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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Schisfahrtsabgaben und das Ausland

eine Million Mark geschätzt. Die österreichischen Schiffe werden deshalb schwerer
als die meisten deutschen getroffen, weil sie die größte Strecke bis zum offenen
Meere (Hamburg) zu durchfahren haben, auch wenn nach neuerlichen, aber
nicht amtlichen Meldungen der anfänglich vorgesehene einfache Entfernungstarif
durch einen Staffeltarif ersetzt werden soll.

Für Hollands gegnerische Stellung zur deutscheu Abgabenpolitik auf natür¬
lichen Wasserstraßen sind zwei Faktoren ausschlaggebend. Einmal glaubt man,
daß die holländischen Schiffer die Abgaben nicht tragen können, und zwar aus
Gründen, die wir in unserer vorigen Abhandlung ausführlich dargelegt haben,
weil sie in gleicher Weise auch für die Verhältnisse der deutschen Binnenschiffer
gelten. In Holland überwiegen die Kleinschiffe, die ohnehin schwer zu kämpfen
haben. Dann aber haben die Niederlande durchaus kein Interesse an einer
Stromvertiefung. Für die kleinen Kähne reichen die heutigen Verhältnisse voll¬
kommen aus. Je größere Schiffe aber von: Meere aus den Rhein hinauf¬
fahren können, desto geringer wird der Umschlagsverkehr Rotterdams.

Man weiß in Holland sehr gut, daß die Stadt Köln seit langem dem
Plane nachjagt, ihren Hafen zum Seehafen zu machen, was nach einer weiteren
Rheinregulierung auch kommen wird. Jede Erschwerung des holländischen
Schiffsgewerbes vergrößert den Aktionsradius der Mittelmeerhäfen, namentlich
von Genua und Trieft, deren Regierungen heute schon alle Anstrengungen
machen, das Hinterland dieser Hafen zu erweitern. Die Eröffnung der Simplon-
bcchn hat ohnehin schon eine starke Verschiebung der Wettbewerbsgrenze auf
Kosten der Holländer zur Folge gehaot, während sich anderseits die vorüber¬
gehende Verkehrsstörung auf den italienischen Eisenbahnen im Sommer 1904
durch einen erhöhten Verkehr von Rotterdam sehr bemerkbar machte. Ob
Holland durch weitere Tarifermäßigungen auf seinen Eisenbahnen den Abbruch
des Verkehrs seiner Seehäfen wettmachen kann, erscheint angesichts der von
Frankreich und Belgien in gleicher Richtung befolgten Politik doch sehr unwahr¬
scheinlich.




Grenzboten I 1910"5
Die deutschen Schisfahrtsabgaben und das Ausland

eine Million Mark geschätzt. Die österreichischen Schiffe werden deshalb schwerer
als die meisten deutschen getroffen, weil sie die größte Strecke bis zum offenen
Meere (Hamburg) zu durchfahren haben, auch wenn nach neuerlichen, aber
nicht amtlichen Meldungen der anfänglich vorgesehene einfache Entfernungstarif
durch einen Staffeltarif ersetzt werden soll.

Für Hollands gegnerische Stellung zur deutscheu Abgabenpolitik auf natür¬
lichen Wasserstraßen sind zwei Faktoren ausschlaggebend. Einmal glaubt man,
daß die holländischen Schiffer die Abgaben nicht tragen können, und zwar aus
Gründen, die wir in unserer vorigen Abhandlung ausführlich dargelegt haben,
weil sie in gleicher Weise auch für die Verhältnisse der deutschen Binnenschiffer
gelten. In Holland überwiegen die Kleinschiffe, die ohnehin schwer zu kämpfen
haben. Dann aber haben die Niederlande durchaus kein Interesse an einer
Stromvertiefung. Für die kleinen Kähne reichen die heutigen Verhältnisse voll¬
kommen aus. Je größere Schiffe aber von: Meere aus den Rhein hinauf¬
fahren können, desto geringer wird der Umschlagsverkehr Rotterdams.

Man weiß in Holland sehr gut, daß die Stadt Köln seit langem dem
Plane nachjagt, ihren Hafen zum Seehafen zu machen, was nach einer weiteren
Rheinregulierung auch kommen wird. Jede Erschwerung des holländischen
Schiffsgewerbes vergrößert den Aktionsradius der Mittelmeerhäfen, namentlich
von Genua und Trieft, deren Regierungen heute schon alle Anstrengungen
machen, das Hinterland dieser Hafen zu erweitern. Die Eröffnung der Simplon-
bcchn hat ohnehin schon eine starke Verschiebung der Wettbewerbsgrenze auf
Kosten der Holländer zur Folge gehaot, während sich anderseits die vorüber¬
gehende Verkehrsstörung auf den italienischen Eisenbahnen im Sommer 1904
durch einen erhöhten Verkehr von Rotterdam sehr bemerkbar machte. Ob
Holland durch weitere Tarifermäßigungen auf seinen Eisenbahnen den Abbruch
des Verkehrs seiner Seehäfen wettmachen kann, erscheint angesichts der von
Frankreich und Belgien in gleicher Richtung befolgten Politik doch sehr unwahr¬
scheinlich.




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[0524] Die deutschen Schisfahrtsabgaben und das Ausland eine Million Mark geschätzt. Die österreichischen Schiffe werden deshalb schwerer als die meisten deutschen getroffen, weil sie die größte Strecke bis zum offenen Meere (Hamburg) zu durchfahren haben, auch wenn nach neuerlichen, aber nicht amtlichen Meldungen der anfänglich vorgesehene einfache Entfernungstarif durch einen Staffeltarif ersetzt werden soll. Für Hollands gegnerische Stellung zur deutscheu Abgabenpolitik auf natür¬ lichen Wasserstraßen sind zwei Faktoren ausschlaggebend. Einmal glaubt man, daß die holländischen Schiffer die Abgaben nicht tragen können, und zwar aus Gründen, die wir in unserer vorigen Abhandlung ausführlich dargelegt haben, weil sie in gleicher Weise auch für die Verhältnisse der deutschen Binnenschiffer gelten. In Holland überwiegen die Kleinschiffe, die ohnehin schwer zu kämpfen haben. Dann aber haben die Niederlande durchaus kein Interesse an einer Stromvertiefung. Für die kleinen Kähne reichen die heutigen Verhältnisse voll¬ kommen aus. Je größere Schiffe aber von: Meere aus den Rhein hinauf¬ fahren können, desto geringer wird der Umschlagsverkehr Rotterdams. Man weiß in Holland sehr gut, daß die Stadt Köln seit langem dem Plane nachjagt, ihren Hafen zum Seehafen zu machen, was nach einer weiteren Rheinregulierung auch kommen wird. Jede Erschwerung des holländischen Schiffsgewerbes vergrößert den Aktionsradius der Mittelmeerhäfen, namentlich von Genua und Trieft, deren Regierungen heute schon alle Anstrengungen machen, das Hinterland dieser Hafen zu erweitern. Die Eröffnung der Simplon- bcchn hat ohnehin schon eine starke Verschiebung der Wettbewerbsgrenze auf Kosten der Holländer zur Folge gehaot, während sich anderseits die vorüber¬ gehende Verkehrsstörung auf den italienischen Eisenbahnen im Sommer 1904 durch einen erhöhten Verkehr von Rotterdam sehr bemerkbar machte. Ob Holland durch weitere Tarifermäßigungen auf seinen Eisenbahnen den Abbruch des Verkehrs seiner Seehäfen wettmachen kann, erscheint angesichts der von Frankreich und Belgien in gleicher Richtung befolgten Politik doch sehr unwahr¬ scheinlich. Grenzboten I 1910»5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/524>, abgerufen am 24.07.2024.