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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Runstfälschungen

dann kann ich das Bild für fünfhundert Franken verkaufen; schreibe ich aber
meinen Rainen darauf, so muß ich froh sein, wenn man mir fünfzig gibt."
Und der wackere Altmeister malte richtig die fünf Buchstaben hin, die den Wert
des Bildes verzehnfachten. Nun frage ich Sie: wie in aller Welt soll jetzt ein
sogenannter Sachverständiger die echten von den unechten Corots unterscheiden?
Kein Mensch ist dazu imstande, denn aliquanäo äarmitat bonn8 ttomemZ.
Corot und alle anderen bekannten Künstler haben nicht nur Meisterwerke, sondern
auch weniger gute und auch mittelmäßige Werke geschaffen. Ob so ein weniger
guter Corot nun echt oder unecht ist, das kann niemals anders als durch
dokumentarische Beweise entschieden werden, die mit dem eigentlichen Kunstwerte
des Werkes gar nichts zu tun haben.

Und da wir gerade an Corot sind, sei an die berühmte Geschichte erinnert,
deren Held Alexander Dumas der Jüngere ^war. Dumas war ein aus¬
gezeichneter Kenner und hatte eine herrliche Sammlung. Eines Tages kaufte
er einen der schönsten Corots, die seit Jahren unter den Hammer gekommen
waren. Nur der Rahmen gefiel ihm nicht, und er berief einen wackeren Hand¬
werksmeister, der einen neuen Rahmen anfertigen sollte. Der Mann kam, sah
das Bild und meinte, der Rahmen sei doch recht gut, er habe ja auch dem
Herrn Trouillebert sehr gefallen.

"Trouillebert? Was geht mich Trouillebert an?" sagte Dumas, aber der
Mann des Rahmens erwiderte etwas gereizt und auch verwundert:

"Na, der Mann, der das Bild gemalt hat, der wird doch auch wissen,
ob ein Rahmen dazu paßt oder nicht!"

Ein Wort gab das andere, es stellte sich heraus, daß dieses nämliche
Bild, damals aber nicht die Unterschrift Corot, sondern die des völlig unbekannten
Malers Trouillebert tragend, von diesem nämlichen Rahmenmacher auf Be¬
stellung des genannten Trouillebert eingerahmt worden war. Man eilte zu
Trouillebert, erbeschaute das Bild, erklärte es für seine Arbeit, verlangte einen
Lappen und etwas Alkohol und wusch damit in der Ecke, wo "Corot" stand,
diesen Namen und die Farbenschicht darunter weg, worauf der Name Trouillebert
zum Vorschein kam. Nicht nur Dumas, sondern einige der gewiegtesten Pariser
Kunsthändler, deren guter Glauben in diesem Falle unbestreitbar war, hatten
sich täuschen lassei: und das Bild eines bis dahin Unbekannten für ein Meister¬
werk Corots gehalten. Trouillebert, der an dein Betrüge ganz unschuldig war,
wurde durch diese Geschichte bekannt und konnte nachmals auch unter dem
eignen Namen Bilder an den Mann bringen, Dumas aber zeigte, daß er
wie alle anderen sogenannten Kenner -- die verschwindend wenigen Ausnahmen
bestärken die Regel -- nicht das Werk, sondern den Namen und die Etikette kaufte,
deun er zwang den Verkäufer, den Trouillebert zurückzunehmen: sobald feststand,
daß das Bild nicht von dem berühmten Manne gemalt war, war es nichts
mehr wert.


Grenzboten I 1910 3
Runstfälschungen

dann kann ich das Bild für fünfhundert Franken verkaufen; schreibe ich aber
meinen Rainen darauf, so muß ich froh sein, wenn man mir fünfzig gibt."
Und der wackere Altmeister malte richtig die fünf Buchstaben hin, die den Wert
des Bildes verzehnfachten. Nun frage ich Sie: wie in aller Welt soll jetzt ein
sogenannter Sachverständiger die echten von den unechten Corots unterscheiden?
Kein Mensch ist dazu imstande, denn aliquanäo äarmitat bonn8 ttomemZ.
Corot und alle anderen bekannten Künstler haben nicht nur Meisterwerke, sondern
auch weniger gute und auch mittelmäßige Werke geschaffen. Ob so ein weniger
guter Corot nun echt oder unecht ist, das kann niemals anders als durch
dokumentarische Beweise entschieden werden, die mit dem eigentlichen Kunstwerte
des Werkes gar nichts zu tun haben.

Und da wir gerade an Corot sind, sei an die berühmte Geschichte erinnert,
deren Held Alexander Dumas der Jüngere ^war. Dumas war ein aus¬
gezeichneter Kenner und hatte eine herrliche Sammlung. Eines Tages kaufte
er einen der schönsten Corots, die seit Jahren unter den Hammer gekommen
waren. Nur der Rahmen gefiel ihm nicht, und er berief einen wackeren Hand¬
werksmeister, der einen neuen Rahmen anfertigen sollte. Der Mann kam, sah
das Bild und meinte, der Rahmen sei doch recht gut, er habe ja auch dem
Herrn Trouillebert sehr gefallen.

„Trouillebert? Was geht mich Trouillebert an?" sagte Dumas, aber der
Mann des Rahmens erwiderte etwas gereizt und auch verwundert:

„Na, der Mann, der das Bild gemalt hat, der wird doch auch wissen,
ob ein Rahmen dazu paßt oder nicht!"

Ein Wort gab das andere, es stellte sich heraus, daß dieses nämliche
Bild, damals aber nicht die Unterschrift Corot, sondern die des völlig unbekannten
Malers Trouillebert tragend, von diesem nämlichen Rahmenmacher auf Be¬
stellung des genannten Trouillebert eingerahmt worden war. Man eilte zu
Trouillebert, erbeschaute das Bild, erklärte es für seine Arbeit, verlangte einen
Lappen und etwas Alkohol und wusch damit in der Ecke, wo „Corot" stand,
diesen Namen und die Farbenschicht darunter weg, worauf der Name Trouillebert
zum Vorschein kam. Nicht nur Dumas, sondern einige der gewiegtesten Pariser
Kunsthändler, deren guter Glauben in diesem Falle unbestreitbar war, hatten
sich täuschen lassei: und das Bild eines bis dahin Unbekannten für ein Meister¬
werk Corots gehalten. Trouillebert, der an dein Betrüge ganz unschuldig war,
wurde durch diese Geschichte bekannt und konnte nachmals auch unter dem
eignen Namen Bilder an den Mann bringen, Dumas aber zeigte, daß er
wie alle anderen sogenannten Kenner — die verschwindend wenigen Ausnahmen
bestärken die Regel — nicht das Werk, sondern den Namen und die Etikette kaufte,
deun er zwang den Verkäufer, den Trouillebert zurückzunehmen: sobald feststand,
daß das Bild nicht von dem berühmten Manne gemalt war, war es nichts
mehr wert.


Grenzboten I 1910 3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/29>, abgerufen am 22.12.2024.