Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Jasmin "Wovon?" fragte ich warm, denn die kurze gedämpfte Art seiner Rede, die "Von? -- ja, das ist nun lange, gar lange her. und -- ich muß zum Vater "So will ich Euch nicht halten, Förster," rief ich da, -- "doch seht, morgen - sah mich mit einem kurz aufleuchtenden Blick an bei meinem letzten Satz, , "Guten Abend, Förster, also auf bald!" rief ich dann noch laut, daß es wie ging; und daß ich damals seine gute, starke Seele in ihrem Zittern zart Wie einzelne, bald blasse, bald bunte Mosaikstücklein, so gab er mir langsam, Damals, vor siebzehn Jahren, als seine Laufbahn (im wahrsten Sinne des Da war die Landschaft wilder und einsamer, und nur von einzelnen Höfen " Im Juni duftete es auf eine halbe Wegstunde hin von all den Jasmin- Da wohnte der Wegwart. Der war stark und streng von Art, und in seinem Später war eine tiefe Leidenschaft über ihn gekommen zu einer schönen Das wilde Blut hatte er in sein schon festes strenges Leben gefügt. Er Jasmin „Wovon?" fragte ich warm, denn die kurze gedämpfte Art seiner Rede, die „Von? — ja, das ist nun lange, gar lange her. und — ich muß zum Vater „So will ich Euch nicht halten, Förster," rief ich da, — „doch seht, morgen - sah mich mit einem kurz aufleuchtenden Blick an bei meinem letzten Satz, , »Guten Abend, Förster, also auf bald!" rief ich dann noch laut, daß es wie ging; und daß ich damals seine gute, starke Seele in ihrem Zittern zart Wie einzelne, bald blasse, bald bunte Mosaikstücklein, so gab er mir langsam, Damals, vor siebzehn Jahren, als seine Laufbahn (im wahrsten Sinne des Da war die Landschaft wilder und einsamer, und nur von einzelnen Höfen „ Im Juni duftete es auf eine halbe Wegstunde hin von all den Jasmin- Da wohnte der Wegwart. Der war stark und streng von Art, und in seinem Später war eine tiefe Leidenschaft über ihn gekommen zu einer schönen Das wilde Blut hatte er in sein schon festes strenges Leben gefügt. 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Er ist einsam —<lb/> wie ich," setzte er leise hinzu.</p><lb/> <p xml:id="ID_631"> „So will ich Euch nicht halten, Förster," rief ich da, — „doch seht, morgen<lb/> ist Sonntag, und Ihr findet immer eine offene Halle und ein offenes Herz bei<lb/> uur . . . kommt, wenn Ihr einmal frei seid, und Ihr werdet bald finden, daß<lb/> wir Einsamen einander verstehen, ob wir nun im Hohen oder in den Niederungen<lb/> des Lebens wandern. Denn ich lebe auch einsam, wenigstens mit andern Genossen<lb/> als Menschen. Mit viel besseren, Förster, mit Büchern und Musik; in den ersten<lb/> regt die Weisheit und Fülle der Welt, und in der andern redet alles, alles<lb/> Gefühl, das wohl sonst unaussprechlich bliebe, denn für das Tiefgründigste finden<lb/> wu keine Worte ..."</p><lb/> <p xml:id="ID_632"> - sah mich mit einem kurz aufleuchtenden Blick an bei meinem letzten Satz,<lb/> °en ich mehr zu mir selbst geflüstert hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_633"> , »Guten Abend, Förster, also auf bald!" rief ich dann noch laut, daß es wie<lb/> eme fröhliche Bitte und ein frischer Gruß klang.</p><lb/> <p xml:id="ID_634"> ging; und daß ich damals seine gute, starke Seele in ihrem Zittern zart<lb/> wartend behandelt und ihn nicht gedrängt hatte, sich mir gleich zu eröffnen,<lb/> oas machte ihn zutraulich. 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Jasmin
„Wovon?" fragte ich warm, denn die kurze gedämpfte Art seiner Rede, die
von einem beherrschten, tief versenkten Schmerz zitterte, bewegte mich sehr.
„Von? — ja, das ist nun lange, gar lange her. und — ich muß zum Vater
Heini; der kennt den Weg genau, denn er war zwanzig Jahre Bote auf derselben
Strecke, — und der alte Mann ängstigt sich, wenn ich später heimkomme. Wie
gesagt, er mißt die Wegstunden genau; und seine einzige Freude ist, wenn er mir
abends so allerlei Gutes bereithält, am Herd und mit der Rede. Er ist einsam —
wie ich," setzte er leise hinzu.
„So will ich Euch nicht halten, Förster," rief ich da, — „doch seht, morgen
ist Sonntag, und Ihr findet immer eine offene Halle und ein offenes Herz bei
uur . . . kommt, wenn Ihr einmal frei seid, und Ihr werdet bald finden, daß
wir Einsamen einander verstehen, ob wir nun im Hohen oder in den Niederungen
des Lebens wandern. Denn ich lebe auch einsam, wenigstens mit andern Genossen
als Menschen. Mit viel besseren, Förster, mit Büchern und Musik; in den ersten
regt die Weisheit und Fülle der Welt, und in der andern redet alles, alles
Gefühl, das wohl sonst unaussprechlich bliebe, denn für das Tiefgründigste finden
wu keine Worte ..."
- sah mich mit einem kurz aufleuchtenden Blick an bei meinem letzten Satz,
°en ich mehr zu mir selbst geflüstert hatte.
, »Guten Abend, Förster, also auf bald!" rief ich dann noch laut, daß es wie
eme fröhliche Bitte und ein frischer Gruß klang.
ging; und daß ich damals seine gute, starke Seele in ihrem Zittern zart
wartend behandelt und ihn nicht gedrängt hatte, sich mir gleich zu eröffnen,
oas machte ihn zutraulich. Und so ließ er selbst langsam die Hüllen von seinem
Geheimnis nieder, das in seiner schlichten Größe erschütternd auf mich wirkte.
Wie einzelne, bald blasse, bald bunte Mosaikstücklein, so gab er mir langsam,
ni einer fast schamhafter Art von Zurückhaltung, die Züge seines Jugendbildes.
Es war von weher und herber Schönheit . . .
Damals, vor siebzehn Jahren, als seine Laufbahn (im wahrsten Sinne des
Wortes: Laufbahn) begann, hatte der Weg, den ihm das Amt vorzeichnete, die
andere Seite der Höhen, bis zum Tal herab, geführt.
Da war die Landschaft wilder und einsamer, und nur von einzelnen Höfen
und Dörfern belebt, während die Seite, auf der mein Landhaus stand, mehr dem
Reichtum und Wohlleben eine Stätte gibt; ein bekanntes Weltbad hat sich hier
seit Jahrhunderten um die heißen Quellen her angesiedelt, und die Häuser stehen
in allen Bauarten, fast wie wunderliche Riesenblumen in den festgegründeten,
unwandelbaren Edelwäldcrn. Drüben an der anderen Bergseite, wo es noch
wilder und stiller war, lag am Wege ein blankes Häuschen, recht abseits von den
andern, und halb verhangen von Hecken und Büschen.
„ Im Juni duftete es auf eine halbe Wegstunde hin von all den Jasmin-
Nrciuchen, die da am Hang wie lustige, weiße Schleierlein flatterten und dem
nemen Haus einen absonderlich feinen und zierlichen Schmuck umlegten.
Da wohnte der Wegwart. Der war stark und streng von Art, und in seinem
Befiehl standen Linien, die gleichsam wie feine, eiserne Bänder über einem zurück-
gedmnmten Schmerz waren.
Später war eine tiefe Leidenschaft über ihn gekommen zu einer schönen
fremden Dirne, die er einst als verlassenes Gut einer Zigeunerbande, müde, doch
reck, an einem der einsamen Wege gefunden, die seiner Obhut Untertan waren.
Das wilde Blut hatte er in sein schon festes strenges Leben gefügt. Er
war damals über die vierzig hinaus; wohl ein hoher, stattlicher Mann, aber so
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