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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Im Kampf gegen die Übermacht

Mutter rücksichtslos einen Riegel vor. Dem immer hilfbereiten Pfarrer erschloß
er sein Herz; er lieh Bücher von dem Pfarrer und bat ihn bei jeder Gelegenheit
um seinen Rat und seine Anleitung. Anton war ein nachdenklicher, ein wenig
schwermütiger Jüngling, und Sören Römer sprach gern mit ihm.

Zwischen Klüver auf Andsvaag und Madame Just auf Kjelnäs lag gleich
einem Alpdruck, der Unfrieden und Haß erzeugte, ein uralter Prozeß; Madame
Just hatte ihn als Erbschaft von ihrem Vater, Rattikoh, dem König von KjelnäS,
angetreten, und er hatte sich ursprünglich um einen Streifen Uferlandes gedreht,
dessen sich der alte Landesrichter am Morgen der Zeiten bemächtigt hatte. Diese
Feindschaft zwischen den beiden mächtigsten Familien geriet der Kjelnäser Filial-
Kirche zu großem Nachteil, und der Pfarrer machte wiederholt Versuche, eine
Versöhnung herbeizuführen. Aber hier stieß er aus Leidenschaften und Kräfte, die
sich tief und mannigfaltig in ein halbhundertjähriges Verhältnis zwischen den
Familien verzweigten. Und er sah seine völlige Machtlosigkeit ein. An den Prozeß
selbst dachte kein Mensch mehr; seine Bedeutung war in Wirklichkeit im Laufe der
Zeiten auch fast erloschen; er tauchte nur auf jedem Herbstting in Maasvär von
neuem auf -- gleich einem alten Ungetüm aus entschwundenen Zeiten, das
seinen Kopf aus dem Meere heraussteckte, um wieder in die Tiefe zu versinken.

Nur auf Tenno bei der Familie Roß schien nichts das glückliche Familien¬
leben zu stören. Da war ein großer Haushalt mit vielen Kindern, und als guter
Engel ging Herrn Roß' und Madame Foksens jüngste Schwester, Anne Kathrine,
ihrem Bruder wie auch seiner Frau und den Kindern in der weitläufigen Wirt¬
schaft zur Hand. Sie war ein ganz entzückendes junges Mädchen, blond und
freundlich und dabei sehr verständig in der Unterhaltung. Im übrigen lag der
große Distrikt der Handelsstelle Tenno sehr isoliert und außerhalb jeder mißgünstigen
oder konkurrierenden Nachbarschaft. In keinem Hause fühlte sich Sören Römer so
wohl wie bei Roß' auf Tenno.

Auch auf Maasvär bei Foksens glitt das Leben gleichmäßig und ohne
eigentliche Mißklänge oder sichtliche Mißverhältnisse dahin.

Nur herrschte dort nicht die lichte, fröhliche Stimmung wie auf Tenno. Dies
lag nicht an Herrn Foksen, der, wenn man ihn außer dem Hause traf, sogar ein
besonders munterer Mann war. Daheim war er still, bis zum äußersten auf¬
merksam und rücksichtsvoll gegen seine Frau, ja, er konnte einen fast eingeschüchterten
Eindruck machen. Madame Foksen selbst lag wie ein Schatten aus unerschütter¬
lichem Ernst über dem Hause. Es hatte Sören Römer manch liebes Mal ver¬
wundert, daß diese so durch und dnrch rechtlich denkende und gute Frau ihrem
Manne gegenüber so wenig freundlich und entgegenkommend war; es war dies
eine Ungerechtigkeit von ihr, und er wußte wirklich nicht, was er mit ihr anfangen
sollte. Ein wenig Munterkeit und Freude konnte recht erforderlich sein in so
einem langen, schweren Winter. Aber Madame Foksen schloß all dergleichen aus
ihrem Hause aus.

Bei einer Gelegenheit hatte Jungfer Anne Kathrine auf Tenno ein flüchtiges
Wort über die Schwester fallen lassen, -- sie sagte, sie fühle sich nicht glücklich. Der
Pfarrer hatte seither Madame Foksen mit Aufmerksamkeit beobachtet. Und es schien
wirklich, als trage sie hinter dem verschlossenen Äußern an einer schweren Last...

Und nun heute hatte er die Lösung des Rätsels gefunden. ---,--

(Fortsetzung folgt.)




Im Kampf gegen die Übermacht

Mutter rücksichtslos einen Riegel vor. Dem immer hilfbereiten Pfarrer erschloß
er sein Herz; er lieh Bücher von dem Pfarrer und bat ihn bei jeder Gelegenheit
um seinen Rat und seine Anleitung. Anton war ein nachdenklicher, ein wenig
schwermütiger Jüngling, und Sören Römer sprach gern mit ihm.

Zwischen Klüver auf Andsvaag und Madame Just auf Kjelnäs lag gleich
einem Alpdruck, der Unfrieden und Haß erzeugte, ein uralter Prozeß; Madame
Just hatte ihn als Erbschaft von ihrem Vater, Rattikoh, dem König von KjelnäS,
angetreten, und er hatte sich ursprünglich um einen Streifen Uferlandes gedreht,
dessen sich der alte Landesrichter am Morgen der Zeiten bemächtigt hatte. Diese
Feindschaft zwischen den beiden mächtigsten Familien geriet der Kjelnäser Filial-
Kirche zu großem Nachteil, und der Pfarrer machte wiederholt Versuche, eine
Versöhnung herbeizuführen. Aber hier stieß er aus Leidenschaften und Kräfte, die
sich tief und mannigfaltig in ein halbhundertjähriges Verhältnis zwischen den
Familien verzweigten. Und er sah seine völlige Machtlosigkeit ein. An den Prozeß
selbst dachte kein Mensch mehr; seine Bedeutung war in Wirklichkeit im Laufe der
Zeiten auch fast erloschen; er tauchte nur auf jedem Herbstting in Maasvär von
neuem auf — gleich einem alten Ungetüm aus entschwundenen Zeiten, das
seinen Kopf aus dem Meere heraussteckte, um wieder in die Tiefe zu versinken.

Nur auf Tenno bei der Familie Roß schien nichts das glückliche Familien¬
leben zu stören. Da war ein großer Haushalt mit vielen Kindern, und als guter
Engel ging Herrn Roß' und Madame Foksens jüngste Schwester, Anne Kathrine,
ihrem Bruder wie auch seiner Frau und den Kindern in der weitläufigen Wirt¬
schaft zur Hand. Sie war ein ganz entzückendes junges Mädchen, blond und
freundlich und dabei sehr verständig in der Unterhaltung. Im übrigen lag der
große Distrikt der Handelsstelle Tenno sehr isoliert und außerhalb jeder mißgünstigen
oder konkurrierenden Nachbarschaft. In keinem Hause fühlte sich Sören Römer so
wohl wie bei Roß' auf Tenno.

Auch auf Maasvär bei Foksens glitt das Leben gleichmäßig und ohne
eigentliche Mißklänge oder sichtliche Mißverhältnisse dahin.

Nur herrschte dort nicht die lichte, fröhliche Stimmung wie auf Tenno. Dies
lag nicht an Herrn Foksen, der, wenn man ihn außer dem Hause traf, sogar ein
besonders munterer Mann war. Daheim war er still, bis zum äußersten auf¬
merksam und rücksichtsvoll gegen seine Frau, ja, er konnte einen fast eingeschüchterten
Eindruck machen. Madame Foksen selbst lag wie ein Schatten aus unerschütter¬
lichem Ernst über dem Hause. Es hatte Sören Römer manch liebes Mal ver¬
wundert, daß diese so durch und dnrch rechtlich denkende und gute Frau ihrem
Manne gegenüber so wenig freundlich und entgegenkommend war; es war dies
eine Ungerechtigkeit von ihr, und er wußte wirklich nicht, was er mit ihr anfangen
sollte. Ein wenig Munterkeit und Freude konnte recht erforderlich sein in so
einem langen, schweren Winter. Aber Madame Foksen schloß all dergleichen aus
ihrem Hause aus.

Bei einer Gelegenheit hatte Jungfer Anne Kathrine auf Tenno ein flüchtiges
Wort über die Schwester fallen lassen, — sie sagte, sie fühle sich nicht glücklich. Der
Pfarrer hatte seither Madame Foksen mit Aufmerksamkeit beobachtet. Und es schien
wirklich, als trage sie hinter dem verschlossenen Äußern an einer schweren Last...

Und nun heute hatte er die Lösung des Rätsels gefunden. —-,--

(Fortsetzung folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/630>, abgerufen am 22.12.2024.