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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Schiffahrtsabgaben und das Ausland

eins der segensreichsten Ergebnisse der eben vollzogenen deutschen Einheit. Und
noch in einer im Dezember v. Is. von den Regierungen Badens und Sachsens
dem Bundesrate überreichten Denkschrift wird die Abgabenfreiheit der deutschen
Ströme als "ein Wahrzeichen der deutschen Einheit und als ein Bollwerk des
guten Einvernehmens zwischen den deutschen Bundesstaaten" bezeichnet. Aber
heute liegen die Verhältnisse so, daß das Reich in Wien und im Haag anklopfen
und die betreffenden Regierungen um ihre Bereitwilligkeit zu Verhandlungen zwecks
Wiedereinführung von Schiffahrtszöllen auf Elbe und Rhein bitten muß.
Denn eine einseitige Lösung der Frage ohne Rücksicht auf bestehende Verträge mit
ausländischen Staaten soll nach einer Erklärung der "Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung" nicht erfolgen. Am Tage vor dieser Veröffentlichung hatte der mährische
Landtag eine Entschließung angenommen, in welcher die Regierung aufgefordert
wird, unter keiner Bedingung die Aufhebung der freien, durch internationale
Verträge gewährleisteten Elbschiffahrt zuzulassen und unter keinen: Vorwande
der Erhebung von Abgaben auf der Elbe zuzustimmen. Und in der bisweilen
halbamtlichen Wiener "Sonntags- und Montagszeitung" konnte man kurz vorher
lesen: "Wenn die deutsche Reichsregierung nur einen Augenblick vernünftigen
Erwägungen zugänglich ist, dann wird sie erkennen, daß schon das Aufwerfen
der Frage der Schiffahrtsabgaben in Österreich als ein Akt der höchsten Feind¬
seligkeit empfunden wird und daß ein weiteres Fortschreiten auf diese Weise
einen Riß durch die politische Interessengemeinschaft machen müßte, der nicht
ausheilen könnte." Die stets offiziöse "Politische Korrespondenz" sagte sogar bei
einer Besprechung der obenerwähnten deutschen Auslassung unzweideutig heraus,
man habe es in Wien "übel empfunden", daß Preußen nicht zuvor bei Österreich
angefragt habe, bevor es im Reiche selbst Schritte tat, um die Mehrheit im
Bundesrate für seine Pläne zu sichern. Nun stehe Österreich vor einer schon
W Zuge befindlichen Aktion und sei in die Zwangslage versetzt, entweder
den Bundesgenossen zurückzuweisen oder eigene Lebensinteressen zu verletzen.
Deutlicher kann kaun: die Erbitterung Österreichs gegen den preußischen
Bundesgenossen gezeichnet werden und zwischen den Zeilen ist zu lesen, daß
der Minister des Äußern der öffentlichen Meinung geradezu ins Gesicht schlagen
würde, wenn er nachgäbe. Daß sich der Standpunkt der österreichischen
Regierung aber genan mit dem der öffentlichen Meinung deckt, hat der Handels¬
minister Weiskirchner bei einer Jnterpellation im Reichsrat am 4. März
unzweideutig festgelegt, indem er jeden Zweifel darüber beseitigte, daß Osterreich
SU irgendwelchen Zugeständnissen, welche die volle Freiheit der Elbschrffahrt
berühren, nicht zu haben sein werde. Auch habe Graf Aehrenthal bei fernem
Besuche in Berlin dem Reichskanzler gegenüber diese Ausfassung bereits vertreten.
Aber die Stimmung in Holland ist nicht günstiger. Nachrichten aus verbürgten
Wellen wußten neuerdings zu berichten, daß die niederländische Regrerung leben
Versuch von Berlin aus. etwa im Haag oder an den holländischen Gesandten und
Unterhandlungen heranzutreten, ablehnen wird. Holland wird jede auf dre Rhein-


Die deutschen Schiffahrtsabgaben und das Ausland

eins der segensreichsten Ergebnisse der eben vollzogenen deutschen Einheit. Und
noch in einer im Dezember v. Is. von den Regierungen Badens und Sachsens
dem Bundesrate überreichten Denkschrift wird die Abgabenfreiheit der deutschen
Ströme als „ein Wahrzeichen der deutschen Einheit und als ein Bollwerk des
guten Einvernehmens zwischen den deutschen Bundesstaaten" bezeichnet. Aber
heute liegen die Verhältnisse so, daß das Reich in Wien und im Haag anklopfen
und die betreffenden Regierungen um ihre Bereitwilligkeit zu Verhandlungen zwecks
Wiedereinführung von Schiffahrtszöllen auf Elbe und Rhein bitten muß.
Denn eine einseitige Lösung der Frage ohne Rücksicht auf bestehende Verträge mit
ausländischen Staaten soll nach einer Erklärung der „Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung" nicht erfolgen. Am Tage vor dieser Veröffentlichung hatte der mährische
Landtag eine Entschließung angenommen, in welcher die Regierung aufgefordert
wird, unter keiner Bedingung die Aufhebung der freien, durch internationale
Verträge gewährleisteten Elbschiffahrt zuzulassen und unter keinen: Vorwande
der Erhebung von Abgaben auf der Elbe zuzustimmen. Und in der bisweilen
halbamtlichen Wiener „Sonntags- und Montagszeitung" konnte man kurz vorher
lesen: „Wenn die deutsche Reichsregierung nur einen Augenblick vernünftigen
Erwägungen zugänglich ist, dann wird sie erkennen, daß schon das Aufwerfen
der Frage der Schiffahrtsabgaben in Österreich als ein Akt der höchsten Feind¬
seligkeit empfunden wird und daß ein weiteres Fortschreiten auf diese Weise
einen Riß durch die politische Interessengemeinschaft machen müßte, der nicht
ausheilen könnte." Die stets offiziöse „Politische Korrespondenz" sagte sogar bei
einer Besprechung der obenerwähnten deutschen Auslassung unzweideutig heraus,
man habe es in Wien „übel empfunden", daß Preußen nicht zuvor bei Österreich
angefragt habe, bevor es im Reiche selbst Schritte tat, um die Mehrheit im
Bundesrate für seine Pläne zu sichern. Nun stehe Österreich vor einer schon
W Zuge befindlichen Aktion und sei in die Zwangslage versetzt, entweder
den Bundesgenossen zurückzuweisen oder eigene Lebensinteressen zu verletzen.
Deutlicher kann kaun: die Erbitterung Österreichs gegen den preußischen
Bundesgenossen gezeichnet werden und zwischen den Zeilen ist zu lesen, daß
der Minister des Äußern der öffentlichen Meinung geradezu ins Gesicht schlagen
würde, wenn er nachgäbe. Daß sich der Standpunkt der österreichischen
Regierung aber genan mit dem der öffentlichen Meinung deckt, hat der Handels¬
minister Weiskirchner bei einer Jnterpellation im Reichsrat am 4. März
unzweideutig festgelegt, indem er jeden Zweifel darüber beseitigte, daß Osterreich
SU irgendwelchen Zugeständnissen, welche die volle Freiheit der Elbschrffahrt
berühren, nicht zu haben sein werde. Auch habe Graf Aehrenthal bei fernem
Besuche in Berlin dem Reichskanzler gegenüber diese Ausfassung bereits vertreten.
Aber die Stimmung in Holland ist nicht günstiger. Nachrichten aus verbürgten
Wellen wußten neuerdings zu berichten, daß die niederländische Regrerung leben
Versuch von Berlin aus. etwa im Haag oder an den holländischen Gesandten und
Unterhandlungen heranzutreten, ablehnen wird. Holland wird jede auf dre Rhein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/520>, abgerufen am 24.07.2024.