was jetzt Dein
unglücklicher Gatte empfinden muß! Mein Herz bricht, ich kann nicht mehr. Was
möchte ich darum geben, könnte ich Dich eine Viertelstunde sehen! O Babby, ich fürchte,
wir sind für immer getrennt. Mein ganzer Trost ist, Dein liebes Bild zu küssen und
an die zu denken, die mir mehr ist als meine Seligkeit. Wir haben, als ich Dich nach
dem Essen verlassen hatte, nicht gedacht, daß wir uns nicht mehr wiedersehen würden,
zum wenigsten auf lange Zeit. O Gott, wo bin ich? Mußte er dies noch allen unsern
Leiden hinzufügen? Hatten wir etwa nicht genug vorher erduldet? O meine liebe
Babby, denke wohl an alle die Ratschläge, die ich Dir gegeben und an alles, was ich
Dir gesagt habe! Ich bin hier in Hamburg angekommen, um mich nach England
einzuschiffen, denn ich habe nicht mehr zu Lande reisen können; es ist eine Reise von
mehr als 600 von unsern Meilen, und Gott weiß, wann wir dort anlangen werden,
denn der Wind ist äußerst ungünstig. Ich muß heute abend in das Boot steigen, um
an Bord zu gehen. Wenn Du den Wind pfeifen hörst, dann denke an mich und
denke daran, daß ich Dir dann vielleicht meinen letzten Segen spende I Wenn es nicht
für Dich wäre, mein Abgott, der Tod könnte mir nicht erwünschter kommen. Es gibt
ringsum Wohl viele französische Schiffsreeder, die manchmal bis zur Mündung dieses
Flusses kommen; aber ich hoffe, weiter seewärts ein Kriegsschiff zu finden, dessen Kapitän
einer meiner Freunde ist. Ich habe Dir, meine Liebe, versprochen. Dir vor meiner
Abreise noch einen, brieflichen Rat zu senden, obwohl ich es nicht nach Wunsch Werde
machen können. Ich bin so zerstreut und verdrießlich. Ich glaube, es wird nicht
nötig sein, Dir zu sagen, Du möchtest Dich vor allen Höflichkeiten, die Dir erwiesen
werden, und vor allen Annehmlichkeiten, die man dir in Aussicht stellt, in acht nehmen.
Sie haben Dir schon die Unwahrheit von alledem gezeigt, indem sie mich von Dir
forttrieben. Lasse Dich nicht mit schönen Versprechungen abspeisen, sei überzeugt, daß
sie sich bemühen werden, Dich dort für immer zu halten, wenn Du nicht fest in Deinen
Entschlüssen biset Mit Rücksicht auf Dein Verhalten hoffe ich, daß Du darauf mehr
Sorgfalt denn je legen wirst; Du weißt es schon warum. Ich habe Dir einen Ein¬
blick gegeben in das, was Dir bevorsteht, wenn Du fehlst. Ich flehe Dich also an,
darauf Dein Augenmerk zu richten. Mache es Dir zur Regel, niemals außer dein
Hause zu speisen, sei es, bei wem es wolle, und niemals mit irgendeinem Manne
einen Augenblick allein zu bleibenl Sieh nicht einen und denselben Mann zu oft, damit
man Dich nicht mit ihm ins Gerede bringe! Wenn auch fälschlich, so wird es Dir
immer viele Unannehmlichkeiten bereiten, und jetzt wird man namentlich alles, was
Du tust, zu vergrößern trachten. Wenn Du fühlst, in der Gesellschaft irgendeines
Mannes, sei es, wer es sei, zu viel Vergnügen zu empfinden, so meide ihn von Anfang
an. Andernfalls läufst Du Gefahr, undankbar gegen den zu sein, der Dir so viel


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[0080] Die Barbarin« Der zweite Brief Lord Mackeuzies von demselben Datum ist in englischer Sprache an einen Freund, den Abbe Colmar, gerichtet. Der Schreiber bittet darin, Briefe an ihn unter der Adresse des Herrn George Pitt, Mitglied deo Parlaments, nach London, Pakt-Malt, Kokospalme, zu richten und in diese» Briefen sein Ossr little vornan als Kapitän oder Doktor zu bezeichnen. Der dritte Brief endlich ist, abgesehen von der Anrede und einigen Worten am Schlüsse, wieder französisch geschrieben, an die Barbarina gerichtet und lautet: ever clearsst V/ike, in/ kooft/ sweet iVloll^I Mit welchen Ausdrücken könnte ich, getrennt von Dir, wie ich eS war, meine Leiden bezeichnen! Ich zweifle nicht daran, daß Du, meine Seele, auch viel gelitten hast, als du aus dem Theater gingst und die Neuigkeit hörtest; aber wenn Du gelitten hast, so urteile danach, was ich habe leiden müssen, als ich allein war und niemand bei mir hatte, der mich tröstete! O Gott! Der Gedanke daran macht mir das Blut gerinnen. Ich habe Dir ein Briefchen geschrieben, worin ich Dir meine unglückliche Lage geschildert habe. Ich weiß nicht, ob man es Dir gegeben hat. Ich wagte aber nicht, Dir alles zu sagen, da ich nicht wußte, ob man ihn Dir zustellen würde. Aber in dieser Stunde kann ich frei zu Dir sprechen, denn mein Diener, der nach Berlin zurückkehrt, wird Dir ihn eigenhändig übergeben. Bin ich denn auf lange getrennt von ihr, die mir so lieb ist, oder ist es ein Traum? O, es ist nur zur wahr! Urteile selbst, meine Seele, was jetzt Dein unglücklicher Gatte empfinden muß! Mein Herz bricht, ich kann nicht mehr. Was möchte ich darum geben, könnte ich Dich eine Viertelstunde sehen! O Babby, ich fürchte, wir sind für immer getrennt. Mein ganzer Trost ist, Dein liebes Bild zu küssen und an die zu denken, die mir mehr ist als meine Seligkeit. Wir haben, als ich Dich nach dem Essen verlassen hatte, nicht gedacht, daß wir uns nicht mehr wiedersehen würden, zum wenigsten auf lange Zeit. O Gott, wo bin ich? Mußte er dies noch allen unsern Leiden hinzufügen? Hatten wir etwa nicht genug vorher erduldet? O meine liebe Babby, denke wohl an alle die Ratschläge, die ich Dir gegeben und an alles, was ich Dir gesagt habe! Ich bin hier in Hamburg angekommen, um mich nach England einzuschiffen, denn ich habe nicht mehr zu Lande reisen können; es ist eine Reise von mehr als 600 von unsern Meilen, und Gott weiß, wann wir dort anlangen werden, denn der Wind ist äußerst ungünstig. Ich muß heute abend in das Boot steigen, um an Bord zu gehen. Wenn Du den Wind pfeifen hörst, dann denke an mich und denke daran, daß ich Dir dann vielleicht meinen letzten Segen spende I Wenn es nicht für Dich wäre, mein Abgott, der Tod könnte mir nicht erwünschter kommen. Es gibt ringsum Wohl viele französische Schiffsreeder, die manchmal bis zur Mündung dieses Flusses kommen; aber ich hoffe, weiter seewärts ein Kriegsschiff zu finden, dessen Kapitän einer meiner Freunde ist. Ich habe Dir, meine Liebe, versprochen. Dir vor meiner Abreise noch einen, brieflichen Rat zu senden, obwohl ich es nicht nach Wunsch Werde machen können. Ich bin so zerstreut und verdrießlich. Ich glaube, es wird nicht nötig sein, Dir zu sagen, Du möchtest Dich vor allen Höflichkeiten, die Dir erwiesen werden, und vor allen Annehmlichkeiten, die man dir in Aussicht stellt, in acht nehmen. Sie haben Dir schon die Unwahrheit von alledem gezeigt, indem sie mich von Dir forttrieben. Lasse Dich nicht mit schönen Versprechungen abspeisen, sei überzeugt, daß sie sich bemühen werden, Dich dort für immer zu halten, wenn Du nicht fest in Deinen Entschlüssen biset Mit Rücksicht auf Dein Verhalten hoffe ich, daß Du darauf mehr Sorgfalt denn je legen wirst; Du weißt es schon warum. Ich habe Dir einen Ein¬ blick gegeben in das, was Dir bevorsteht, wenn Du fehlst. Ich flehe Dich also an, darauf Dein Augenmerk zu richten. Mache es Dir zur Regel, niemals außer dein Hause zu speisen, sei es, bei wem es wolle, und niemals mit irgendeinem Manne einen Augenblick allein zu bleibenl Sieh nicht einen und denselben Mann zu oft, damit man Dich nicht mit ihm ins Gerede bringe! Wenn auch fälschlich, so wird es Dir immer viele Unannehmlichkeiten bereiten, und jetzt wird man namentlich alles, was Du tust, zu vergrößern trachten. Wenn Du fühlst, in der Gesellschaft irgendeines Mannes, sei es, wer es sei, zu viel Vergnügen zu empfinden, so meide ihn von Anfang an. Andernfalls läufst Du Gefahr, undankbar gegen den zu sein, der Dir so viel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/80>, abgerufen am 22.12.2024.