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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Jasmin

das macht den Vorgang in der Budgetkommission, wenn er sich als völlig
begründet herausstellt, peinlich. Es wäre allerdings sehr beschämend, wenn dieser
Aufwand von sittlicher Entrüstung nur egoistischen Interessen, nicht den all¬
gemeinen Interessen des Landes gedient hätte. Nach der vor einigen Wochen
veröffentlichten Vorlage über den Ausbau des südwestafrikauischen Eisenbahn¬
netzes ist mancher in seiner vorgefaßten Meinung einigermaßen wankend geworden.
Die Verwendung der Einnahmen aus der Diamantenproduktion zur Ausgestaltung
des Verkehrsnetzes, die sehr zu billigen ist, beweist immerhin, daß die
Kolonialverwaltung das Interesse der Kolonie im Auge hat, wenn sie auch
nicht überall auf dem rechten Wege sein mag. Darüber wird noch mancherlei
Rudolf Wagner zu sagen sein.




Jasmin
von Alberta von Outtkamer

>r stand eines Juniabends am Weg, der breit den Berg hinaufführt.
Sein Gang, den ich immer sonst gleichmäßig stapfend, wie die
Hämmer einer Maschine, und weithallend in der Vergstille vernahm,
hielt jähe an. Das war wie ein Ereignis. Sein Blick ging
sonst immer an den feinen Reizen der Landschaft vorüber, als lägen
l seine Ziele ganz anderswo, -- weit draußen -- weit drüben . . .

Sein Botengang führte vom Tal herauf. Allen Landhäusern an der Berg¬
straße, bis wo der Wald finster und eng stand und seine Stämme der Siedlerlust
der Menschen entgegentrotzte, hatte er die Botschaften von den Städten und
Ländern draußen zu bringen. Er war der Briefträger. Eine eigentümliche
Erscheinung!

Wer den Dingen und Menschen gern tief in den Quellgrund ihres Wesens
sieht und in den äußeren Zügen die Schrift der Seele erkennt, dem fiel in des
Boten Erscheinung mancherlei Absonderliches, auch wohl sich gegenseitig Wider¬
sprechendes auf. Eine Gestalt, an der ein denkend Beobachtender nicht vorüber¬
ging, ohne innerlich Halt zu machen und mit seinen Gedanken ihr nachzugehen.

Das hatte ich oft getan, wenn er aus meinem rosenumflatterten Landhaus
hinaustrat, wo er mir eben, als tue er unmeßbar Wichtiges, bedächtig und langsam,
die mancherlei guten und bösen Botschaften, die die Welt in meine Einsamkeit
schickte, in die Hand gelegt hatte.


Jasmin

das macht den Vorgang in der Budgetkommission, wenn er sich als völlig
begründet herausstellt, peinlich. Es wäre allerdings sehr beschämend, wenn dieser
Aufwand von sittlicher Entrüstung nur egoistischen Interessen, nicht den all¬
gemeinen Interessen des Landes gedient hätte. Nach der vor einigen Wochen
veröffentlichten Vorlage über den Ausbau des südwestafrikauischen Eisenbahn¬
netzes ist mancher in seiner vorgefaßten Meinung einigermaßen wankend geworden.
Die Verwendung der Einnahmen aus der Diamantenproduktion zur Ausgestaltung
des Verkehrsnetzes, die sehr zu billigen ist, beweist immerhin, daß die
Kolonialverwaltung das Interesse der Kolonie im Auge hat, wenn sie auch
nicht überall auf dem rechten Wege sein mag. Darüber wird noch mancherlei
Rudolf Wagner zu sagen sein.




Jasmin
von Alberta von Outtkamer

>r stand eines Juniabends am Weg, der breit den Berg hinaufführt.
Sein Gang, den ich immer sonst gleichmäßig stapfend, wie die
Hämmer einer Maschine, und weithallend in der Vergstille vernahm,
hielt jähe an. Das war wie ein Ereignis. Sein Blick ging
sonst immer an den feinen Reizen der Landschaft vorüber, als lägen
l seine Ziele ganz anderswo, — weit draußen — weit drüben . . .

Sein Botengang führte vom Tal herauf. Allen Landhäusern an der Berg¬
straße, bis wo der Wald finster und eng stand und seine Stämme der Siedlerlust
der Menschen entgegentrotzte, hatte er die Botschaften von den Städten und
Ländern draußen zu bringen. Er war der Briefträger. Eine eigentümliche
Erscheinung!

Wer den Dingen und Menschen gern tief in den Quellgrund ihres Wesens
sieht und in den äußeren Zügen die Schrift der Seele erkennt, dem fiel in des
Boten Erscheinung mancherlei Absonderliches, auch wohl sich gegenseitig Wider¬
sprechendes auf. Eine Gestalt, an der ein denkend Beobachtender nicht vorüber¬
ging, ohne innerlich Halt zu machen und mit seinen Gedanken ihr nachzugehen.

Das hatte ich oft getan, wenn er aus meinem rosenumflatterten Landhaus
hinaustrat, wo er mir eben, als tue er unmeßbar Wichtiges, bedächtig und langsam,
die mancherlei guten und bösen Botschaften, die die Welt in meine Einsamkeit
schickte, in die Hand gelegt hatte.


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[0184] Jasmin das macht den Vorgang in der Budgetkommission, wenn er sich als völlig begründet herausstellt, peinlich. Es wäre allerdings sehr beschämend, wenn dieser Aufwand von sittlicher Entrüstung nur egoistischen Interessen, nicht den all¬ gemeinen Interessen des Landes gedient hätte. Nach der vor einigen Wochen veröffentlichten Vorlage über den Ausbau des südwestafrikauischen Eisenbahn¬ netzes ist mancher in seiner vorgefaßten Meinung einigermaßen wankend geworden. Die Verwendung der Einnahmen aus der Diamantenproduktion zur Ausgestaltung des Verkehrsnetzes, die sehr zu billigen ist, beweist immerhin, daß die Kolonialverwaltung das Interesse der Kolonie im Auge hat, wenn sie auch nicht überall auf dem rechten Wege sein mag. Darüber wird noch mancherlei Rudolf Wagner zu sagen sein. Jasmin von Alberta von Outtkamer >r stand eines Juniabends am Weg, der breit den Berg hinaufführt. Sein Gang, den ich immer sonst gleichmäßig stapfend, wie die Hämmer einer Maschine, und weithallend in der Vergstille vernahm, hielt jähe an. Das war wie ein Ereignis. Sein Blick ging sonst immer an den feinen Reizen der Landschaft vorüber, als lägen l seine Ziele ganz anderswo, — weit draußen — weit drüben . . . Sein Botengang führte vom Tal herauf. Allen Landhäusern an der Berg¬ straße, bis wo der Wald finster und eng stand und seine Stämme der Siedlerlust der Menschen entgegentrotzte, hatte er die Botschaften von den Städten und Ländern draußen zu bringen. Er war der Briefträger. Eine eigentümliche Erscheinung! Wer den Dingen und Menschen gern tief in den Quellgrund ihres Wesens sieht und in den äußeren Zügen die Schrift der Seele erkennt, dem fiel in des Boten Erscheinung mancherlei Absonderliches, auch wohl sich gegenseitig Wider¬ sprechendes auf. Eine Gestalt, an der ein denkend Beobachtender nicht vorüber¬ ging, ohne innerlich Halt zu machen und mit seinen Gedanken ihr nachzugehen. Das hatte ich oft getan, wenn er aus meinem rosenumflatterten Landhaus hinaustrat, wo er mir eben, als tue er unmeßbar Wichtiges, bedächtig und langsam, die mancherlei guten und bösen Botschaften, die die Welt in meine Einsamkeit schickte, in die Hand gelegt hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/184>, abgerufen am 30.12.2024.