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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Don der Vstmarkenfahrt süddeutscher parlcmientaner und Journalisten

So erschienen in einer großen Zahl wichtiger Blätter ganze Reihen von
Artikeln, die dem Ansiedlungswerk und der Ansiedlungspolitik das Wort
redeten. Schon deshalb konnten auch die dem gegenwärtigen Polenkurs feind¬
lichen Zeitungen an der "Ostmarkenfahrt" nicht schweigend vorbeigehn, mehr
noch aus folgenden Erwägungen: daß die Reise wenn nicht direkt von dem
gehaßten Ostmarkenverein veranstaltet, so doch von ihm aufs freundlichste be¬
grüßt wurde, ging aus der höchst liebenswürdigen Haltung aller seiner auf
der Fahrt berührten Ortsgruppen hervor; daß sie von der Regierung be¬
günstigt wurde, mußte ein Blinder sehen an der Art der Beteiligung der
Herren von der Ansiedlungskommission bei der Reise, an der Teilnahme der
Spitzen der Behörden bei den abendlichen Zusammenkünften und vollends an
dem Entgegenkommen der Offiziere bei der Besichtigung der Festungen Posen
und Graudenz und der Kaiserlichen Werft in Danzig. Dazu kam noch, daß
sich uns auf besonder" Befehl aus Berlin selbst die sonst unnahbare Kaiserpfalz
in Posen erschloß, eine Auszeichnung, die keineswegs nur an sich, sondern
auch in ihrer symptomatischen Bedeutung für die Ostmarkenpolitik allerseits,
nicht bloß von der Reisegesellschaft, gebührend gewürdigt wurde.

Mehr als alles dies hat auf die der gegenwärtigen Polenpolitik feind¬
lichen Kreise die mannhafte Aussprache von drei der linksliberalen süddeutschen
Abgeordneten aus unsrer Reisegesellschaft gewirkt, die an drei aufeinander¬
folgenden Tagen vor großen Versammlungen erklärten, daß die Ansiedlungs¬
politik eine Notwendigkeit sei, hinter der das ganze deutsche Volk, nicht bloß
die preußische Regierung stehn müsse, und für die sie selbst für ihren Teil ein¬
treten würden. Auch die Rede eines Herrn vom Bauernbund, der sogar das
Enteignungsgesetz für eine zwingende politische Notwendigkeit erklärte, blieb
nicht unbemerkt. Infolge aller dieser Umstände wurde die Reise selbst und
wurden die Reiseberichte von gegnerischer Seite in kaum zu erwartenden Maße
glossiert, und es wäre für einen jener Dilettanten der Statistik eine dankbare
Aufgabe, im deutschen Blätterwald nachzuzählen, wie oft wir "Potemkinsche
Dörfer" zu fehen bekommen haben, und wie oft von hämischer Seite die in
allen unsern Berichten gerühmte vorzügliche Führung durch die Herren von
der Ansiedlungskommission in eine vorzügliche Bewachung verdreht wurde.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, im Kampf gegen diesen Chorus hier
die ganze Polenfrage aufzurollen und an der Hand dessen siegreich abzutun,
was wir unterwegs in geschlossenen Vorträgen und sonst "offiziell" zu hören
bekamen: ich will den roten und schwarzen Zitatenschätzlern die Freude nicht
machen, ein berechtigtes


... Ach was haben die Herrn
Für ein kurzes Gedärm

gegen mich abzufeuern.

In dieser Wochenschrift ist die Polenfrage schon nach den verschiedensten
Seiten von Kennern behandelt worden. Wenn ich es trotzdem versuche mit


Don der Vstmarkenfahrt süddeutscher parlcmientaner und Journalisten

So erschienen in einer großen Zahl wichtiger Blätter ganze Reihen von
Artikeln, die dem Ansiedlungswerk und der Ansiedlungspolitik das Wort
redeten. Schon deshalb konnten auch die dem gegenwärtigen Polenkurs feind¬
lichen Zeitungen an der „Ostmarkenfahrt" nicht schweigend vorbeigehn, mehr
noch aus folgenden Erwägungen: daß die Reise wenn nicht direkt von dem
gehaßten Ostmarkenverein veranstaltet, so doch von ihm aufs freundlichste be¬
grüßt wurde, ging aus der höchst liebenswürdigen Haltung aller seiner auf
der Fahrt berührten Ortsgruppen hervor; daß sie von der Regierung be¬
günstigt wurde, mußte ein Blinder sehen an der Art der Beteiligung der
Herren von der Ansiedlungskommission bei der Reise, an der Teilnahme der
Spitzen der Behörden bei den abendlichen Zusammenkünften und vollends an
dem Entgegenkommen der Offiziere bei der Besichtigung der Festungen Posen
und Graudenz und der Kaiserlichen Werft in Danzig. Dazu kam noch, daß
sich uns auf besonder» Befehl aus Berlin selbst die sonst unnahbare Kaiserpfalz
in Posen erschloß, eine Auszeichnung, die keineswegs nur an sich, sondern
auch in ihrer symptomatischen Bedeutung für die Ostmarkenpolitik allerseits,
nicht bloß von der Reisegesellschaft, gebührend gewürdigt wurde.

Mehr als alles dies hat auf die der gegenwärtigen Polenpolitik feind¬
lichen Kreise die mannhafte Aussprache von drei der linksliberalen süddeutschen
Abgeordneten aus unsrer Reisegesellschaft gewirkt, die an drei aufeinander¬
folgenden Tagen vor großen Versammlungen erklärten, daß die Ansiedlungs¬
politik eine Notwendigkeit sei, hinter der das ganze deutsche Volk, nicht bloß
die preußische Regierung stehn müsse, und für die sie selbst für ihren Teil ein¬
treten würden. Auch die Rede eines Herrn vom Bauernbund, der sogar das
Enteignungsgesetz für eine zwingende politische Notwendigkeit erklärte, blieb
nicht unbemerkt. Infolge aller dieser Umstände wurde die Reise selbst und
wurden die Reiseberichte von gegnerischer Seite in kaum zu erwartenden Maße
glossiert, und es wäre für einen jener Dilettanten der Statistik eine dankbare
Aufgabe, im deutschen Blätterwald nachzuzählen, wie oft wir „Potemkinsche
Dörfer" zu fehen bekommen haben, und wie oft von hämischer Seite die in
allen unsern Berichten gerühmte vorzügliche Führung durch die Herren von
der Ansiedlungskommission in eine vorzügliche Bewachung verdreht wurde.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, im Kampf gegen diesen Chorus hier
die ganze Polenfrage aufzurollen und an der Hand dessen siegreich abzutun,
was wir unterwegs in geschlossenen Vorträgen und sonst „offiziell" zu hören
bekamen: ich will den roten und schwarzen Zitatenschätzlern die Freude nicht
machen, ein berechtigtes


... Ach was haben die Herrn
Für ein kurzes Gedärm

gegen mich abzufeuern.

In dieser Wochenschrift ist die Polenfrage schon nach den verschiedensten
Seiten von Kennern behandelt worden. Wenn ich es trotzdem versuche mit


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[0066] Don der Vstmarkenfahrt süddeutscher parlcmientaner und Journalisten So erschienen in einer großen Zahl wichtiger Blätter ganze Reihen von Artikeln, die dem Ansiedlungswerk und der Ansiedlungspolitik das Wort redeten. Schon deshalb konnten auch die dem gegenwärtigen Polenkurs feind¬ lichen Zeitungen an der „Ostmarkenfahrt" nicht schweigend vorbeigehn, mehr noch aus folgenden Erwägungen: daß die Reise wenn nicht direkt von dem gehaßten Ostmarkenverein veranstaltet, so doch von ihm aufs freundlichste be¬ grüßt wurde, ging aus der höchst liebenswürdigen Haltung aller seiner auf der Fahrt berührten Ortsgruppen hervor; daß sie von der Regierung be¬ günstigt wurde, mußte ein Blinder sehen an der Art der Beteiligung der Herren von der Ansiedlungskommission bei der Reise, an der Teilnahme der Spitzen der Behörden bei den abendlichen Zusammenkünften und vollends an dem Entgegenkommen der Offiziere bei der Besichtigung der Festungen Posen und Graudenz und der Kaiserlichen Werft in Danzig. Dazu kam noch, daß sich uns auf besonder» Befehl aus Berlin selbst die sonst unnahbare Kaiserpfalz in Posen erschloß, eine Auszeichnung, die keineswegs nur an sich, sondern auch in ihrer symptomatischen Bedeutung für die Ostmarkenpolitik allerseits, nicht bloß von der Reisegesellschaft, gebührend gewürdigt wurde. Mehr als alles dies hat auf die der gegenwärtigen Polenpolitik feind¬ lichen Kreise die mannhafte Aussprache von drei der linksliberalen süddeutschen Abgeordneten aus unsrer Reisegesellschaft gewirkt, die an drei aufeinander¬ folgenden Tagen vor großen Versammlungen erklärten, daß die Ansiedlungs¬ politik eine Notwendigkeit sei, hinter der das ganze deutsche Volk, nicht bloß die preußische Regierung stehn müsse, und für die sie selbst für ihren Teil ein¬ treten würden. Auch die Rede eines Herrn vom Bauernbund, der sogar das Enteignungsgesetz für eine zwingende politische Notwendigkeit erklärte, blieb nicht unbemerkt. Infolge aller dieser Umstände wurde die Reise selbst und wurden die Reiseberichte von gegnerischer Seite in kaum zu erwartenden Maße glossiert, und es wäre für einen jener Dilettanten der Statistik eine dankbare Aufgabe, im deutschen Blätterwald nachzuzählen, wie oft wir „Potemkinsche Dörfer" zu fehen bekommen haben, und wie oft von hämischer Seite die in allen unsern Berichten gerühmte vorzügliche Führung durch die Herren von der Ansiedlungskommission in eine vorzügliche Bewachung verdreht wurde. Es kann nicht meine Aufgabe sein, im Kampf gegen diesen Chorus hier die ganze Polenfrage aufzurollen und an der Hand dessen siegreich abzutun, was wir unterwegs in geschlossenen Vorträgen und sonst „offiziell" zu hören bekamen: ich will den roten und schwarzen Zitatenschätzlern die Freude nicht machen, ein berechtigtes ... Ach was haben die Herrn Für ein kurzes Gedärm gegen mich abzufeuern. In dieser Wochenschrift ist die Polenfrage schon nach den verschiedensten Seiten von Kennern behandelt worden. Wenn ich es trotzdem versuche mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/66>, abgerufen am 24.07.2024.