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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Aus dem sogenannten "Lande der Freiheit"

"Pilgerväter" zurückzuführen. Denn wie es zur Zeit der vorerwähnten "Kluc
Ja>v8" von Massachusetts höchst... ungesund war, "wider den Stachel zu löken",
so blieb es dort auch noch später, als die Gefahr für Leib und Leben allmählich
fortfiel, doch vom . . . Geschäftsstandpunkte aus höchst empfehlenswert, sich in
Glaubenssachen mit der herrschenden Richtung möglichst gut zu stellen, jeden¬
falls aber alles zu vermeiden, was dazu beitragen könnte, in dieser Hinsicht
irgendwie "unangenehm aufzufallen"."

Diese Rücksicht aufs Geschäft, dieser "Vu8me88-Standpunkt, wirkt aber
auch heute uoch als gewaltige Triebfeder. Und wenn ich auch persönlich zu
der Ansicht gelangt bin, daß die Herrschaft, welche drüben in den Vereinigten
Staaten der viel zitierte "allmächtige Dollar" ausübt, nicht sehr wesentlich
schroffer und härter ist als die Mach!, welche in unserem lieben alten Vaterlande
die Reichsmark ausübt, so bin ich doch der festen Überzeugung, daß die religiöse
Heuchelei in keinem anderen Lande solch ein Machtfaktor ist, wie in der nord¬
amerikanischen Union -- vielleicht mit der alleinigen Ausnahme von Old
England.

Wesentlich verstärkt wird dieser Einfluß noch durch einen Umstand, welcher
von den üblichen Amerika-Studien-Neisenden, die das Land und die Leute auf
dem Blitzzugfluge von den Coup6fenstern aus zu beurteilen pflegen, natürlich
übersehen werden muß. In den Vereinigten Staaten ersetzt auf dem flachen
Lande und auch in den kleinen Städten -- eigentliche Dörfer fehlen bei dem
üblichen Farmbetriebe bekanntlich ganz --, jedenfalls aber überall da, wo dein
"echtamerikanischen" Eingeborenenelemente ein starker Einschlag von Ein¬
gewanderten fehlt, die Kirche jede andere Form der Geselligkeit.

^ Wer also nicht zu dieser oder jener Kirchengemeinschaft gehört, ist "nicht
in it", hat nichts zu sagen, spielt keine Rolle -- aber auch nicht die geringste.
Vereine und Gesellschaften nach deutschem Muster gibt es da nicht und wenn
er nicht ganz isoliert dastehen will, muß er mit den Wölfen heulen. Und je
besser ihm das gelingt, um so wirksamer ist das für ihn auch in materieller,
d. h. geschäftlicher Beziehung, erst recht aber -- wenn es zu den Wahlen
kommt, -- in politischer Hinsicht.




Aus dem sogenannten „Lande der Freiheit"

„Pilgerväter" zurückzuführen. Denn wie es zur Zeit der vorerwähnten „Kluc
Ja>v8" von Massachusetts höchst... ungesund war, „wider den Stachel zu löken",
so blieb es dort auch noch später, als die Gefahr für Leib und Leben allmählich
fortfiel, doch vom . . . Geschäftsstandpunkte aus höchst empfehlenswert, sich in
Glaubenssachen mit der herrschenden Richtung möglichst gut zu stellen, jeden¬
falls aber alles zu vermeiden, was dazu beitragen könnte, in dieser Hinsicht
irgendwie „unangenehm aufzufallen"."

Diese Rücksicht aufs Geschäft, dieser „Vu8me88-Standpunkt, wirkt aber
auch heute uoch als gewaltige Triebfeder. Und wenn ich auch persönlich zu
der Ansicht gelangt bin, daß die Herrschaft, welche drüben in den Vereinigten
Staaten der viel zitierte „allmächtige Dollar" ausübt, nicht sehr wesentlich
schroffer und härter ist als die Mach!, welche in unserem lieben alten Vaterlande
die Reichsmark ausübt, so bin ich doch der festen Überzeugung, daß die religiöse
Heuchelei in keinem anderen Lande solch ein Machtfaktor ist, wie in der nord¬
amerikanischen Union — vielleicht mit der alleinigen Ausnahme von Old
England.

Wesentlich verstärkt wird dieser Einfluß noch durch einen Umstand, welcher
von den üblichen Amerika-Studien-Neisenden, die das Land und die Leute auf
dem Blitzzugfluge von den Coup6fenstern aus zu beurteilen pflegen, natürlich
übersehen werden muß. In den Vereinigten Staaten ersetzt auf dem flachen
Lande und auch in den kleinen Städten — eigentliche Dörfer fehlen bei dem
üblichen Farmbetriebe bekanntlich ganz —, jedenfalls aber überall da, wo dein
„echtamerikanischen" Eingeborenenelemente ein starker Einschlag von Ein¬
gewanderten fehlt, die Kirche jede andere Form der Geselligkeit.

^ Wer also nicht zu dieser oder jener Kirchengemeinschaft gehört, ist „nicht
in it", hat nichts zu sagen, spielt keine Rolle — aber auch nicht die geringste.
Vereine und Gesellschaften nach deutschem Muster gibt es da nicht und wenn
er nicht ganz isoliert dastehen will, muß er mit den Wölfen heulen. Und je
besser ihm das gelingt, um so wirksamer ist das für ihn auch in materieller,
d. h. geschäftlicher Beziehung, erst recht aber — wenn es zu den Wahlen
kommt, — in politischer Hinsicht.




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[0377] Aus dem sogenannten „Lande der Freiheit" „Pilgerväter" zurückzuführen. Denn wie es zur Zeit der vorerwähnten „Kluc Ja>v8" von Massachusetts höchst... ungesund war, „wider den Stachel zu löken", so blieb es dort auch noch später, als die Gefahr für Leib und Leben allmählich fortfiel, doch vom . . . Geschäftsstandpunkte aus höchst empfehlenswert, sich in Glaubenssachen mit der herrschenden Richtung möglichst gut zu stellen, jeden¬ falls aber alles zu vermeiden, was dazu beitragen könnte, in dieser Hinsicht irgendwie „unangenehm aufzufallen"." Diese Rücksicht aufs Geschäft, dieser „Vu8me88-Standpunkt, wirkt aber auch heute uoch als gewaltige Triebfeder. Und wenn ich auch persönlich zu der Ansicht gelangt bin, daß die Herrschaft, welche drüben in den Vereinigten Staaten der viel zitierte „allmächtige Dollar" ausübt, nicht sehr wesentlich schroffer und härter ist als die Mach!, welche in unserem lieben alten Vaterlande die Reichsmark ausübt, so bin ich doch der festen Überzeugung, daß die religiöse Heuchelei in keinem anderen Lande solch ein Machtfaktor ist, wie in der nord¬ amerikanischen Union — vielleicht mit der alleinigen Ausnahme von Old England. Wesentlich verstärkt wird dieser Einfluß noch durch einen Umstand, welcher von den üblichen Amerika-Studien-Neisenden, die das Land und die Leute auf dem Blitzzugfluge von den Coup6fenstern aus zu beurteilen pflegen, natürlich übersehen werden muß. In den Vereinigten Staaten ersetzt auf dem flachen Lande und auch in den kleinen Städten — eigentliche Dörfer fehlen bei dem üblichen Farmbetriebe bekanntlich ganz —, jedenfalls aber überall da, wo dein „echtamerikanischen" Eingeborenenelemente ein starker Einschlag von Ein¬ gewanderten fehlt, die Kirche jede andere Form der Geselligkeit. ^ Wer also nicht zu dieser oder jener Kirchengemeinschaft gehört, ist „nicht in it", hat nichts zu sagen, spielt keine Rolle — aber auch nicht die geringste. Vereine und Gesellschaften nach deutschem Muster gibt es da nicht und wenn er nicht ganz isoliert dastehen will, muß er mit den Wölfen heulen. Und je besser ihm das gelingt, um so wirksamer ist das für ihn auch in materieller, d. h. geschäftlicher Beziehung, erst recht aber — wenn es zu den Wahlen kommt, — in politischer Hinsicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/377>, abgerufen am 24.07.2024.