Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Aunstfälschungen von Uarl Lügen Schmidt,

HD?
WAUr leben in der Zeit der Etikette, und das allein ist die Ursache
kalter Kunstfälschungen, die die Öffentlichkeit beunruhigen oder
lamüsieren. Vor tausend Jahren kümmerte man sich wenig darum,
Iwie der Urheber eines Kunstwerkes hieß. Man fragte nur danach,
'ob die Arbeit ihren Zweck erfüllte und hätte den Maler, Bild¬
hauer oder Baumeister ausgelacht, der seinen Werken seinen Namen beigefügt
hätte. Heute aber ist der Name alles. Bode hat in England eine wunder¬
schöne Wachsbüste gekauft, und die meisten geben zu, daß sie in der Tat
wunderschön ist. Was will mau mehr? Wenn sie wunderschön ist, so hat man
sie nicht zu teuer bezahlt, denn wunderschöne Kunstwerke haben überhaupt keinen
Marktwert, werden überhaupt niemals zu teuer bezahlt. Aber wir fragen den
Teufel nach der Schönheit. Die Echtheit der Etikette und des Namens ist alles
für uns. Sie allein gibt den Ausschlag. Wenn die Etikette falsch ist, dann mag
die Arbeit die herrlichste von der Welt sein, wir wollen sie nicht, und böte
man sie uns für weniger als den Materialpreis.

Aus dieser verrückten Disposition entspringen alle unsere Kunstfülschungen.
Sobald wir einmal eingestehen, daß es nicht auf die Schönheit des Kunstwerkes,
sondern einzig und allein auf die ihm beigegebene Etikette ankommt, sind dem
Fälscher Tür und Tor geöffnet. Denn Namen und Etiketten sind sehr leicht
nachzumachen, das Räuspern und Spucken der Meister bringt jeder Affe von
Schiller fertig, und es gibt keinen akademischen Malerlehrling, der nicht einen
falschen Teniers, Steen oder auch Rembrandt malen könnte. Werke von
unsterblicher Schönheit gelingen nur wenigen Sterblichen, die Manier eines
Großen nachzuahmen ist fast alleu kleinen oder mittelmäßigen Geistern gegeben.
Und an der Manier erkennt das große Publikum den Meister, an den kleinen
und nebensächlichen Eigentümlichkeiten bestimmt auch der Sachverständige den
Urheber eines Kunstwerkes. Nicht der Schönheitswert entscheidet, sondern irgend
ein Nebenumstand, der die Echtheit beglaubigt. Hat es seine Richtigkeit mit
diesem Nebenumstand, so ist das Werk echt und darf bewundert und gepriesen
werden; läuft aber dieser Nebenumstand der festgelegten Eigentümlichkeit des
Meisters zuwider, so mag das Werk das herrlichste von der Welt sein: es ist
keine drei Groschen wert, und wer es zu bewundern wagt, ist ein Nichtwisser,
ein Banause und ein armseliger Ignorant.




Aunstfälschungen von Uarl Lügen Schmidt,

HD?
WAUr leben in der Zeit der Etikette, und das allein ist die Ursache
kalter Kunstfälschungen, die die Öffentlichkeit beunruhigen oder
lamüsieren. Vor tausend Jahren kümmerte man sich wenig darum,
Iwie der Urheber eines Kunstwerkes hieß. Man fragte nur danach,
'ob die Arbeit ihren Zweck erfüllte und hätte den Maler, Bild¬
hauer oder Baumeister ausgelacht, der seinen Werken seinen Namen beigefügt
hätte. Heute aber ist der Name alles. Bode hat in England eine wunder¬
schöne Wachsbüste gekauft, und die meisten geben zu, daß sie in der Tat
wunderschön ist. Was will mau mehr? Wenn sie wunderschön ist, so hat man
sie nicht zu teuer bezahlt, denn wunderschöne Kunstwerke haben überhaupt keinen
Marktwert, werden überhaupt niemals zu teuer bezahlt. Aber wir fragen den
Teufel nach der Schönheit. Die Echtheit der Etikette und des Namens ist alles
für uns. Sie allein gibt den Ausschlag. Wenn die Etikette falsch ist, dann mag
die Arbeit die herrlichste von der Welt sein, wir wollen sie nicht, und böte
man sie uns für weniger als den Materialpreis.

Aus dieser verrückten Disposition entspringen alle unsere Kunstfülschungen.
Sobald wir einmal eingestehen, daß es nicht auf die Schönheit des Kunstwerkes,
sondern einzig und allein auf die ihm beigegebene Etikette ankommt, sind dem
Fälscher Tür und Tor geöffnet. Denn Namen und Etiketten sind sehr leicht
nachzumachen, das Räuspern und Spucken der Meister bringt jeder Affe von
Schiller fertig, und es gibt keinen akademischen Malerlehrling, der nicht einen
falschen Teniers, Steen oder auch Rembrandt malen könnte. Werke von
unsterblicher Schönheit gelingen nur wenigen Sterblichen, die Manier eines
Großen nachzuahmen ist fast alleu kleinen oder mittelmäßigen Geistern gegeben.
Und an der Manier erkennt das große Publikum den Meister, an den kleinen
und nebensächlichen Eigentümlichkeiten bestimmt auch der Sachverständige den
Urheber eines Kunstwerkes. Nicht der Schönheitswert entscheidet, sondern irgend
ein Nebenumstand, der die Echtheit beglaubigt. Hat es seine Richtigkeit mit
diesem Nebenumstand, so ist das Werk echt und darf bewundert und gepriesen
werden; läuft aber dieser Nebenumstand der festgelegten Eigentümlichkeit des
Meisters zuwider, so mag das Werk das herrlichste von der Welt sein: es ist
keine drei Groschen wert, und wer es zu bewundern wagt, ist ein Nichtwisser,
ein Banause und ein armseliger Ignorant.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315021"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341891_314996/figures/grenzboten_341891_314996_315021_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aunstfälschungen <note type="byline"> von Uarl Lügen Schmidt,</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_43"> HD?<lb/>
WAUr leben in der Zeit der Etikette, und das allein ist die Ursache<lb/>
kalter Kunstfälschungen, die die Öffentlichkeit beunruhigen oder<lb/>
lamüsieren. Vor tausend Jahren kümmerte man sich wenig darum,<lb/>
Iwie der Urheber eines Kunstwerkes hieß. Man fragte nur danach,<lb/>
'ob die Arbeit ihren Zweck erfüllte und hätte den Maler, Bild¬<lb/>
hauer oder Baumeister ausgelacht, der seinen Werken seinen Namen beigefügt<lb/>
hätte. Heute aber ist der Name alles. Bode hat in England eine wunder¬<lb/>
schöne Wachsbüste gekauft, und die meisten geben zu, daß sie in der Tat<lb/>
wunderschön ist. Was will mau mehr? Wenn sie wunderschön ist, so hat man<lb/>
sie nicht zu teuer bezahlt, denn wunderschöne Kunstwerke haben überhaupt keinen<lb/>
Marktwert, werden überhaupt niemals zu teuer bezahlt. Aber wir fragen den<lb/>
Teufel nach der Schönheit. Die Echtheit der Etikette und des Namens ist alles<lb/>
für uns. Sie allein gibt den Ausschlag. Wenn die Etikette falsch ist, dann mag<lb/>
die Arbeit die herrlichste von der Welt sein, wir wollen sie nicht, und böte<lb/>
man sie uns für weniger als den Materialpreis.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_44"> Aus dieser verrückten Disposition entspringen alle unsere Kunstfülschungen.<lb/>
Sobald wir einmal eingestehen, daß es nicht auf die Schönheit des Kunstwerkes,<lb/>
sondern einzig und allein auf die ihm beigegebene Etikette ankommt, sind dem<lb/>
Fälscher Tür und Tor geöffnet. Denn Namen und Etiketten sind sehr leicht<lb/>
nachzumachen, das Räuspern und Spucken der Meister bringt jeder Affe von<lb/>
Schiller fertig, und es gibt keinen akademischen Malerlehrling, der nicht einen<lb/>
falschen Teniers, Steen oder auch Rembrandt malen könnte. Werke von<lb/>
unsterblicher Schönheit gelingen nur wenigen Sterblichen, die Manier eines<lb/>
Großen nachzuahmen ist fast alleu kleinen oder mittelmäßigen Geistern gegeben.<lb/>
Und an der Manier erkennt das große Publikum den Meister, an den kleinen<lb/>
und nebensächlichen Eigentümlichkeiten bestimmt auch der Sachverständige den<lb/>
Urheber eines Kunstwerkes. Nicht der Schönheitswert entscheidet, sondern irgend<lb/>
ein Nebenumstand, der die Echtheit beglaubigt. Hat es seine Richtigkeit mit<lb/>
diesem Nebenumstand, so ist das Werk echt und darf bewundert und gepriesen<lb/>
werden; läuft aber dieser Nebenumstand der festgelegten Eigentümlichkeit des<lb/>
Meisters zuwider, so mag das Werk das herrlichste von der Welt sein: es ist<lb/>
keine drei Groschen wert, und wer es zu bewundern wagt, ist ein Nichtwisser,<lb/>
ein Banause und ein armseliger Ignorant.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] [Abbildung] Aunstfälschungen von Uarl Lügen Schmidt, HD? WAUr leben in der Zeit der Etikette, und das allein ist die Ursache kalter Kunstfälschungen, die die Öffentlichkeit beunruhigen oder lamüsieren. Vor tausend Jahren kümmerte man sich wenig darum, Iwie der Urheber eines Kunstwerkes hieß. Man fragte nur danach, 'ob die Arbeit ihren Zweck erfüllte und hätte den Maler, Bild¬ hauer oder Baumeister ausgelacht, der seinen Werken seinen Namen beigefügt hätte. Heute aber ist der Name alles. Bode hat in England eine wunder¬ schöne Wachsbüste gekauft, und die meisten geben zu, daß sie in der Tat wunderschön ist. Was will mau mehr? Wenn sie wunderschön ist, so hat man sie nicht zu teuer bezahlt, denn wunderschöne Kunstwerke haben überhaupt keinen Marktwert, werden überhaupt niemals zu teuer bezahlt. Aber wir fragen den Teufel nach der Schönheit. Die Echtheit der Etikette und des Namens ist alles für uns. Sie allein gibt den Ausschlag. Wenn die Etikette falsch ist, dann mag die Arbeit die herrlichste von der Welt sein, wir wollen sie nicht, und böte man sie uns für weniger als den Materialpreis. Aus dieser verrückten Disposition entspringen alle unsere Kunstfülschungen. Sobald wir einmal eingestehen, daß es nicht auf die Schönheit des Kunstwerkes, sondern einzig und allein auf die ihm beigegebene Etikette ankommt, sind dem Fälscher Tür und Tor geöffnet. Denn Namen und Etiketten sind sehr leicht nachzumachen, das Räuspern und Spucken der Meister bringt jeder Affe von Schiller fertig, und es gibt keinen akademischen Malerlehrling, der nicht einen falschen Teniers, Steen oder auch Rembrandt malen könnte. Werke von unsterblicher Schönheit gelingen nur wenigen Sterblichen, die Manier eines Großen nachzuahmen ist fast alleu kleinen oder mittelmäßigen Geistern gegeben. Und an der Manier erkennt das große Publikum den Meister, an den kleinen und nebensächlichen Eigentümlichkeiten bestimmt auch der Sachverständige den Urheber eines Kunstwerkes. Nicht der Schönheitswert entscheidet, sondern irgend ein Nebenumstand, der die Echtheit beglaubigt. Hat es seine Richtigkeit mit diesem Nebenumstand, so ist das Werk echt und darf bewundert und gepriesen werden; läuft aber dieser Nebenumstand der festgelegten Eigentümlichkeit des Meisters zuwider, so mag das Werk das herrlichste von der Welt sein: es ist keine drei Groschen wert, und wer es zu bewundern wagt, ist ein Nichtwisser, ein Banause und ein armseliger Ignorant.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/24
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/24>, abgerufen am 04.07.2024.