Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches stark, daß sie glauben, die Führung der konservativen Partei übernehmen zu Im Reichstag sind die Etatsberatungen zum Kolonialetat und deren zum In der auswärtigen Politik stehen die englischen Wahlen, die jetzt fast Viel mehr als die Sorgen der europäischen Politik werden uns jetzt unsre In der Kolonialpolitik ^ konzentriert sich im Augenblick das allgemeine Maßgebliches und Unmaßgebliches stark, daß sie glauben, die Führung der konservativen Partei übernehmen zu Im Reichstag sind die Etatsberatungen zum Kolonialetat und deren zum In der auswärtigen Politik stehen die englischen Wahlen, die jetzt fast Viel mehr als die Sorgen der europäischen Politik werden uns jetzt unsre In der Kolonialpolitik ^ konzentriert sich im Augenblick das allgemeine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0247" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315244"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_966" prev="#ID_965"> stark, daß sie glauben, die Führung der konservativen Partei übernehmen zu<lb/> können. Sollte sich ihre Absicht verwirklichen, so müßten wir das als ein<lb/> nationales Unglück bezeichnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_967"> Im Reichstag sind die Etatsberatungen zum Kolonialetat und deren zum<lb/> Militäretat vorgeschritten, und Staatssekretär Dernburg hat bei der Begründung seiner<lb/> Diamantenpolitik einen wohlverdienten Erfolg in der seltenen Einmütigkeit allerbürger-<lb/> lichen Parteien davongetragen. Leider hat es den Anschein,als ob alsOpfer des darüber<lb/> zwischen dem Kolonialamt und der Bevölkerung von Lüderitzbucht geführten Streits der<lb/> verdiente Gouverneur v. Schuckmaun ans der Strecke bleiben würde. Das wäre<lb/> um so tiefer zu bedauern, als Männer dieser Art nicht eben häufig zu finden sind.<lb/> Solche Männer müßten gehalten werden, auch wenn sie einmal etwas getan<lb/> haben, was ihnen nach heimischer Beamtentradition als Verstoß gegen die allein<lb/> seligmachende Korrektheit angerechnet werden könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_968"> In der auswärtigen Politik stehen die englischen Wahlen, die jetzt fast<lb/> beendigt sind, noch im Mittelpunkt des Interesses. Die Unionisten haben eine<lb/> Reihe von Siegen erfochten, doch kann man jetzt als feststehend ansehen, daß die<lb/> Liberalen ihre Mehrheit gerettet haben, wenn sie auch künftig nur eine verhältnis¬<lb/> mäßig knappe Mehrheit ohne die irischen Nationalisten sein wird. Man darf nun<lb/> wohl hoffen, daß in die öffentliche Meinung Englands eine beruhigtere Stimmung<lb/> gegenüber Deutschland einziehen wird. Neuerdings sind wieder Einflüsse tätig<lb/> gewesen, um zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn Verstimmungen hervor¬<lb/> zurufen. Glücklicherweise hat man dazu sehr ungeschickte Mittel gewählt, nämlich<lb/> allerlei persönlichen Klatsch, der sein Ziel verfehlen mußte, weil ihm der ganzen<lb/> Lage der Sache nach die sofortige Aufklärung und Aussprache auf dem Fuße<lb/> folgte. Der alte Schadenstifter Wcsselitzki, Korrespondent der Nowoje Wremja in<lb/> London, hat sich in seiner Art bemerkbar gemacht, indem er auf die Witterung<lb/> einer österreich-russischen Annäherung hin ein Interview beim Grafen Aehrenthal<lb/> erbat und den vollkommen korrekten Äußerungen des österreichischen Staatsmannes,<lb/> die noch dazu auf den in Berlin längst bekannten Tatsachen fußten, eine deutsch¬<lb/> feindliche Spitze zu geben suchte, — eine Sache, die, wenn sie nicht auf eine ganz<lb/> c>ewöhnliche Dummheit hinauslaufen sollte, zum wenigsten einer geschicktem Hand<lb/> erforderte als die des Herrn Wcsselitzki.</p><lb/> <p xml:id="ID_969"> Viel mehr als die Sorgen der europäischen Politik werden uns jetzt unsre<lb/> Handelspolitischeu Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika beschäftigen.<lb/> Doch sehen wir jetzt noch leine Klärung in dieser Angelegenheit und werden uns<lb/> das für künftige Betrachtungen vorbehalten müssen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> In der Kolonialpolitik</head> <p xml:id="ID_970" next="#ID_971"> ^ konzentriert sich im Augenblick das allgemeine<lb/> Interesse auf die Diamanten — die leidigen Diamanten möchte man am liebsten<lb/> sagen, dem: von den Irrungen und Wirrungen, die sie mit sich gebracht haben,<lb/> 'se manches nicht wieder gut zu machen. Während sonst um diese Zeit alles sich<lb/> um den Etat und um die Jahresberichte über die Entwicklung der Kolonien drehte<lb/> und Eisenbahnvorlagen wie die neuesten das helle Entzücken jedes Kolonialfreundes<lb/> erregt hätten, ist dies alles gegenüber dem Streit um die Diamanten in den<lb/> Hintergrund getreten. Nach den schon im letzten Heft erwähnten Borgängen in<lb/> der Budgetkommission des Reichstags schien sich alles in Wohlgefallen auflösen zu<lb/> wollen und Staatssekretär Dernburg schien dank der taktischen Fehler seiner Gegner<lb/> und seiner eigenen zweifellosen Sachkenntnis und Kaltblütigkeit glänzend gerecht-<lb/> fertigt aus den Verhandlungen hervorzugehen. Dann aber muß ihn sein guter Geist<lb/> verlassen haben. Der Vertrag mit der Kolonialgesellschaft für Südwestafrika, den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0247]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
stark, daß sie glauben, die Führung der konservativen Partei übernehmen zu
können. Sollte sich ihre Absicht verwirklichen, so müßten wir das als ein
nationales Unglück bezeichnen.
Im Reichstag sind die Etatsberatungen zum Kolonialetat und deren zum
Militäretat vorgeschritten, und Staatssekretär Dernburg hat bei der Begründung seiner
Diamantenpolitik einen wohlverdienten Erfolg in der seltenen Einmütigkeit allerbürger-
lichen Parteien davongetragen. Leider hat es den Anschein,als ob alsOpfer des darüber
zwischen dem Kolonialamt und der Bevölkerung von Lüderitzbucht geführten Streits der
verdiente Gouverneur v. Schuckmaun ans der Strecke bleiben würde. Das wäre
um so tiefer zu bedauern, als Männer dieser Art nicht eben häufig zu finden sind.
Solche Männer müßten gehalten werden, auch wenn sie einmal etwas getan
haben, was ihnen nach heimischer Beamtentradition als Verstoß gegen die allein
seligmachende Korrektheit angerechnet werden könnte.
In der auswärtigen Politik stehen die englischen Wahlen, die jetzt fast
beendigt sind, noch im Mittelpunkt des Interesses. Die Unionisten haben eine
Reihe von Siegen erfochten, doch kann man jetzt als feststehend ansehen, daß die
Liberalen ihre Mehrheit gerettet haben, wenn sie auch künftig nur eine verhältnis¬
mäßig knappe Mehrheit ohne die irischen Nationalisten sein wird. Man darf nun
wohl hoffen, daß in die öffentliche Meinung Englands eine beruhigtere Stimmung
gegenüber Deutschland einziehen wird. Neuerdings sind wieder Einflüsse tätig
gewesen, um zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn Verstimmungen hervor¬
zurufen. Glücklicherweise hat man dazu sehr ungeschickte Mittel gewählt, nämlich
allerlei persönlichen Klatsch, der sein Ziel verfehlen mußte, weil ihm der ganzen
Lage der Sache nach die sofortige Aufklärung und Aussprache auf dem Fuße
folgte. Der alte Schadenstifter Wcsselitzki, Korrespondent der Nowoje Wremja in
London, hat sich in seiner Art bemerkbar gemacht, indem er auf die Witterung
einer österreich-russischen Annäherung hin ein Interview beim Grafen Aehrenthal
erbat und den vollkommen korrekten Äußerungen des österreichischen Staatsmannes,
die noch dazu auf den in Berlin längst bekannten Tatsachen fußten, eine deutsch¬
feindliche Spitze zu geben suchte, — eine Sache, die, wenn sie nicht auf eine ganz
c>ewöhnliche Dummheit hinauslaufen sollte, zum wenigsten einer geschicktem Hand
erforderte als die des Herrn Wcsselitzki.
Viel mehr als die Sorgen der europäischen Politik werden uns jetzt unsre
Handelspolitischeu Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika beschäftigen.
Doch sehen wir jetzt noch leine Klärung in dieser Angelegenheit und werden uns
das für künftige Betrachtungen vorbehalten müssen.
In der Kolonialpolitik ^ konzentriert sich im Augenblick das allgemeine
Interesse auf die Diamanten — die leidigen Diamanten möchte man am liebsten
sagen, dem: von den Irrungen und Wirrungen, die sie mit sich gebracht haben,
'se manches nicht wieder gut zu machen. Während sonst um diese Zeit alles sich
um den Etat und um die Jahresberichte über die Entwicklung der Kolonien drehte
und Eisenbahnvorlagen wie die neuesten das helle Entzücken jedes Kolonialfreundes
erregt hätten, ist dies alles gegenüber dem Streit um die Diamanten in den
Hintergrund getreten. Nach den schon im letzten Heft erwähnten Borgängen in
der Budgetkommission des Reichstags schien sich alles in Wohlgefallen auflösen zu
wollen und Staatssekretär Dernburg schien dank der taktischen Fehler seiner Gegner
und seiner eigenen zweifellosen Sachkenntnis und Kaltblütigkeit glänzend gerecht-
fertigt aus den Verhandlungen hervorzugehen. Dann aber muß ihn sein guter Geist
verlassen haben. Der Vertrag mit der Kolonialgesellschaft für Südwestafrika, den
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