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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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suchen und zu regeln, sondern sie mußten ihre Aufmerksamkeit auf alles richten,
was zur Förderung der Interessen des Staats und der Allgemeinheit dienen
konnte. Daneben hatten die Vorgesetzten auf ihren Reisen die Geschäftsführung
der ihnen unterstellten Behörden und Beamten regelmäßig genan zu prüfen
und zu überwachen. Diese so gewonnenen Orts- und Personalkenntnisse sollten
vor allein anch weitgehenden Anregungen des Staats und seiner Organe zur
Hebung der Volkswirtschaft dienen, und wehe dem Beamten, der ans diesem
Gebiet keine Leistungen aufweisen konnte!

Gerren seiner gelegentlich ausgesprochenen Überzeugung, daß Kenntnis der
Örtlichkeit die Seele des Dienstes sei, hat Stein dafür gesorgt, daß diese
Verwaltungsgrundsätze des alten Staats in die von ihm beeinflußten Instruktionen
von 1808 übergingen, aus denen sie dann in die spätern Geschäftsinstruktionen
übernommen wurden. So heißt es in der Instruktion für die Oberpräsidenten
von 1817: "Es ist überhaupt unser Wille, daß die Tätigkeit der Ober¬
präsidenten sich mehr auf eigne Anschauung und örtliche Untersuchung, als auf
tote Berichterstattung gründen soll, und wir machen es ihnen zur besondern
Pflicht, alle Jahre wenigstens einmal die ganze Provinz zu bereisen." Die
jetzt geltende Instruktion vom 31. Dezember 1825 enthält eine solche Bestimmung
allerdings nicht mehr, aber sie schreibt den Oberpräsidenten vor, "die Verwaltung
im ganzen zu beobachten, deren Gang vorzüglich durch öftere Gegenwart und
durch Beiwohnung der Sitzungen der ihnen unterstellten Behörden kennen zu
lernen und ans diesem Wege besonders sür die Übereinstimmung der Verwaltungs-
grundsätze und die Konsequenz der Ausführungsmaßregeln zu wirken", also
auch sie verlangt wenigstens stillschweigend planmäßiges Reisen und Studieren.
Und wenn man sich vor Augen hält, welche Ortskenntnisse nach Treitschke die
Oberpräsidenten Vincke, Schön und Bassewitz besaßen, dann sind diese Vor¬
schriften nicht auf unfruchtbare" Boden gefallen. Noch ausführlicher ist die
immer noch geltende Negierungsinstruktion vom 23. Oktober 1817. Sie bestimmt,
daß der Präsident und die Abteilungsdirigenten alljährlich nach näherer An¬
ordnung des Präsidenten einen Teil des Regierungsbezirks zu bereisen hätten,
"nicht nur, um sich Orts- und Personalkenntnis zu erwerben, sondern auch,
um die Dieustführuug der Unterbehörden und Departementsräte öd. h. der
Mitglieder der Negierung) an Ort und Stelle zu prüfen". Auch die Departements-
räte mußten jährlich einen Teil ihres Departements, die Domänenräte aber
ihr ganzes Departement bereisen. Dabei waren sie u. a. befugt und schuldig,
die Dienstführung der Kreis- und Ortsbehörden in den Angelegenheiten ihres
Departements, sowie die von der Negierung abhängigen Kreis- und Ortskassen
zu revidieren. Wie man sieht, handelt es sich dabei überall nicht bloß um die
Erledigung einzelner Geschäfte, sondern um planmäßiges Studium von Land
und Leuten. Diesem Zweck entspricht es, daß der Präsident und die
Abteilungsdirigenten das Ergebnis ihrer Reisen schriftlich niederlegen, die
Departemeutsräte aber vollständige Reisetagebücher führen mußten. Diese Nieder-


suchen und zu regeln, sondern sie mußten ihre Aufmerksamkeit auf alles richten,
was zur Förderung der Interessen des Staats und der Allgemeinheit dienen
konnte. Daneben hatten die Vorgesetzten auf ihren Reisen die Geschäftsführung
der ihnen unterstellten Behörden und Beamten regelmäßig genan zu prüfen
und zu überwachen. Diese so gewonnenen Orts- und Personalkenntnisse sollten
vor allein anch weitgehenden Anregungen des Staats und seiner Organe zur
Hebung der Volkswirtschaft dienen, und wehe dem Beamten, der ans diesem
Gebiet keine Leistungen aufweisen konnte!

Gerren seiner gelegentlich ausgesprochenen Überzeugung, daß Kenntnis der
Örtlichkeit die Seele des Dienstes sei, hat Stein dafür gesorgt, daß diese
Verwaltungsgrundsätze des alten Staats in die von ihm beeinflußten Instruktionen
von 1808 übergingen, aus denen sie dann in die spätern Geschäftsinstruktionen
übernommen wurden. So heißt es in der Instruktion für die Oberpräsidenten
von 1817: „Es ist überhaupt unser Wille, daß die Tätigkeit der Ober¬
präsidenten sich mehr auf eigne Anschauung und örtliche Untersuchung, als auf
tote Berichterstattung gründen soll, und wir machen es ihnen zur besondern
Pflicht, alle Jahre wenigstens einmal die ganze Provinz zu bereisen." Die
jetzt geltende Instruktion vom 31. Dezember 1825 enthält eine solche Bestimmung
allerdings nicht mehr, aber sie schreibt den Oberpräsidenten vor, „die Verwaltung
im ganzen zu beobachten, deren Gang vorzüglich durch öftere Gegenwart und
durch Beiwohnung der Sitzungen der ihnen unterstellten Behörden kennen zu
lernen und ans diesem Wege besonders sür die Übereinstimmung der Verwaltungs-
grundsätze und die Konsequenz der Ausführungsmaßregeln zu wirken", also
auch sie verlangt wenigstens stillschweigend planmäßiges Reisen und Studieren.
Und wenn man sich vor Augen hält, welche Ortskenntnisse nach Treitschke die
Oberpräsidenten Vincke, Schön und Bassewitz besaßen, dann sind diese Vor¬
schriften nicht auf unfruchtbare» Boden gefallen. Noch ausführlicher ist die
immer noch geltende Negierungsinstruktion vom 23. Oktober 1817. Sie bestimmt,
daß der Präsident und die Abteilungsdirigenten alljährlich nach näherer An¬
ordnung des Präsidenten einen Teil des Regierungsbezirks zu bereisen hätten,
„nicht nur, um sich Orts- und Personalkenntnis zu erwerben, sondern auch,
um die Dieustführuug der Unterbehörden und Departementsräte öd. h. der
Mitglieder der Negierung) an Ort und Stelle zu prüfen". Auch die Departements-
räte mußten jährlich einen Teil ihres Departements, die Domänenräte aber
ihr ganzes Departement bereisen. Dabei waren sie u. a. befugt und schuldig,
die Dienstführung der Kreis- und Ortsbehörden in den Angelegenheiten ihres
Departements, sowie die von der Negierung abhängigen Kreis- und Ortskassen
zu revidieren. Wie man sieht, handelt es sich dabei überall nicht bloß um die
Erledigung einzelner Geschäfte, sondern um planmäßiges Studium von Land
und Leuten. Diesem Zweck entspricht es, daß der Präsident und die
Abteilungsdirigenten das Ergebnis ihrer Reisen schriftlich niederlegen, die
Departemeutsräte aber vollständige Reisetagebücher führen mußten. Diese Nieder-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/215>, abgerufen am 04.07.2024.