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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Im Kampf gegen die Übermacht

was es so bitter nötig hat -- dazu sollten der Herr Pfarrer die Hand nicht reichen.
Denn das ist, offen gestanden, eine ganz gemeine Geschichte!"

"Ich verstehe aber nicht..."

"Verhält es sich nicht so, daß sowohl hier als auch in Sandövär ein Zuschuß
von mehreren hundert Speziestalern aus Privatmitteln versprochen ist, falls die
Betreffenden ihren Willen bekommen?"

"Ja. Und das ist doch ganz prächtig . . ."

"Aber der alte Storni am Fjord-Ende, der hat nicht viele Taler, die er
versprechen könnte, der Ärmste. Und das wissen die andern."

Sie schritten weiter nebeneinander dahin, und sie fuhr eifrig und schnell fort.'

"Und darauf rechnen sie bei dieser Sache wie bei so vielerlei anderem."

Sie hielt wieder inne. Sie stemmte die Hände in die Seiten und sah ihn
mit blitzenden, dunkelblauen Augen an:

"Wäre ich an Ihrer Stelle, Herr Pfarrer, wissen Sie, was ich dann tun würde?"

"Nun? -- Nein?"

"Ich würde alle diese Protzen, die hier in Storslet nud die da drüben in
Sandövär, zuscmunenoerufen und zu ihnen sagen: Daß es ein Spott und eine
Schmach für sie ist, so reich und so mächtig, wie sie alle zusammen sind, daß sie
die Schulen haben so verfallen, die Lehrer wegreisen und die Kinder ringsherum
in Unwissenheit aufwachsen lassen. Daß das Geld, das jetzt aus dem Schulfonds
bewilligt ist, bis auf den letzten Heller drinnen an dein armen Fjord-Ende
angewendet werden muß, wo keine Protzen sitzen und sich blähen, aber daß Sie,
Herr Pfarrer, ganz sicher darauf rechnen, daß hier und in Sandövär Jackwitz und
Danker, Steenbuk und Willatz und alle die andern Wohl Mittel und Wege finden
werden, um der Gemeinde zu einem Schulhaus zu verhelfen. Das würde ich
ihnen gerade ins Gesicht sagen."

Der Pfarrer mußte über ihre Beredsamkeit und ihre Schneid lächeln:

"Es ist auf jeden Fall ein Glück, Jungfer, daß Sie diese Sache nicht zu
führen haben! Sie würden sicher die ganze Gemeinde kränken und beleidigen."

"Nein, das würde ich kunst tun. Aber wissen Sie, was ich auf diese Weise
erreichen würde?"

"Nun -- ?"

"Ich würde mir Respekt verschaffen, Herr Pfarrer!" sagte sie und schlug die
Hände zusammen, daß es klatschte. "In erster Linie würde ich die Liebe des
ganzen Fjord-Endes mit groß und klein für alle Zeiten gewinnen. Und dann
würde ich diese mächtigen Päpste dahin bringen, daß ihnen vielleicht ein wenig bange
vor mir würde. Es könnte gar nicht schaden, wenn sie einmal ein wenig aus
ihrer Ruhe aufgerüttelt würden! Und im Grunde ihres Herzens wissen sie alle
ganz genau, was recht und was richtig ist: daß das Fjord-Ende vor allen andern
ein Schulhaus haben muß. Also eine Gefahr liegt hier nicht vor."

Sören Römer schritt eine Weile sinnend dahin.

"Ich -- ich werde mir überlegen, was Sie mir da gesagt haben, Jungfer,"
sagte er.

"Ach was, überlegen! Ach!" rief sie aus, "wenn Sie das nur tun wollten,
mit Kraft und Schneid und ihnen gerade ins Gesicht -- ach, wie Sie mir da
gefallen würden, Herr Pfarrer!"

Er lachte.

"Sie sind ja eine förmliche Walküre, Jungfer Thorborg I"

"Nein -- aber -- ich möchte gern -- ich wollte so gern, daß Sie so recht --
einmal so recht -- ein Mann wären!"


Im Kampf gegen die Übermacht

was es so bitter nötig hat — dazu sollten der Herr Pfarrer die Hand nicht reichen.
Denn das ist, offen gestanden, eine ganz gemeine Geschichte!"

„Ich verstehe aber nicht..."

„Verhält es sich nicht so, daß sowohl hier als auch in Sandövär ein Zuschuß
von mehreren hundert Speziestalern aus Privatmitteln versprochen ist, falls die
Betreffenden ihren Willen bekommen?"

„Ja. Und das ist doch ganz prächtig . . ."

„Aber der alte Storni am Fjord-Ende, der hat nicht viele Taler, die er
versprechen könnte, der Ärmste. Und das wissen die andern."

Sie schritten weiter nebeneinander dahin, und sie fuhr eifrig und schnell fort.'

„Und darauf rechnen sie bei dieser Sache wie bei so vielerlei anderem."

Sie hielt wieder inne. Sie stemmte die Hände in die Seiten und sah ihn
mit blitzenden, dunkelblauen Augen an:

„Wäre ich an Ihrer Stelle, Herr Pfarrer, wissen Sie, was ich dann tun würde?"

„Nun? — Nein?"

„Ich würde alle diese Protzen, die hier in Storslet nud die da drüben in
Sandövär, zuscmunenoerufen und zu ihnen sagen: Daß es ein Spott und eine
Schmach für sie ist, so reich und so mächtig, wie sie alle zusammen sind, daß sie
die Schulen haben so verfallen, die Lehrer wegreisen und die Kinder ringsherum
in Unwissenheit aufwachsen lassen. Daß das Geld, das jetzt aus dem Schulfonds
bewilligt ist, bis auf den letzten Heller drinnen an dein armen Fjord-Ende
angewendet werden muß, wo keine Protzen sitzen und sich blähen, aber daß Sie,
Herr Pfarrer, ganz sicher darauf rechnen, daß hier und in Sandövär Jackwitz und
Danker, Steenbuk und Willatz und alle die andern Wohl Mittel und Wege finden
werden, um der Gemeinde zu einem Schulhaus zu verhelfen. Das würde ich
ihnen gerade ins Gesicht sagen."

Der Pfarrer mußte über ihre Beredsamkeit und ihre Schneid lächeln:

„Es ist auf jeden Fall ein Glück, Jungfer, daß Sie diese Sache nicht zu
führen haben! Sie würden sicher die ganze Gemeinde kränken und beleidigen."

„Nein, das würde ich kunst tun. Aber wissen Sie, was ich auf diese Weise
erreichen würde?"

„Nun — ?"

„Ich würde mir Respekt verschaffen, Herr Pfarrer!" sagte sie und schlug die
Hände zusammen, daß es klatschte. „In erster Linie würde ich die Liebe des
ganzen Fjord-Endes mit groß und klein für alle Zeiten gewinnen. Und dann
würde ich diese mächtigen Päpste dahin bringen, daß ihnen vielleicht ein wenig bange
vor mir würde. Es könnte gar nicht schaden, wenn sie einmal ein wenig aus
ihrer Ruhe aufgerüttelt würden! Und im Grunde ihres Herzens wissen sie alle
ganz genau, was recht und was richtig ist: daß das Fjord-Ende vor allen andern
ein Schulhaus haben muß. Also eine Gefahr liegt hier nicht vor."

Sören Römer schritt eine Weile sinnend dahin.

„Ich — ich werde mir überlegen, was Sie mir da gesagt haben, Jungfer,"
sagte er.

„Ach was, überlegen! Ach!" rief sie aus, „wenn Sie das nur tun wollten,
mit Kraft und Schneid und ihnen gerade ins Gesicht — ach, wie Sie mir da
gefallen würden, Herr Pfarrer!"

Er lachte.

„Sie sind ja eine förmliche Walküre, Jungfer Thorborg I"

„Nein — aber — ich möchte gern — ich wollte so gern, daß Sie so recht —
einmal so recht — ein Mann wären!"


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[0436] Im Kampf gegen die Übermacht was es so bitter nötig hat — dazu sollten der Herr Pfarrer die Hand nicht reichen. Denn das ist, offen gestanden, eine ganz gemeine Geschichte!" „Ich verstehe aber nicht..." „Verhält es sich nicht so, daß sowohl hier als auch in Sandövär ein Zuschuß von mehreren hundert Speziestalern aus Privatmitteln versprochen ist, falls die Betreffenden ihren Willen bekommen?" „Ja. Und das ist doch ganz prächtig . . ." „Aber der alte Storni am Fjord-Ende, der hat nicht viele Taler, die er versprechen könnte, der Ärmste. Und das wissen die andern." Sie schritten weiter nebeneinander dahin, und sie fuhr eifrig und schnell fort.' „Und darauf rechnen sie bei dieser Sache wie bei so vielerlei anderem." Sie hielt wieder inne. Sie stemmte die Hände in die Seiten und sah ihn mit blitzenden, dunkelblauen Augen an: „Wäre ich an Ihrer Stelle, Herr Pfarrer, wissen Sie, was ich dann tun würde?" „Nun? — Nein?" „Ich würde alle diese Protzen, die hier in Storslet nud die da drüben in Sandövär, zuscmunenoerufen und zu ihnen sagen: Daß es ein Spott und eine Schmach für sie ist, so reich und so mächtig, wie sie alle zusammen sind, daß sie die Schulen haben so verfallen, die Lehrer wegreisen und die Kinder ringsherum in Unwissenheit aufwachsen lassen. Daß das Geld, das jetzt aus dem Schulfonds bewilligt ist, bis auf den letzten Heller drinnen an dein armen Fjord-Ende angewendet werden muß, wo keine Protzen sitzen und sich blähen, aber daß Sie, Herr Pfarrer, ganz sicher darauf rechnen, daß hier und in Sandövär Jackwitz und Danker, Steenbuk und Willatz und alle die andern Wohl Mittel und Wege finden werden, um der Gemeinde zu einem Schulhaus zu verhelfen. Das würde ich ihnen gerade ins Gesicht sagen." Der Pfarrer mußte über ihre Beredsamkeit und ihre Schneid lächeln: „Es ist auf jeden Fall ein Glück, Jungfer, daß Sie diese Sache nicht zu führen haben! Sie würden sicher die ganze Gemeinde kränken und beleidigen." „Nein, das würde ich kunst tun. Aber wissen Sie, was ich auf diese Weise erreichen würde?" „Nun — ?" „Ich würde mir Respekt verschaffen, Herr Pfarrer!" sagte sie und schlug die Hände zusammen, daß es klatschte. „In erster Linie würde ich die Liebe des ganzen Fjord-Endes mit groß und klein für alle Zeiten gewinnen. Und dann würde ich diese mächtigen Päpste dahin bringen, daß ihnen vielleicht ein wenig bange vor mir würde. Es könnte gar nicht schaden, wenn sie einmal ein wenig aus ihrer Ruhe aufgerüttelt würden! Und im Grunde ihres Herzens wissen sie alle ganz genau, was recht und was richtig ist: daß das Fjord-Ende vor allen andern ein Schulhaus haben muß. Also eine Gefahr liegt hier nicht vor." Sören Römer schritt eine Weile sinnend dahin. „Ich — ich werde mir überlegen, was Sie mir da gesagt haben, Jungfer," sagte er. „Ach was, überlegen! Ach!" rief sie aus, „wenn Sie das nur tun wollten, mit Kraft und Schneid und ihnen gerade ins Gesicht — ach, wie Sie mir da gefallen würden, Herr Pfarrer!" Er lachte. „Sie sind ja eine förmliche Walküre, Jungfer Thorborg I" „Nein — aber — ich möchte gern — ich wollte so gern, daß Sie so recht — einmal so recht — ein Mann wären!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/436>, abgerufen am 22.12.2024.