Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Aoloniale Fortschritte Unverständlich bleibt zwar nach wie vor, warum Dernburg gegenüber diesen, Aoloniale Fortschritte Unverständlich bleibt zwar nach wie vor, warum Dernburg gegenüber diesen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315180"/> <fw type="header" place="top"> Aoloniale Fortschritte</fw><lb/> <p xml:id="ID_596" prev="#ID_595" next="#ID_597"> Unverständlich bleibt zwar nach wie vor, warum Dernburg gegenüber diesen,<lb/> bei seinen Beziehungen zur Hochfinanz naheliegenden Verdacht nicht den Schein<lb/> zu wahren versucht und die Vertretung der südwestafrikanischen Bevölkerung zu<lb/> Rate gezogen hat. Wenn dadurch wahrscheinlich auch die Südwestafrikaner<lb/> nicht voll befriedigt worden wären und mancher Begehrliche weiter geschnupft<lb/> Hütte, so hätte sich dabei doch Gelegenheit geboten, die Rechtslage in voller<lb/> Öffentlichkeit klarzustellen und deu Angriffen gegen die Kolonialverwaltung in<lb/> der Heimat die Spitze abzubrechen. Das Allerbeste wäre allerdings gewesen,<lb/> wenn die Regierung die Diamantfunde ganz einfach für den Fiskus in<lb/> Anspruch genommen und so den privaten Interessen von vornherein ent¬<lb/> zogen hätte. Die Rechtslage ist so kompliziert, daß ohne eingehendes<lb/> Aktenstudium eine Beurteilung kaum möglich ist. Außer den Mitgliedern der<lb/> Budgetkommission, denen die nötigen Unterlagen uneingeschränkt zur Verfügung<lb/> stehen, vermag kaum jemand mit Sicherheit mitzureden. Und auch für diese<lb/> ist es sehr schwer, sich ein zutreffendes Urteil zu bilden. In der Budget¬<lb/> kommission nun haben die klagenden Südwestafrikaner erheblich den kürzeren<lb/> gezogen. Nun muß man allerdings sagen, daß kaum einer der Teilnehmer<lb/> an den Verhandlungen die Materie annähernd so beherrschte wie Dernburg,<lb/> und daß dabei diejenigen Abgeordneten, die etwa die Absicht gehabt hatten,<lb/> unsern südwestasrikanischen Landsleuten beizuspringen , sich rasch in die Ver¬<lb/> teidigung gedrängt sahen. Anderseits ist bei dieser Gelegenheit wieder einmal<lb/> die Mangelhaftigkeit der Berichterstattung über die Kommissionsverhandlungen<lb/> ZU beklagen. Die Berichte über die Erörterung der Diamantenfrage bieten nur<lb/> ein ganz verworrenes und unzureichendes Bild. Ein Abgeordneter gab seiner<lb/> Mißbilligung Ausdruck, daß die Presse nicht früher schon durch eine amtliche<lb/> Darstellung genügend unterrichtet worden ist und so deu wildesten Gerüchten<lb/> Nahrung gegeben wurde. Nach dem Ergebnis der Verhandlungen der Budget¬<lb/> kommission dürfte es um so wünschenswerter sein, daß eine umfassende Dar¬<lb/> stellung amtlicherseits nachgeholt wird. Die uneingeschränkte Anerkennung, die<lb/> der Deruburgschen Diamantenpolitik durch die Budgetkommission zuteil wurde,<lb/> ist sicherlich sehr erfreulich, denn es gibt unsrer Ansicht nach kaum einen<lb/> schlimmeren Vorwurf für die Regierung, als den der Parteilichkeit. Wenn sie<lb/> in diesem Falle anscheinend glänzend gereinigt worden ist, so gibt dies zu denken,<lb/> und man fragt sich, wer denn die Vertretung der Südwestafrikaner und die südwest-<lb/> afrikcmische Presse, so übel beraten hat, daß ihre Vorwürfe gegen die Kolonial¬<lb/> verwaltung vor den, Forum der Budgetkonnnission sich in einigen Stunden in<lb/> ein glattes Vertraueusvotum verwandelten. Man erinnert sich wohl der blind¬<lb/> wütigen Vorstöße der Südwestafrikaner, namentlich der Windhuker in der Frage<lb/> der Selbstverwaltung. Man könnte beinahe vermuten, daß der unerwartete<lb/> Segen der Dianmntenfunde den Leuten vollends die Köpfe verwirrt hat. Der<lb/> Unterschied ist nur der. daß es sich dort einigermaßen um ideelle, jedenfalls<lb/> nicht persönliche, hier aber um rein materielle Interessen handelt. Und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
Aoloniale Fortschritte
Unverständlich bleibt zwar nach wie vor, warum Dernburg gegenüber diesen,
bei seinen Beziehungen zur Hochfinanz naheliegenden Verdacht nicht den Schein
zu wahren versucht und die Vertretung der südwestafrikanischen Bevölkerung zu
Rate gezogen hat. Wenn dadurch wahrscheinlich auch die Südwestafrikaner
nicht voll befriedigt worden wären und mancher Begehrliche weiter geschnupft
Hütte, so hätte sich dabei doch Gelegenheit geboten, die Rechtslage in voller
Öffentlichkeit klarzustellen und deu Angriffen gegen die Kolonialverwaltung in
der Heimat die Spitze abzubrechen. Das Allerbeste wäre allerdings gewesen,
wenn die Regierung die Diamantfunde ganz einfach für den Fiskus in
Anspruch genommen und so den privaten Interessen von vornherein ent¬
zogen hätte. Die Rechtslage ist so kompliziert, daß ohne eingehendes
Aktenstudium eine Beurteilung kaum möglich ist. Außer den Mitgliedern der
Budgetkommission, denen die nötigen Unterlagen uneingeschränkt zur Verfügung
stehen, vermag kaum jemand mit Sicherheit mitzureden. Und auch für diese
ist es sehr schwer, sich ein zutreffendes Urteil zu bilden. In der Budget¬
kommission nun haben die klagenden Südwestafrikaner erheblich den kürzeren
gezogen. Nun muß man allerdings sagen, daß kaum einer der Teilnehmer
an den Verhandlungen die Materie annähernd so beherrschte wie Dernburg,
und daß dabei diejenigen Abgeordneten, die etwa die Absicht gehabt hatten,
unsern südwestasrikanischen Landsleuten beizuspringen , sich rasch in die Ver¬
teidigung gedrängt sahen. Anderseits ist bei dieser Gelegenheit wieder einmal
die Mangelhaftigkeit der Berichterstattung über die Kommissionsverhandlungen
ZU beklagen. Die Berichte über die Erörterung der Diamantenfrage bieten nur
ein ganz verworrenes und unzureichendes Bild. Ein Abgeordneter gab seiner
Mißbilligung Ausdruck, daß die Presse nicht früher schon durch eine amtliche
Darstellung genügend unterrichtet worden ist und so deu wildesten Gerüchten
Nahrung gegeben wurde. Nach dem Ergebnis der Verhandlungen der Budget¬
kommission dürfte es um so wünschenswerter sein, daß eine umfassende Dar¬
stellung amtlicherseits nachgeholt wird. Die uneingeschränkte Anerkennung, die
der Deruburgschen Diamantenpolitik durch die Budgetkommission zuteil wurde,
ist sicherlich sehr erfreulich, denn es gibt unsrer Ansicht nach kaum einen
schlimmeren Vorwurf für die Regierung, als den der Parteilichkeit. Wenn sie
in diesem Falle anscheinend glänzend gereinigt worden ist, so gibt dies zu denken,
und man fragt sich, wer denn die Vertretung der Südwestafrikaner und die südwest-
afrikcmische Presse, so übel beraten hat, daß ihre Vorwürfe gegen die Kolonial¬
verwaltung vor den, Forum der Budgetkonnnission sich in einigen Stunden in
ein glattes Vertraueusvotum verwandelten. Man erinnert sich wohl der blind¬
wütigen Vorstöße der Südwestafrikaner, namentlich der Windhuker in der Frage
der Selbstverwaltung. Man könnte beinahe vermuten, daß der unerwartete
Segen der Dianmntenfunde den Leuten vollends die Köpfe verwirrt hat. Der
Unterschied ist nur der. daß es sich dort einigermaßen um ideelle, jedenfalls
nicht persönliche, hier aber um rein materielle Interessen handelt. Und
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