Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Deutschtum und Schweiz das ist ein--Staatsgeheimnis, das jeder kennt, und wer es ausspricht, Im Jahre 1902 hielt ein Berner Professor, namens Vetter, in Nürnberg Während dieses Vetter-Krieges erzählte ein Züricher Student seinen Tisch¬ Diese kleinen Sttmmungsbilder mögen dem Leser zeigen, daß die Zugehörigkeit Als gründlicher Deutschschweizer beginnt Jäger mit eurer eingehenden Die Frage einer schweizerischen Nation, Bem 1909.
Deutschtum und Schweiz das ist ein--Staatsgeheimnis, das jeder kennt, und wer es ausspricht, Im Jahre 1902 hielt ein Berner Professor, namens Vetter, in Nürnberg Während dieses Vetter-Krieges erzählte ein Züricher Student seinen Tisch¬ Diese kleinen Sttmmungsbilder mögen dem Leser zeigen, daß die Zugehörigkeit Als gründlicher Deutschschweizer beginnt Jäger mit eurer eingehenden Die Frage einer schweizerischen Nation, Bem 1909.
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Deutschtum und Schweiz
das ist ein--Staatsgeheimnis, das jeder kennt, und wer es ausspricht,
ist--ein Landesverräter."
Im Jahre 1902 hielt ein Berner Professor, namens Vetter, in Nürnberg
bei der Jubelfeier des germanischen Museums eine Rede, in der er sich ganz
wie Orelli äußerte und ausdrücklich erklärte, daß die Schweiz in geistiger
Beziehung eine deutsche Provinz sei. Diese Rede weckte in der Schweiz einen
recht übelklingenden Widerhall. Zuerst erfolgte ein heftiger Angriff auf Vetter
in der welschen Presse, dann eine Katzenmusik von etwa hundert Berner Studenten,
meist Welschen, darauf allgemeine Hatz auf Vetter in den meisten Schweizer
Zeitungen, ferner „Bedauern" der Rede Vetters durch die Berner Professorenschaft
und schließlich Rücktrittsgesuch Vetters vom Lehramt. Dann legte sich der Sturm,
die Regierung nahm den Rücktritt nicht an, und wenigstens ein Teil der deutsch¬
schweizerischen Presse fand nachträglich, daß Vetter eigentlich nichts anderes gesagt
habe als Gottfried Keller und andere Schweizer ersten Ranges auch.
Während dieses Vetter-Krieges erzählte ein Züricher Student seinen Tisch¬
genossen den obenerwähnten Scherz von: Staatsgeheimnis; die einen lachten,
andere machten sauersüße Gesichter, aber einer schlug mit der Fällst auf den
Tisch und schrie: „Und das ist auch Landesverrat!"
Diese kleinen Sttmmungsbilder mögen dem Leser zeigen, daß die Zugehörigkeit
der Deutschschweizer zum deutschen Volke in der Zeit vor 1848 noch ungestraft
erwähnt werdeu durfte, daß sie aber in der neueren Zeit bestritten, ja als eine
Gefahr für den Staat geradezu leidenschaftlich bekämpft wird. Um diese Leidenschaft¬
lichkeit zu verstehen, muß man sich daran erinnern, daß es zahlreiche und geistig
hochstehende Schweizer gibt, die sich mit dem Bestehen eines unabhängigen freien
Schweizerstaates nicht begnügen, sondern eine „schweizerische Nation" behaupten
bezw. schaffen wolle«. Dieses Hochziel ist natürlich nicht erreicht, überhaupt uicht
erreichbar, solange sich die Deutschschweizer als Deutsche, die Welschen als
Franzosen, die Tessiner als Italiener fühlen. Sehen wir uns die Sache etwas
näher an, und zwar zunächst mit den Augen eines schweizerischen Schriftstellers,
L>r. jur. Max Jäger"). Gesandtschaftsrat in Rom.
Als gründlicher Deutschschweizer beginnt Jäger mit eurer eingehenden
Untersuchung des Begriffs „Nation". Er kommt zu dein Ergebnis, daß dies
Wort von verschiedenen Völkern verschieden ausgelegt wird, ja daß es bei ein
und demselben Volke,, z. B. dem reichsdeutschen, im Laufe der Jahre seine
Bedeutung geändert habe. Während Orelli, Vetter und viele andere Schweizer
offenbar der Meinung waren, daß Gemeinsamkeit der Sprache und des Blutes
die wichtigsten Eigenschaften einer „Nation" sind, kommt Jäger zu dem Schluß,
daß die eigentliche Kerneigenschaft einer „Nation" in dem Bewußtsein einer
völkischen Eigenart und Kultur bestehe, und in dem Willen, diese eigene Kultur
M wahren und weiter zu entwickeln. Diese beiden wesentlichsten Eigenschaften,
Die Frage einer schweizerischen Nation, Bem 1909.
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