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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Zur Iwangspensionierungsfrage

dem Eifer ausführt, wie ich eigentlich wünsche. Das sind Erwägungen, die der Vor¬
gesetzte anstellen kann, und dann attestiert er nun, dieser Beamte ist für den Dienst nicht
mehr brauchbar. Das würde nach dem Wortlaute des Gesetzes ganz gut gehen. Wollen
Sie den Untergebenen dieser Gefahr aussetzen, so erwägen Sie, daß jeder Beamte dann
gezwungen Ware, mit seiner Meinung dem Vorgesetzten gegenüber zurückzuhalten. Er ist
nicht mehr in der Lage, seine Meinung offen auszusprechen, weil er fürchten muß, daß er
dann pensioniert werde. Die Gefahr liegt nahe, daß auf diese Weise der preußische Beamten¬
stand, der sich eines ehrenvollen Rufes in ganz Europa erfreut, in seiner Stellung so ver¬
ändert wird, daß allerdings die Befürchtung an mich herangetreten ist, der Gesetzentwurf
verschlechtere die Stellung der Beamten." . . .

Der Oberbürgermeister Struckmann führte ans:

" . . . Ferner wird gesagt, das bisherige Verfahren sei zu weitläufig. Worin aber
besteht denn die Weitläufigkeit des bisherigen Verfahrens? Es heißt im H 88 des Disziplinar-
gesetzes von 1852: Ein Beamter, der durch ein körperliches Gebrechen oder Schwäche dauernd
unfähig ist, soll in den Ruhestand gesetzt werden. Diese ausdrückliche Bestimmung haben
wir und diese materielle Bestimmung soll sie auch bleiben. Nun kommt die Form, da ist
nun weiter nichts übrig nach dem bisherigen Verfahren, als daß, wenn der betreffende
Beamte nicht freiwillig um seine Pensionierung einkommen will, man ihm unter Angabe
des ihm zu gewährenden Pensionsbetrags und der Gründe der Pensionierung eröffnet, daß
der Fall seiner Pensionierung vorliege, und ihm zugleich Gelegenheit gibt, sich darüber zu
äußern; er hat sechs Wochen Zeit, seine Erklärung darüber abzugeben, und dann gehen die
ganzen Meer an den Departementschef und dieser oder, sofern der Beamte vom König
ernannt ist, der König entscheidet. Das in. H. ist das ganze weitläufige Verfahren, welches
zetzt vorgeschrieben ist. Ist der Beamte mit der Entscheidung des Departementschefs nicht
zufrieden, so kann er sich auf das Staatsministerium berufen. Ist dieses Verfahren zu
weitläufig? . . Allerdings hat nach dem bisherigen Verfahren der Beamte ein Recht vor¬
her gehört zu werden, und gegen die Verfügung des Departementschefs hat er noch den
Rekurs an das Staatsministerium. Aber ist denn das zu viel, ihm eventuell noch den
Rekurs an das Staatsministerium zu geben, ist denn das unsere Beamtenschaft nicht mehr
wert, .... daß man ihr auch dieses noch gestattet, an eine vollständig unbefangene und
über allen Persönlichkeiten stehende Behörde, an das Staatsministerium, zu appellieren, hier
wo es sich darum handelt, Beamte zu beseitigen, die ihrerseits der Überzeugung sind, sie
find noch tüchtig, sie können ihr Amt noch wahrnehmen, und die Wider ihren Willen dieses
aufgeben sollen?" . .

Freiherr von Bernuth erklärte:

" ... Ich frage: warum ist es notwendig, von dem System unserer bisherigen Gesetz,
gebung in solcher Art abzuweichen . . Wir haben seit Dezennien ein wohlgeordnetes und
auf festen Basen beruhendes Verfahren, und dieses Verfahren will man nicht etwa bessern,
nicht einzelne Korrekturen eintreten lassen, sondern kunctitus ändern . . Glaubt man schon
jetzt etwas tun zu müssen, so verbessere man das Verfahren, kurze die sechs- und vier¬
wöchentliche Frist ab, oder stelle einen anderen Schutz her, indem man etwa dem Beamten
den Rekurs an das Oberverwaltungsgericht gestattet. Man muß aber nicht das Kind mit
dem Bade ausschütten wollen, nicht einfach den Satz hinstellen: nach vierzigjähriger Dienst¬
zeit sei, wenn der Departementschef die Überzeugung habe, ein Beamter sei nicht mehr
dienstfähig, dies genügend, um denselben zu Pensionieren."

Im Abgeordnetenhause begründete der Abgeordnete Zelle seine der
Negierungsvorlaac entgegenstehende Auffassung. Er halte es für sehr bedenklich,
mit den alten Beamten sobald aufzuräumen.

"Die alten Beamten haben," fährt Zelle fort, "wenn auch nicht mehr dieselbe Arbeits¬
kraft wie junge, die größere Erfahrung für sich und auch die größere Ruhe; sie haben in
der Karriere aufgehört zu wünschen und weiter zu streben, und ich glaube, daß doch manche
Erfahrungen aus der neuesten Zeit bei Verwaltungsbeamten gerade eine solche Ruhe der
Wünsche und des Temperaments vermissen lassen und uns Wohl davor warnen müssen, jene
Elemente beiseite zu schieben. Gerade im Kulturkampf haben wir ja gesehen, daß Gesetze


Zur Iwangspensionierungsfrage

dem Eifer ausführt, wie ich eigentlich wünsche. Das sind Erwägungen, die der Vor¬
gesetzte anstellen kann, und dann attestiert er nun, dieser Beamte ist für den Dienst nicht
mehr brauchbar. Das würde nach dem Wortlaute des Gesetzes ganz gut gehen. Wollen
Sie den Untergebenen dieser Gefahr aussetzen, so erwägen Sie, daß jeder Beamte dann
gezwungen Ware, mit seiner Meinung dem Vorgesetzten gegenüber zurückzuhalten. Er ist
nicht mehr in der Lage, seine Meinung offen auszusprechen, weil er fürchten muß, daß er
dann pensioniert werde. Die Gefahr liegt nahe, daß auf diese Weise der preußische Beamten¬
stand, der sich eines ehrenvollen Rufes in ganz Europa erfreut, in seiner Stellung so ver¬
ändert wird, daß allerdings die Befürchtung an mich herangetreten ist, der Gesetzentwurf
verschlechtere die Stellung der Beamten." . . .

Der Oberbürgermeister Struckmann führte ans:

„ . . . Ferner wird gesagt, das bisherige Verfahren sei zu weitläufig. Worin aber
besteht denn die Weitläufigkeit des bisherigen Verfahrens? Es heißt im H 88 des Disziplinar-
gesetzes von 1852: Ein Beamter, der durch ein körperliches Gebrechen oder Schwäche dauernd
unfähig ist, soll in den Ruhestand gesetzt werden. Diese ausdrückliche Bestimmung haben
wir und diese materielle Bestimmung soll sie auch bleiben. Nun kommt die Form, da ist
nun weiter nichts übrig nach dem bisherigen Verfahren, als daß, wenn der betreffende
Beamte nicht freiwillig um seine Pensionierung einkommen will, man ihm unter Angabe
des ihm zu gewährenden Pensionsbetrags und der Gründe der Pensionierung eröffnet, daß
der Fall seiner Pensionierung vorliege, und ihm zugleich Gelegenheit gibt, sich darüber zu
äußern; er hat sechs Wochen Zeit, seine Erklärung darüber abzugeben, und dann gehen die
ganzen Meer an den Departementschef und dieser oder, sofern der Beamte vom König
ernannt ist, der König entscheidet. Das in. H. ist das ganze weitläufige Verfahren, welches
zetzt vorgeschrieben ist. Ist der Beamte mit der Entscheidung des Departementschefs nicht
zufrieden, so kann er sich auf das Staatsministerium berufen. Ist dieses Verfahren zu
weitläufig? . . Allerdings hat nach dem bisherigen Verfahren der Beamte ein Recht vor¬
her gehört zu werden, und gegen die Verfügung des Departementschefs hat er noch den
Rekurs an das Staatsministerium. Aber ist denn das zu viel, ihm eventuell noch den
Rekurs an das Staatsministerium zu geben, ist denn das unsere Beamtenschaft nicht mehr
wert, .... daß man ihr auch dieses noch gestattet, an eine vollständig unbefangene und
über allen Persönlichkeiten stehende Behörde, an das Staatsministerium, zu appellieren, hier
wo es sich darum handelt, Beamte zu beseitigen, die ihrerseits der Überzeugung sind, sie
find noch tüchtig, sie können ihr Amt noch wahrnehmen, und die Wider ihren Willen dieses
aufgeben sollen?" . .

Freiherr von Bernuth erklärte:

„ ... Ich frage: warum ist es notwendig, von dem System unserer bisherigen Gesetz,
gebung in solcher Art abzuweichen . . Wir haben seit Dezennien ein wohlgeordnetes und
auf festen Basen beruhendes Verfahren, und dieses Verfahren will man nicht etwa bessern,
nicht einzelne Korrekturen eintreten lassen, sondern kunctitus ändern . . Glaubt man schon
jetzt etwas tun zu müssen, so verbessere man das Verfahren, kurze die sechs- und vier¬
wöchentliche Frist ab, oder stelle einen anderen Schutz her, indem man etwa dem Beamten
den Rekurs an das Oberverwaltungsgericht gestattet. Man muß aber nicht das Kind mit
dem Bade ausschütten wollen, nicht einfach den Satz hinstellen: nach vierzigjähriger Dienst¬
zeit sei, wenn der Departementschef die Überzeugung habe, ein Beamter sei nicht mehr
dienstfähig, dies genügend, um denselben zu Pensionieren."

Im Abgeordnetenhause begründete der Abgeordnete Zelle seine der
Negierungsvorlaac entgegenstehende Auffassung. Er halte es für sehr bedenklich,
mit den alten Beamten sobald aufzuräumen.

„Die alten Beamten haben," fährt Zelle fort, „wenn auch nicht mehr dieselbe Arbeits¬
kraft wie junge, die größere Erfahrung für sich und auch die größere Ruhe; sie haben in
der Karriere aufgehört zu wünschen und weiter zu streben, und ich glaube, daß doch manche
Erfahrungen aus der neuesten Zeit bei Verwaltungsbeamten gerade eine solche Ruhe der
Wünsche und des Temperaments vermissen lassen und uns Wohl davor warnen müssen, jene
Elemente beiseite zu schieben. Gerade im Kulturkampf haben wir ja gesehen, daß Gesetze


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[0129] Zur Iwangspensionierungsfrage dem Eifer ausführt, wie ich eigentlich wünsche. Das sind Erwägungen, die der Vor¬ gesetzte anstellen kann, und dann attestiert er nun, dieser Beamte ist für den Dienst nicht mehr brauchbar. Das würde nach dem Wortlaute des Gesetzes ganz gut gehen. Wollen Sie den Untergebenen dieser Gefahr aussetzen, so erwägen Sie, daß jeder Beamte dann gezwungen Ware, mit seiner Meinung dem Vorgesetzten gegenüber zurückzuhalten. Er ist nicht mehr in der Lage, seine Meinung offen auszusprechen, weil er fürchten muß, daß er dann pensioniert werde. Die Gefahr liegt nahe, daß auf diese Weise der preußische Beamten¬ stand, der sich eines ehrenvollen Rufes in ganz Europa erfreut, in seiner Stellung so ver¬ ändert wird, daß allerdings die Befürchtung an mich herangetreten ist, der Gesetzentwurf verschlechtere die Stellung der Beamten." . . . Der Oberbürgermeister Struckmann führte ans: „ . . . Ferner wird gesagt, das bisherige Verfahren sei zu weitläufig. Worin aber besteht denn die Weitläufigkeit des bisherigen Verfahrens? Es heißt im H 88 des Disziplinar- gesetzes von 1852: Ein Beamter, der durch ein körperliches Gebrechen oder Schwäche dauernd unfähig ist, soll in den Ruhestand gesetzt werden. Diese ausdrückliche Bestimmung haben wir und diese materielle Bestimmung soll sie auch bleiben. Nun kommt die Form, da ist nun weiter nichts übrig nach dem bisherigen Verfahren, als daß, wenn der betreffende Beamte nicht freiwillig um seine Pensionierung einkommen will, man ihm unter Angabe des ihm zu gewährenden Pensionsbetrags und der Gründe der Pensionierung eröffnet, daß der Fall seiner Pensionierung vorliege, und ihm zugleich Gelegenheit gibt, sich darüber zu äußern; er hat sechs Wochen Zeit, seine Erklärung darüber abzugeben, und dann gehen die ganzen Meer an den Departementschef und dieser oder, sofern der Beamte vom König ernannt ist, der König entscheidet. Das in. H. ist das ganze weitläufige Verfahren, welches zetzt vorgeschrieben ist. Ist der Beamte mit der Entscheidung des Departementschefs nicht zufrieden, so kann er sich auf das Staatsministerium berufen. Ist dieses Verfahren zu weitläufig? . . Allerdings hat nach dem bisherigen Verfahren der Beamte ein Recht vor¬ her gehört zu werden, und gegen die Verfügung des Departementschefs hat er noch den Rekurs an das Staatsministerium. Aber ist denn das zu viel, ihm eventuell noch den Rekurs an das Staatsministerium zu geben, ist denn das unsere Beamtenschaft nicht mehr wert, .... daß man ihr auch dieses noch gestattet, an eine vollständig unbefangene und über allen Persönlichkeiten stehende Behörde, an das Staatsministerium, zu appellieren, hier wo es sich darum handelt, Beamte zu beseitigen, die ihrerseits der Überzeugung sind, sie find noch tüchtig, sie können ihr Amt noch wahrnehmen, und die Wider ihren Willen dieses aufgeben sollen?" . . Freiherr von Bernuth erklärte: „ ... Ich frage: warum ist es notwendig, von dem System unserer bisherigen Gesetz, gebung in solcher Art abzuweichen . . Wir haben seit Dezennien ein wohlgeordnetes und auf festen Basen beruhendes Verfahren, und dieses Verfahren will man nicht etwa bessern, nicht einzelne Korrekturen eintreten lassen, sondern kunctitus ändern . . Glaubt man schon jetzt etwas tun zu müssen, so verbessere man das Verfahren, kurze die sechs- und vier¬ wöchentliche Frist ab, oder stelle einen anderen Schutz her, indem man etwa dem Beamten den Rekurs an das Oberverwaltungsgericht gestattet. Man muß aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten wollen, nicht einfach den Satz hinstellen: nach vierzigjähriger Dienst¬ zeit sei, wenn der Departementschef die Überzeugung habe, ein Beamter sei nicht mehr dienstfähig, dies genügend, um denselben zu Pensionieren." Im Abgeordnetenhause begründete der Abgeordnete Zelle seine der Negierungsvorlaac entgegenstehende Auffassung. Er halte es für sehr bedenklich, mit den alten Beamten sobald aufzuräumen. „Die alten Beamten haben," fährt Zelle fort, „wenn auch nicht mehr dieselbe Arbeits¬ kraft wie junge, die größere Erfahrung für sich und auch die größere Ruhe; sie haben in der Karriere aufgehört zu wünschen und weiter zu streben, und ich glaube, daß doch manche Erfahrungen aus der neuesten Zeit bei Verwaltungsbeamten gerade eine solche Ruhe der Wünsche und des Temperaments vermissen lassen und uns Wohl davor warnen müssen, jene Elemente beiseite zu schieben. Gerade im Kulturkampf haben wir ja gesehen, daß Gesetze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/129>, abgerufen am 22.12.2024.