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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Durch Freundschaft werden Sie eine große und nützliche Wirksamkeit in der
Gemeinde ausüben können, zu der Sie berufen sind. Ohne Freundschaftlichkeit
wird Ihre Rede verwehen wie die Stimme in der Wüste. Und daher müssen
Sie sich den Sitten und Gebräuchen dieser Menschen nicht fremd gegenüberstellen,
Sie dürfen nicht die Furcht in ihnen aufkommen lassen, daß Sie ihre wenigen
und seltenen Freuden mißbilligen. Versuchen Sie lieber, selbst wenn es Ihnen
ein Opfer und eine Selbstüberwindung sein sollte, zusammen mit ihnen daran
teilzunehmen. Zwingen Sie sich dazu, an einem Winterabend nach beendeten
Tagewerk zu einer Kartenpartie zu gehen. Erquicken Sie sich wie andre Männer
an einem Glase Punsch, das aus gutem Herzen gebraut ist. Ich sagte vorhin
im Scherz zu Thorborg, sie solle Sie die Tanzschritte lehren. Ich scherze gern,
aber ein wenig Ernst lag nun doch auch darin, kein Klioäus, tun Laltal"

Der Bischof schwieg. Er wanderte noch immer im Zimmer auf und nieder
und, als verfolge er seinen Gedankengang, nickte er auf einmal vor sich hin und
sagte: "Ja -- ja! Ja -- ja!"

Sören Römer saß schweigend mit gesenktem Kopf da.

Da wandte sich der Bischof mit einem hellen Lachen um:

"Ja, also Ihr Bischof erteilt Ihnen folgende Ratschläge: Lernen Sie Punsch
trinken, Karten spielen -- und auch gern von Jungfer Thorborg Polka tanzen!
Und nun, denke ich, gehen wir zu den Frauen hinein und spionieren nach etwas
Abendbrot!"

Sören Römer erhob sich.

"Ich möchte gern bei dieser Gelegenheit fragen, ob Euer Hochwürden mir
einen Text zu meiner Antrittspredigt bestimmt haben. Es ist ja nur noch so
wenig Zeit...""

"Nun -- Sie haben doch schon früher gepredigt?

"Ja, einige Male -- als Student in Christiania. .."

"Na ja! Dann wärmen Sie eine von Ihren alten Predigten auf, dann ist
die Sache in Ordnung!"

"Aber -- dann -- mein Bischofexamen . . .?"

"Ach das? Wir können ja sagen, daß wir unser Bischofexamen jetzt abgehalten
haben! Dann ist das abgemacht. Ein andermal können Sie mich Neues von dem
fernen Zentrum der Wissenschaft lehren! Jetzt haben Sie Neues von einem alten
Nordlandprediger gelernt. Das kann in all seiner Geringhcit als Ihr Bischof¬
examen gelten!"




l^onsetzuiui folgt.)




Durch Freundschaft werden Sie eine große und nützliche Wirksamkeit in der
Gemeinde ausüben können, zu der Sie berufen sind. Ohne Freundschaftlichkeit
wird Ihre Rede verwehen wie die Stimme in der Wüste. Und daher müssen
Sie sich den Sitten und Gebräuchen dieser Menschen nicht fremd gegenüberstellen,
Sie dürfen nicht die Furcht in ihnen aufkommen lassen, daß Sie ihre wenigen
und seltenen Freuden mißbilligen. Versuchen Sie lieber, selbst wenn es Ihnen
ein Opfer und eine Selbstüberwindung sein sollte, zusammen mit ihnen daran
teilzunehmen. Zwingen Sie sich dazu, an einem Winterabend nach beendeten
Tagewerk zu einer Kartenpartie zu gehen. Erquicken Sie sich wie andre Männer
an einem Glase Punsch, das aus gutem Herzen gebraut ist. Ich sagte vorhin
im Scherz zu Thorborg, sie solle Sie die Tanzschritte lehren. Ich scherze gern,
aber ein wenig Ernst lag nun doch auch darin, kein Klioäus, tun Laltal"

Der Bischof schwieg. Er wanderte noch immer im Zimmer auf und nieder
und, als verfolge er seinen Gedankengang, nickte er auf einmal vor sich hin und
sagte: „Ja — ja! Ja — ja!"

Sören Römer saß schweigend mit gesenktem Kopf da.

Da wandte sich der Bischof mit einem hellen Lachen um:

„Ja, also Ihr Bischof erteilt Ihnen folgende Ratschläge: Lernen Sie Punsch
trinken, Karten spielen — und auch gern von Jungfer Thorborg Polka tanzen!
Und nun, denke ich, gehen wir zu den Frauen hinein und spionieren nach etwas
Abendbrot!"

Sören Römer erhob sich.

„Ich möchte gern bei dieser Gelegenheit fragen, ob Euer Hochwürden mir
einen Text zu meiner Antrittspredigt bestimmt haben. Es ist ja nur noch so
wenig Zeit...""

„Nun — Sie haben doch schon früher gepredigt?

„Ja, einige Male — als Student in Christiania. .."

„Na ja! Dann wärmen Sie eine von Ihren alten Predigten auf, dann ist
die Sache in Ordnung!"

„Aber — dann — mein Bischofexamen . . .?"

„Ach das? Wir können ja sagen, daß wir unser Bischofexamen jetzt abgehalten
haben! Dann ist das abgemacht. Ein andermal können Sie mich Neues von dem
fernen Zentrum der Wissenschaft lehren! Jetzt haben Sie Neues von einem alten
Nordlandprediger gelernt. Das kann in all seiner Geringhcit als Ihr Bischof¬
examen gelten!"




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/332>, abgerufen am 22.12.2024.