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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Der Geschäftsbetrieb der preußischen Verwaltung

und Ansprüche der Staatsangehörigen und damit immer mehr steigende An¬
forderungen an den Staat und seine Verwaltung hervorgerufen haben.

Was bedeutet in diesem Zusamnnmhang. allein die soziale Gesetzgebung
und Verwaltung für die verschiedenen Behörden! Kein Wunder also, daß uuter
der Einwirkung aller dieser Kräfte die Verwaltung immer eindringender, damit
aber auch immer schwieriger, teilweise auch unklar und für alle, die daran
beteiligt sind oder von ihr betroffen werden, von: Träger der Krone und seinen
Ministern bis hinunter zum kleinen Dorfschulzen und zum Manne auf der Straße,
immer unübersichtlicher wurde, und zumal in den obern Stellen zu einer weit¬
gehenden Arbeitsteilung und einer entsprechenden Vermehrung der Beamten und
Vergrößerung der Behörden zwang. Lotz gibt für diese Entwicklung lehrreiche
Zahlen. So hatten z, B. in abgerundeten Tausenden in den Jahren 1816 und
1895 die Regierungsbezirke Königsberg 533 und 1204, Danzig 238 und 618,
Potsdam 513 und 1615, Oppeln 525 und 1710, Düsseldorf 591 und
2191 Einwohner. Dementsprechend war die Zahl der Regierungsmitglieder in
der Zeit vom 1835 bis 1901 gestiegen in Königsberg von 27 auf 58, in
Potsdam von 29 auf 55, in Oppeln von 15 auf 48, in Düsseldorf von 18
auf 50. Jetzt sind diese Zahlenwahrscheinlichübcrallnoch größer. In den Ministerien
gab es 1821 10 Unterstaatssekretäre und Ministerialdirektoren und 76 Räte, also
86 höhere Beamte, 1901 aber 18 Unterstaatssekretäre und Direktoren, 140 Räte und
53 Hilfsarbeiter, zusammen also 211 höhere Beamte. Dabei muß berücksichtigt werden,
daß das Oberverwaltungsgericht, das allein ein halbes Hundert Mitglieder zählt,
seit 1875 den Ministerien eine bedeutende Geschäftslast abgenommen hat.

Wir stehen hier also vor einer natürlichen Entwicklung, die sür die Ver¬
waltung Zufall ist, da sie sie weder herbeigeführt hat, noch aufhalte" konnte.
Die Folgen können also nicht ihr zur Last gelegt werden. Freilich bleibt immer
die Frage, ob man den daraus erwachsenen Mißständen nicht durch rechtzeitige
Änderung der Verwaltungseinrichtungen mindestens bis zu einem gewissen Grade
hätte begegnen können. Ich glaube, daß dies in der Tat möglich gewesen wäre.
Und auf die Gefahr hin, mir ein arges Armutszeugnis auszustellen und in
den Ruf eines Menschen zu kommen, dem jedes tiefere Verständnis für eine
organische Entwicklung der Verwaltungseinrichtungen abgeht, will ich auch mein
Mittel nennen: rechtzeitige Teilung der zu sehr angewachsenen Behörden.
Durchgreifende sachliche Gründe gegen solche Teilungen sind mir nicht bekannt;
es kann also nur in persönlichen Gründen liegen, daß man diesen naheliegenden
Ausweg nicht betreten hat. --

Unbedingt auf persönliche Gründe ist nach meiner Überzeugung ein weiterer
Mißstand von der größten Tragweite zurückzuführen, ein verhängnisvoller
Mangel an Einheit, der wie durch unsre ganze Staatsverwaltung im weitesten
Umfange, so auch durch die allgemeine Verwaltung geht.

Er zeigt sich zunächst in den Zentralbehörden. Schon von Massow weist
darauf hin, daß sich die verschiednen Abteilungen eines Ministeriums kaum


Der Geschäftsbetrieb der preußischen Verwaltung

und Ansprüche der Staatsangehörigen und damit immer mehr steigende An¬
forderungen an den Staat und seine Verwaltung hervorgerufen haben.

Was bedeutet in diesem Zusamnnmhang. allein die soziale Gesetzgebung
und Verwaltung für die verschiedenen Behörden! Kein Wunder also, daß uuter
der Einwirkung aller dieser Kräfte die Verwaltung immer eindringender, damit
aber auch immer schwieriger, teilweise auch unklar und für alle, die daran
beteiligt sind oder von ihr betroffen werden, von: Träger der Krone und seinen
Ministern bis hinunter zum kleinen Dorfschulzen und zum Manne auf der Straße,
immer unübersichtlicher wurde, und zumal in den obern Stellen zu einer weit¬
gehenden Arbeitsteilung und einer entsprechenden Vermehrung der Beamten und
Vergrößerung der Behörden zwang. Lotz gibt für diese Entwicklung lehrreiche
Zahlen. So hatten z, B. in abgerundeten Tausenden in den Jahren 1816 und
1895 die Regierungsbezirke Königsberg 533 und 1204, Danzig 238 und 618,
Potsdam 513 und 1615, Oppeln 525 und 1710, Düsseldorf 591 und
2191 Einwohner. Dementsprechend war die Zahl der Regierungsmitglieder in
der Zeit vom 1835 bis 1901 gestiegen in Königsberg von 27 auf 58, in
Potsdam von 29 auf 55, in Oppeln von 15 auf 48, in Düsseldorf von 18
auf 50. Jetzt sind diese Zahlenwahrscheinlichübcrallnoch größer. In den Ministerien
gab es 1821 10 Unterstaatssekretäre und Ministerialdirektoren und 76 Räte, also
86 höhere Beamte, 1901 aber 18 Unterstaatssekretäre und Direktoren, 140 Räte und
53 Hilfsarbeiter, zusammen also 211 höhere Beamte. Dabei muß berücksichtigt werden,
daß das Oberverwaltungsgericht, das allein ein halbes Hundert Mitglieder zählt,
seit 1875 den Ministerien eine bedeutende Geschäftslast abgenommen hat.

Wir stehen hier also vor einer natürlichen Entwicklung, die sür die Ver¬
waltung Zufall ist, da sie sie weder herbeigeführt hat, noch aufhalte» konnte.
Die Folgen können also nicht ihr zur Last gelegt werden. Freilich bleibt immer
die Frage, ob man den daraus erwachsenen Mißständen nicht durch rechtzeitige
Änderung der Verwaltungseinrichtungen mindestens bis zu einem gewissen Grade
hätte begegnen können. Ich glaube, daß dies in der Tat möglich gewesen wäre.
Und auf die Gefahr hin, mir ein arges Armutszeugnis auszustellen und in
den Ruf eines Menschen zu kommen, dem jedes tiefere Verständnis für eine
organische Entwicklung der Verwaltungseinrichtungen abgeht, will ich auch mein
Mittel nennen: rechtzeitige Teilung der zu sehr angewachsenen Behörden.
Durchgreifende sachliche Gründe gegen solche Teilungen sind mir nicht bekannt;
es kann also nur in persönlichen Gründen liegen, daß man diesen naheliegenden
Ausweg nicht betreten hat. —

Unbedingt auf persönliche Gründe ist nach meiner Überzeugung ein weiterer
Mißstand von der größten Tragweite zurückzuführen, ein verhängnisvoller
Mangel an Einheit, der wie durch unsre ganze Staatsverwaltung im weitesten
Umfange, so auch durch die allgemeine Verwaltung geht.

Er zeigt sich zunächst in den Zentralbehörden. Schon von Massow weist
darauf hin, daß sich die verschiednen Abteilungen eines Ministeriums kaum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/170>, abgerufen am 22.12.2024.