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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Zur Versöhnung der Konfessionen

Schulen, in privaten Kreisen, im öffentlichen Leben, wo immer sich Gelegenheit
findet, sollten wir zum Frieden mahnen.

Groß ist die Zahl der Männer, die bald aufmunternd, bald warnend ihre
Stimme im Interesse des Konfessionsfriedens erhoben haben. Obenan steht Kaiser
Wilhelm der Zweite, der vor zwei Jahren zu seinen getreuen Westfalen sprach:
"Ihr müßt trotz der Verschiedenheit der religiösen Bekenntnisse zusammenwirken
in treuer Liebe zum Wohle des gemeinsamen Vaterlandes."

Bei Gelegenheit der Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem (31. Oktober
1898) hören wir das Zeugnis des Kaisers: "Möge es gelten von uns und auf
alle von uns im Glaube" getrennten Bruder, möchte es gelten, daß alle Deutschen
glauben an Jesum Christum, der durch sein bitteres Leiden und Sterben und
durch seine sieghafte Auferstehung das Werk der Erlösung vollbracht hat, in dem
allein das geängstigte Menschenherz Heil, Ruhe und Frieden findet für die Zeit
und Ewigkeit. Von Jerusalem kam das Licht der Welt, in dessen Glänze unser
deutsches Volk groß und herrlich geworden ist! Was die germanischen Völker
geworden sind, das sind sie geworden unter dem Panier des Kreuzes von Gol¬
gatha, des Wahrzeichens der selbstaufopfernden Nächstenliebe. Wie vor fast zwei
Jahrtausenden, so soll auch heute von hier aus der Ruf in alle Welt erschallen,
der unser aller sehnsuchtsvolles Hoffen in sich birgt: Friede auf Erden!"

Schon am 10. Juni 1878 sprach der Kronprinz Friedrich Wilhelm es als
seine Hoffnung aus, daß unter Verzicht auf Erörterung prinzipieller Gegensätze
"da, wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar ist, doch versöhnliche
Gesinnung beider Teile den Weg zum Frieden eröffnen werde". Fürst Bismarck
schrieb einmal an seiste Braut: In keinem Felde ist wohl der Spruch: "Richtet
nicht, so werdet ihr nicht gerichtet!" anwendbarer als gerade in Glaubenssachen.
Fürst Äülow erklärte 1904 im Abgeordnetenhause, nicht die Regierung brauche
so sehr den Frieden, sondern das deutsche Volk. Das deutsche Volk solle mit
kleinlichen, gehässigen und elenden konfessionellen Zänkereien verschont bleiben von
beiden Seiten.

' Unter den Bischöfen ist es vornehmlich der Kardinal und Erzbischof Fischer
von Köln, der wiederholt vor dem konfessionellen Haß gewarnt hat, der wie
kein zweites Gift an dem Mark des Volkes zehre. Aus der Reihe der Professoren
verdient Paulsen (f) erwähnt zu werden, der sich wiederholt mit unserm Thema
beschäftigt hat: "Ich denke, wir deutschen Evangelischen und Katholischen haben
überhaupt einen so großen Gemeinbesitz von religiösem und sittlichem Leben, daß
Wir nicht Ursache haben, immer auf die Gegensätze zu blicken und an ihnen uns
zu reiben. Sind nur einmal die beiden so lange getrennten Hälften des deutschen
Volkes wieder zusammengewachsen, so wird die innere Durchdringung nicht aus¬
bleiben: es wird bald kein größerer Ort in Deutschland sein, wo nicht Katholiken
und Protestanten friedlich zusammenwohnen." Mit Paulsen stimmt or. Hacken¬
schmidt überein: "Das Schwergewicht sollte nicht auf diese Seite der Differenz
gelegt, vielmehr die Verständigung gepflegt werden. Werden auch die beider-


Zur Versöhnung der Konfessionen

Schulen, in privaten Kreisen, im öffentlichen Leben, wo immer sich Gelegenheit
findet, sollten wir zum Frieden mahnen.

Groß ist die Zahl der Männer, die bald aufmunternd, bald warnend ihre
Stimme im Interesse des Konfessionsfriedens erhoben haben. Obenan steht Kaiser
Wilhelm der Zweite, der vor zwei Jahren zu seinen getreuen Westfalen sprach:
„Ihr müßt trotz der Verschiedenheit der religiösen Bekenntnisse zusammenwirken
in treuer Liebe zum Wohle des gemeinsamen Vaterlandes."

Bei Gelegenheit der Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem (31. Oktober
1898) hören wir das Zeugnis des Kaisers: „Möge es gelten von uns und auf
alle von uns im Glaube» getrennten Bruder, möchte es gelten, daß alle Deutschen
glauben an Jesum Christum, der durch sein bitteres Leiden und Sterben und
durch seine sieghafte Auferstehung das Werk der Erlösung vollbracht hat, in dem
allein das geängstigte Menschenherz Heil, Ruhe und Frieden findet für die Zeit
und Ewigkeit. Von Jerusalem kam das Licht der Welt, in dessen Glänze unser
deutsches Volk groß und herrlich geworden ist! Was die germanischen Völker
geworden sind, das sind sie geworden unter dem Panier des Kreuzes von Gol¬
gatha, des Wahrzeichens der selbstaufopfernden Nächstenliebe. Wie vor fast zwei
Jahrtausenden, so soll auch heute von hier aus der Ruf in alle Welt erschallen,
der unser aller sehnsuchtsvolles Hoffen in sich birgt: Friede auf Erden!"

Schon am 10. Juni 1878 sprach der Kronprinz Friedrich Wilhelm es als
seine Hoffnung aus, daß unter Verzicht auf Erörterung prinzipieller Gegensätze
„da, wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar ist, doch versöhnliche
Gesinnung beider Teile den Weg zum Frieden eröffnen werde". Fürst Bismarck
schrieb einmal an seiste Braut: In keinem Felde ist wohl der Spruch: „Richtet
nicht, so werdet ihr nicht gerichtet!" anwendbarer als gerade in Glaubenssachen.
Fürst Äülow erklärte 1904 im Abgeordnetenhause, nicht die Regierung brauche
so sehr den Frieden, sondern das deutsche Volk. Das deutsche Volk solle mit
kleinlichen, gehässigen und elenden konfessionellen Zänkereien verschont bleiben von
beiden Seiten.

' Unter den Bischöfen ist es vornehmlich der Kardinal und Erzbischof Fischer
von Köln, der wiederholt vor dem konfessionellen Haß gewarnt hat, der wie
kein zweites Gift an dem Mark des Volkes zehre. Aus der Reihe der Professoren
verdient Paulsen (f) erwähnt zu werden, der sich wiederholt mit unserm Thema
beschäftigt hat: „Ich denke, wir deutschen Evangelischen und Katholischen haben
überhaupt einen so großen Gemeinbesitz von religiösem und sittlichem Leben, daß
Wir nicht Ursache haben, immer auf die Gegensätze zu blicken und an ihnen uns
zu reiben. Sind nur einmal die beiden so lange getrennten Hälften des deutschen
Volkes wieder zusammengewachsen, so wird die innere Durchdringung nicht aus¬
bleiben: es wird bald kein größerer Ort in Deutschland sein, wo nicht Katholiken
und Protestanten friedlich zusammenwohnen." Mit Paulsen stimmt or. Hacken¬
schmidt überein: „Das Schwergewicht sollte nicht auf diese Seite der Differenz
gelegt, vielmehr die Verständigung gepflegt werden. Werden auch die beider-


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[0063] Zur Versöhnung der Konfessionen Schulen, in privaten Kreisen, im öffentlichen Leben, wo immer sich Gelegenheit findet, sollten wir zum Frieden mahnen. Groß ist die Zahl der Männer, die bald aufmunternd, bald warnend ihre Stimme im Interesse des Konfessionsfriedens erhoben haben. Obenan steht Kaiser Wilhelm der Zweite, der vor zwei Jahren zu seinen getreuen Westfalen sprach: „Ihr müßt trotz der Verschiedenheit der religiösen Bekenntnisse zusammenwirken in treuer Liebe zum Wohle des gemeinsamen Vaterlandes." Bei Gelegenheit der Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem (31. Oktober 1898) hören wir das Zeugnis des Kaisers: „Möge es gelten von uns und auf alle von uns im Glaube» getrennten Bruder, möchte es gelten, daß alle Deutschen glauben an Jesum Christum, der durch sein bitteres Leiden und Sterben und durch seine sieghafte Auferstehung das Werk der Erlösung vollbracht hat, in dem allein das geängstigte Menschenherz Heil, Ruhe und Frieden findet für die Zeit und Ewigkeit. Von Jerusalem kam das Licht der Welt, in dessen Glänze unser deutsches Volk groß und herrlich geworden ist! Was die germanischen Völker geworden sind, das sind sie geworden unter dem Panier des Kreuzes von Gol¬ gatha, des Wahrzeichens der selbstaufopfernden Nächstenliebe. Wie vor fast zwei Jahrtausenden, so soll auch heute von hier aus der Ruf in alle Welt erschallen, der unser aller sehnsuchtsvolles Hoffen in sich birgt: Friede auf Erden!" Schon am 10. Juni 1878 sprach der Kronprinz Friedrich Wilhelm es als seine Hoffnung aus, daß unter Verzicht auf Erörterung prinzipieller Gegensätze „da, wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar ist, doch versöhnliche Gesinnung beider Teile den Weg zum Frieden eröffnen werde". Fürst Bismarck schrieb einmal an seiste Braut: In keinem Felde ist wohl der Spruch: „Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet!" anwendbarer als gerade in Glaubenssachen. Fürst Äülow erklärte 1904 im Abgeordnetenhause, nicht die Regierung brauche so sehr den Frieden, sondern das deutsche Volk. Das deutsche Volk solle mit kleinlichen, gehässigen und elenden konfessionellen Zänkereien verschont bleiben von beiden Seiten. ' Unter den Bischöfen ist es vornehmlich der Kardinal und Erzbischof Fischer von Köln, der wiederholt vor dem konfessionellen Haß gewarnt hat, der wie kein zweites Gift an dem Mark des Volkes zehre. Aus der Reihe der Professoren verdient Paulsen (f) erwähnt zu werden, der sich wiederholt mit unserm Thema beschäftigt hat: „Ich denke, wir deutschen Evangelischen und Katholischen haben überhaupt einen so großen Gemeinbesitz von religiösem und sittlichem Leben, daß Wir nicht Ursache haben, immer auf die Gegensätze zu blicken und an ihnen uns zu reiben. Sind nur einmal die beiden so lange getrennten Hälften des deutschen Volkes wieder zusammengewachsen, so wird die innere Durchdringung nicht aus¬ bleiben: es wird bald kein größerer Ort in Deutschland sein, wo nicht Katholiken und Protestanten friedlich zusammenwohnen." Mit Paulsen stimmt or. Hacken¬ schmidt überein: „Das Schwergewicht sollte nicht auf diese Seite der Differenz gelegt, vielmehr die Verständigung gepflegt werden. Werden auch die beider-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/63>, abgerufen am 24.07.2024.