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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Koloniale Fortschritte

Begründung namentlich der Besiedlung des Kiliniandscharogebiets dienen soll. Man
war zwar allenthalben überrascht über die unerwartete Sinnesänderung Dern-
burgs in der Bcsiedlungsfragc. Man fragte aber nicht viel nach dem Woher
dieser Sinnesänderung, sondern nahm sie als erfreuliche Tatsache auf. Immerhin
wurde der Staatssekretär über ihre Echtheit auf Herz und Nieren geprüft und
entpuppte sich dabei -- wenigstens nach seinen Versicherungen -- als alter
Freund der Besiedlung. Was uns nicht zu hindern braucht, diese Versicherungen
Lua Zi'ano salis aufzunehmen, sie aber als Wechsel auf die Zukunft zu
betrachten, den die Kolonialverwaltung einzulösen haben wird. Es wird jedoch
nützlich sein, den Motiven der amtlichen Sinnesänderung noch weiter auf den
Grund zu gehen, da sie mit verschiedenen ebenfalls amtlichen Äußerungen der
letzten Zeit keineswegs in Einklang zu bringen ist. Insbesondere wird zu
untersuchen sein, ob die Dernburg Nachgeordneten Organe genügende Gewähr
für die Einlösung besagten Wechsels bieten.

Wenn man die Besiedlung des Kilimandscharogebiets und die Nutzbarmachung
der angrenzenden Landschaften durch Viehzucht großen Stils als Grundlage für
die Aussichten der 5Mnrnndscharobahn annimmt, so werden die wirtschaftlichen
Hoffnungen, die sich an diese Eisenbahn knüpfen, nicht zuschanden werden.
Auch die politischen nicht, denn die Besiedlung durch Deutsche bildet jedenfalls
das allerbeste Mittel zur Sicherung der Kolonie. Damit sagt die amtliche
Denkschrift keineswegs etwas Neues, sondern bestätigt uns lediglich nach lang¬
jähriger "Erwägung", was schon oft zugunsten der Nordbahn und der Besiedlung
des Kilimaudscharogebiets dem Zandern der Kolonialverwaltmig gegenüber ins
Feld geführt worden ist.

Der Ausbau der Usambarabahn zu einer Nordbahn nach dem Viktoriasee
und weiter nach Ruanda ist aussichtsvoll und wichtig, und im letzten Jahr ist
er durch die Vorgänge an der Nordwestgrenze unsrer Kolonie und den Borstoß
gegen die Politik der Belgier im benachbarten Kongogebiet geradezu dringend
geworden. Mail muß der .Kolonialverwaltung ungeachtet der früheren Ver¬
säumnisse Dank wissen, daß sie diesen Ausbau zu beschleunigen gewillt
ist, wie es schou jetzt den Anschein hat sogar über das Kilimandscharogebiet
hinaus.

Beim Nachtragsetat für Südwestafrika hat sich die Debatte hauptsächlich
uni die amtliche Diamantenpolitik gedreht. Dies ist weiter kein Wunder
und an sich ein gutes Zeichen. Eine Frage, der ein so erhebliches, für die
Zukunft der Kolonie so wichtiges Objekt zugrunde liegt, kann nicht gewissenhaft
genug geprüft werden. Um so mehr, als die Angelegenheit schon genug böses
Bblt gemacht und reichlich Verwirrung daheinl und draußen angerichtet hat. Mangels
allsreichender und klarer Unterlagen war man bisher geneigt, sich auf die Seite
des schwächeren Teils, der südwestafrikanischcil Bevölkerung, zu schlagen und
die jüngst beim Reichstag eingegangene Beschwerde der Lüderitzbuchter für bare
Münze, als Beweis der einseitig-kapitalistischen Politik Dernburgs zu nehmen.


Koloniale Fortschritte

Begründung namentlich der Besiedlung des Kiliniandscharogebiets dienen soll. Man
war zwar allenthalben überrascht über die unerwartete Sinnesänderung Dern-
burgs in der Bcsiedlungsfragc. Man fragte aber nicht viel nach dem Woher
dieser Sinnesänderung, sondern nahm sie als erfreuliche Tatsache auf. Immerhin
wurde der Staatssekretär über ihre Echtheit auf Herz und Nieren geprüft und
entpuppte sich dabei — wenigstens nach seinen Versicherungen — als alter
Freund der Besiedlung. Was uns nicht zu hindern braucht, diese Versicherungen
Lua Zi'ano salis aufzunehmen, sie aber als Wechsel auf die Zukunft zu
betrachten, den die Kolonialverwaltung einzulösen haben wird. Es wird jedoch
nützlich sein, den Motiven der amtlichen Sinnesänderung noch weiter auf den
Grund zu gehen, da sie mit verschiedenen ebenfalls amtlichen Äußerungen der
letzten Zeit keineswegs in Einklang zu bringen ist. Insbesondere wird zu
untersuchen sein, ob die Dernburg Nachgeordneten Organe genügende Gewähr
für die Einlösung besagten Wechsels bieten.

Wenn man die Besiedlung des Kilimandscharogebiets und die Nutzbarmachung
der angrenzenden Landschaften durch Viehzucht großen Stils als Grundlage für
die Aussichten der 5Mnrnndscharobahn annimmt, so werden die wirtschaftlichen
Hoffnungen, die sich an diese Eisenbahn knüpfen, nicht zuschanden werden.
Auch die politischen nicht, denn die Besiedlung durch Deutsche bildet jedenfalls
das allerbeste Mittel zur Sicherung der Kolonie. Damit sagt die amtliche
Denkschrift keineswegs etwas Neues, sondern bestätigt uns lediglich nach lang¬
jähriger „Erwägung", was schon oft zugunsten der Nordbahn und der Besiedlung
des Kilimaudscharogebiets dem Zandern der Kolonialverwaltmig gegenüber ins
Feld geführt worden ist.

Der Ausbau der Usambarabahn zu einer Nordbahn nach dem Viktoriasee
und weiter nach Ruanda ist aussichtsvoll und wichtig, und im letzten Jahr ist
er durch die Vorgänge an der Nordwestgrenze unsrer Kolonie und den Borstoß
gegen die Politik der Belgier im benachbarten Kongogebiet geradezu dringend
geworden. Mail muß der .Kolonialverwaltung ungeachtet der früheren Ver¬
säumnisse Dank wissen, daß sie diesen Ausbau zu beschleunigen gewillt
ist, wie es schou jetzt den Anschein hat sogar über das Kilimandscharogebiet
hinaus.

Beim Nachtragsetat für Südwestafrika hat sich die Debatte hauptsächlich
uni die amtliche Diamantenpolitik gedreht. Dies ist weiter kein Wunder
und an sich ein gutes Zeichen. Eine Frage, der ein so erhebliches, für die
Zukunft der Kolonie so wichtiges Objekt zugrunde liegt, kann nicht gewissenhaft
genug geprüft werden. Um so mehr, als die Angelegenheit schon genug böses
Bblt gemacht und reichlich Verwirrung daheinl und draußen angerichtet hat. Mangels
allsreichender und klarer Unterlagen war man bisher geneigt, sich auf die Seite
des schwächeren Teils, der südwestafrikanischcil Bevölkerung, zu schlagen und
die jüngst beim Reichstag eingegangene Beschwerde der Lüderitzbuchter für bare
Münze, als Beweis der einseitig-kapitalistischen Politik Dernburgs zu nehmen.


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[0182] Koloniale Fortschritte Begründung namentlich der Besiedlung des Kiliniandscharogebiets dienen soll. Man war zwar allenthalben überrascht über die unerwartete Sinnesänderung Dern- burgs in der Bcsiedlungsfragc. Man fragte aber nicht viel nach dem Woher dieser Sinnesänderung, sondern nahm sie als erfreuliche Tatsache auf. Immerhin wurde der Staatssekretär über ihre Echtheit auf Herz und Nieren geprüft und entpuppte sich dabei — wenigstens nach seinen Versicherungen — als alter Freund der Besiedlung. Was uns nicht zu hindern braucht, diese Versicherungen Lua Zi'ano salis aufzunehmen, sie aber als Wechsel auf die Zukunft zu betrachten, den die Kolonialverwaltung einzulösen haben wird. Es wird jedoch nützlich sein, den Motiven der amtlichen Sinnesänderung noch weiter auf den Grund zu gehen, da sie mit verschiedenen ebenfalls amtlichen Äußerungen der letzten Zeit keineswegs in Einklang zu bringen ist. Insbesondere wird zu untersuchen sein, ob die Dernburg Nachgeordneten Organe genügende Gewähr für die Einlösung besagten Wechsels bieten. Wenn man die Besiedlung des Kilimandscharogebiets und die Nutzbarmachung der angrenzenden Landschaften durch Viehzucht großen Stils als Grundlage für die Aussichten der 5Mnrnndscharobahn annimmt, so werden die wirtschaftlichen Hoffnungen, die sich an diese Eisenbahn knüpfen, nicht zuschanden werden. Auch die politischen nicht, denn die Besiedlung durch Deutsche bildet jedenfalls das allerbeste Mittel zur Sicherung der Kolonie. Damit sagt die amtliche Denkschrift keineswegs etwas Neues, sondern bestätigt uns lediglich nach lang¬ jähriger „Erwägung", was schon oft zugunsten der Nordbahn und der Besiedlung des Kilimaudscharogebiets dem Zandern der Kolonialverwaltmig gegenüber ins Feld geführt worden ist. Der Ausbau der Usambarabahn zu einer Nordbahn nach dem Viktoriasee und weiter nach Ruanda ist aussichtsvoll und wichtig, und im letzten Jahr ist er durch die Vorgänge an der Nordwestgrenze unsrer Kolonie und den Borstoß gegen die Politik der Belgier im benachbarten Kongogebiet geradezu dringend geworden. Mail muß der .Kolonialverwaltung ungeachtet der früheren Ver¬ säumnisse Dank wissen, daß sie diesen Ausbau zu beschleunigen gewillt ist, wie es schou jetzt den Anschein hat sogar über das Kilimandscharogebiet hinaus. Beim Nachtragsetat für Südwestafrika hat sich die Debatte hauptsächlich uni die amtliche Diamantenpolitik gedreht. Dies ist weiter kein Wunder und an sich ein gutes Zeichen. Eine Frage, der ein so erhebliches, für die Zukunft der Kolonie so wichtiges Objekt zugrunde liegt, kann nicht gewissenhaft genug geprüft werden. Um so mehr, als die Angelegenheit schon genug böses Bblt gemacht und reichlich Verwirrung daheinl und draußen angerichtet hat. Mangels allsreichender und klarer Unterlagen war man bisher geneigt, sich auf die Seite des schwächeren Teils, der südwestafrikanischcil Bevölkerung, zu schlagen und die jüngst beim Reichstag eingegangene Beschwerde der Lüderitzbuchter für bare Münze, als Beweis der einseitig-kapitalistischen Politik Dernburgs zu nehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/182>, abgerufen am 04.07.2024.