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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Liois tZermsnus

Grundlage eine Begutachtung der Sache durch die ersten völkerrechtlichen
Autoritäten der Welt herbeigeführt wurde? Wenn das Auswärtige Amt nichts
dagegen öffentlich unternommen hat, so ist das augenscheinlich geschehen, weil
man sich gesagt hat, daß ein Auftreten gegen solche Interessenten immer eine
mißliche Sache und solange als möglich zu vermeiden ist, und weiter weil
man die Verpflichtung fühlte, selbst in einem Streitfall nicht zu vergessen, daß
die Angreifer berechtigten Anspruch auf die äußerste Rücksichtnahme und die
Schonung, ja -- innerhalb der Grenzen des Möglichen -- die Förderung ihrer
Interessen hätten. Es kommt natürlich ein Augenblick, wo eine Behörde selbst
unter solchen Unistünden nicht länger schweigen kann, wo sie um allgemeiner
Interessen willen die Verantwortung für die Schädigung besonderer Interessen
auf die abwälzen muß, die sie in diese Lage gebracht haben.

Die eingehende Prüfung des Weißbuchs und der bereits vorliegenden
Erwiderungen von der andern Seite scheinen mir notwendig zu dem Ergebnis
zu führen, daß das Auswärtige Amt in dieser Sache kein Vorwurf trifft. Ich
weiß wohl, daß diese Meinung allen denen sehr anmaßend erscheinen wird, die
immer wieder darauf verweisen, daß die Gutachten der bedeutendsten Rechts-
lehrer der Welt unanfechtbare Rechtsansprüche der Brüder Mannesman" fest¬
gestellt haben. Darauf ist zu erwidern: Die gewaltigste Rechtsautorität, die
überhaupt unter Menschen denkbar ist, kann in einem Gutachten immer nur
insoweit recht haben, als die Grundlagen, auf denen es aufgebaut ist, den
Tatsachen entsprechen. Wenn ich diese Tatsache anerkenne, so kann ich mich in
den Folgerungen der Autorität beugen. Wie aber, wenn die Grundlagen
falsch und unzureichend sind? Ihre Prüfung ist nicht eine Frage wissenschaft¬
licher Autorität, sondern richtiger Information. Ergibt diese eine andre Grund¬
lage, so fällt das Gebäude zusammen.

Es soll hier nicht in eine ausführliche Betrachtung der Denkschrift und
des beigefügten Aktenmaterials eingetreten werden. notwendiger scheint es,
auf gewisse allgemeine Folgerungen aus diesem Fall hinzuweisen. Das Mi߬
trauen der Öffentlichkeit richtet sich offenbar gegen den hier vermuteten Versuch,
die Autorität eines, wie man glaubt, überängstlichen oder bequemen Bureau¬
kratismus gegen den frischen Wagemut unabhängiger, tüchtiger, von kraftvoller
nationaler Gesinnung getragener Landsleute auszuspielen und dadurch das Auf¬
kommen des Deutschtums in einem fernen Lande zu unterbinden. Dagegen
empört man sich, denn man erinnert sich des aufmunternden Worts, das einst
der Kaiser vom Liois Lermanus sprach. Sowie einst das Wort "Liois
Konmnus sum" dem Bürger des römischen Weltreichs überall den Respekt vor
seinem Recht sicherte, so soll das gleiche auch den Angehörigen des Deutschen
Reichs überall sicher sein. Dein, was der Kaiser damit genreint hat, wird
jeder gute Deutsche von ganzem Herzen zustimmen. Und die schärfste Entrüstung
würde mit vollem Recht das Auswärtige Amt treffen, sobald ihm nachgewiesen
werden könnte, daß es sich nicht in den Dienst deutscher Interessen und Rechte gestellt


Liois tZermsnus

Grundlage eine Begutachtung der Sache durch die ersten völkerrechtlichen
Autoritäten der Welt herbeigeführt wurde? Wenn das Auswärtige Amt nichts
dagegen öffentlich unternommen hat, so ist das augenscheinlich geschehen, weil
man sich gesagt hat, daß ein Auftreten gegen solche Interessenten immer eine
mißliche Sache und solange als möglich zu vermeiden ist, und weiter weil
man die Verpflichtung fühlte, selbst in einem Streitfall nicht zu vergessen, daß
die Angreifer berechtigten Anspruch auf die äußerste Rücksichtnahme und die
Schonung, ja — innerhalb der Grenzen des Möglichen — die Förderung ihrer
Interessen hätten. Es kommt natürlich ein Augenblick, wo eine Behörde selbst
unter solchen Unistünden nicht länger schweigen kann, wo sie um allgemeiner
Interessen willen die Verantwortung für die Schädigung besonderer Interessen
auf die abwälzen muß, die sie in diese Lage gebracht haben.

Die eingehende Prüfung des Weißbuchs und der bereits vorliegenden
Erwiderungen von der andern Seite scheinen mir notwendig zu dem Ergebnis
zu führen, daß das Auswärtige Amt in dieser Sache kein Vorwurf trifft. Ich
weiß wohl, daß diese Meinung allen denen sehr anmaßend erscheinen wird, die
immer wieder darauf verweisen, daß die Gutachten der bedeutendsten Rechts-
lehrer der Welt unanfechtbare Rechtsansprüche der Brüder Mannesman» fest¬
gestellt haben. Darauf ist zu erwidern: Die gewaltigste Rechtsautorität, die
überhaupt unter Menschen denkbar ist, kann in einem Gutachten immer nur
insoweit recht haben, als die Grundlagen, auf denen es aufgebaut ist, den
Tatsachen entsprechen. Wenn ich diese Tatsache anerkenne, so kann ich mich in
den Folgerungen der Autorität beugen. Wie aber, wenn die Grundlagen
falsch und unzureichend sind? Ihre Prüfung ist nicht eine Frage wissenschaft¬
licher Autorität, sondern richtiger Information. Ergibt diese eine andre Grund¬
lage, so fällt das Gebäude zusammen.

Es soll hier nicht in eine ausführliche Betrachtung der Denkschrift und
des beigefügten Aktenmaterials eingetreten werden. notwendiger scheint es,
auf gewisse allgemeine Folgerungen aus diesem Fall hinzuweisen. Das Mi߬
trauen der Öffentlichkeit richtet sich offenbar gegen den hier vermuteten Versuch,
die Autorität eines, wie man glaubt, überängstlichen oder bequemen Bureau¬
kratismus gegen den frischen Wagemut unabhängiger, tüchtiger, von kraftvoller
nationaler Gesinnung getragener Landsleute auszuspielen und dadurch das Auf¬
kommen des Deutschtums in einem fernen Lande zu unterbinden. Dagegen
empört man sich, denn man erinnert sich des aufmunternden Worts, das einst
der Kaiser vom Liois Lermanus sprach. Sowie einst das Wort „Liois
Konmnus sum" dem Bürger des römischen Weltreichs überall den Respekt vor
seinem Recht sicherte, so soll das gleiche auch den Angehörigen des Deutschen
Reichs überall sicher sein. Dein, was der Kaiser damit genreint hat, wird
jeder gute Deutsche von ganzem Herzen zustimmen. Und die schärfste Entrüstung
würde mit vollem Recht das Auswärtige Amt treffen, sobald ihm nachgewiesen
werden könnte, daß es sich nicht in den Dienst deutscher Interessen und Rechte gestellt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/158>, abgerufen am 22.12.2024.