Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches wegen der Tischwände nicht erkennen." Für das Stimmungsbild kommt es auf Maßgebliches und Unmaßgebliches wegen der Tischwände nicht erkennen." Für das Stimmungsbild kommt es auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315056"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_161" prev="#ID_160"> wegen der Tischwände nicht erkennen." Für das Stimmungsbild kommt es auf<lb/> den Inhalt der Rede nicht an. Der Rock bedeutet mehr als die Rede. Verwendbar<lb/> sind höchstens solche Stellen, die Anlaß zur Heiterkeit oder zu Zwischenrufen gaben.<lb/> Man horcht auf, wenn es Unruhe, Widerspruch, Polemik gibt. Man spannt auf<lb/> die beliebten „dramatischen Momente". Und an wichtigen Sitzungstagen, wo<lb/> es um große Entscheidungen geht, spielt in jedem Stimmungsbild die „ominöse<lb/> rote Mappe" eine Rolle, obwohl eine solche Mappe mit dem Auflösungsdekret<lb/> meistens garnicht vorhanden ist. Fürst Bülow zog seinerzeit die Auflösungsorder<lb/> einfach aus der Brusttasche. Für den Stimmungsbildner bieten besonders auch die<lb/> Logen ein Objekt ständigen Interesses. Zeigt sich in der Hofloge ein Flügel-<lb/> adjutant, so ist er vom Kaiser geschickt, um den Reichskanzler zu überwachen und<lb/> sofort zu berichten, ob er es auch den Sozialdemokraten ordentlich gegeben habe.<lb/> Ist gar eine fürstliche Persönlichkeit anwesend, so wird genau beobachtet, ob sie<lb/> etwa durch Bewegungen des Kopfes irgend welche Zeichen der Zustimmung oder<lb/> — besser! — des Mißfallens von sich gibt. Diplomaten entgehen gleichfalls nicht<lb/> der Aufmerksamkeit, und wenn man sie mit irgend einer amtlichen Person im<lb/> Gespräch ertappt, so wird schnell eine hochpolitische Klatschgeschichte zusammen¬<lb/> gefabelt. Was für Damen anwesend sind und was sie anhaben, muß schon aus<lb/> der vorhin erwähnten Rücksicht mehr ausführlich als sorgfältig behandelt werden.<lb/> — Ist das alles nicht doch im Grunde ziemlich albern und Meßig, so pretenziös man<lb/> es auch frisiert? So spießig, wie die eingehende Zeitungserörterung über die Frage,<lb/> ob der Reichskanzler oder das Reichstagspräsidium in Uniform oder im bürgerlichen<lb/> Gewände, als welches man merkwürdiger Weise den Frack bezeichnet, vor dem<lb/> Kaiser zu erscheinen hat?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
wegen der Tischwände nicht erkennen." Für das Stimmungsbild kommt es auf
den Inhalt der Rede nicht an. Der Rock bedeutet mehr als die Rede. Verwendbar
sind höchstens solche Stellen, die Anlaß zur Heiterkeit oder zu Zwischenrufen gaben.
Man horcht auf, wenn es Unruhe, Widerspruch, Polemik gibt. Man spannt auf
die beliebten „dramatischen Momente". Und an wichtigen Sitzungstagen, wo
es um große Entscheidungen geht, spielt in jedem Stimmungsbild die „ominöse
rote Mappe" eine Rolle, obwohl eine solche Mappe mit dem Auflösungsdekret
meistens garnicht vorhanden ist. Fürst Bülow zog seinerzeit die Auflösungsorder
einfach aus der Brusttasche. Für den Stimmungsbildner bieten besonders auch die
Logen ein Objekt ständigen Interesses. Zeigt sich in der Hofloge ein Flügel-
adjutant, so ist er vom Kaiser geschickt, um den Reichskanzler zu überwachen und
sofort zu berichten, ob er es auch den Sozialdemokraten ordentlich gegeben habe.
Ist gar eine fürstliche Persönlichkeit anwesend, so wird genau beobachtet, ob sie
etwa durch Bewegungen des Kopfes irgend welche Zeichen der Zustimmung oder
— besser! — des Mißfallens von sich gibt. Diplomaten entgehen gleichfalls nicht
der Aufmerksamkeit, und wenn man sie mit irgend einer amtlichen Person im
Gespräch ertappt, so wird schnell eine hochpolitische Klatschgeschichte zusammen¬
gefabelt. Was für Damen anwesend sind und was sie anhaben, muß schon aus
der vorhin erwähnten Rücksicht mehr ausführlich als sorgfältig behandelt werden.
— Ist das alles nicht doch im Grunde ziemlich albern und Meßig, so pretenziös man
es auch frisiert? So spießig, wie die eingehende Zeitungserörterung über die Frage,
ob der Reichskanzler oder das Reichstagspräsidium in Uniform oder im bürgerlichen
Gewände, als welches man merkwürdiger Weise den Frack bezeichnet, vor dem
Kaiser zu erscheinen hat?
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