Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Rund um den "Lollmberg

Herr uralten Glocken des Turmes fesselt uns hier der Anblick einer einzigartigen
Dorflinde, Ein Riesenbaum, von dem jeder Hauptast wieder so stark ist wie eine
alte Linde, umhüllt von tiefgeriszner. narbenvoller Rinde steht da vor uns mit allen
Spuren eines fast tausendjährigen Kampfes gegen den Zeitenstrom und den Wetter¬
sturm und doch auch wieder mit allen Spuren unverwüstlich sprossenden, ewig sich
verjüngenden Lebens, ein getreues Abbild des deutschen Volkes. Ich kenne kaum
etwas Ehrwürdigeres als diese Linde, die die ganze Geschichte des Dorfes ge¬
sehen hat von der Gründung bis zur Gegenwart. An ihren Ästen hat der Mark¬
graf bei dem Landding seinen Schild aufgehängt, rings um sie her standen die
ritterlichen Herren des Meißner Landes. Von der Zeit an. wo der Scikristan durch
das Abendländer die auf dem Berge wohnenden Heidengötter von den Giebeln der
Häuser verscheuchte, bis zu der Zeit, wo Zeppelins Luftschiff auch den Collmberg
überfliegt, sind alle die Collmer, die überhaupt geboren wurden, an dieser Linde
vorübergetragen worden zur Taufe und dann wiederum zur stillen Ruh in Gottes
Acker. Aus der nahen Kirche sind dieser Linde jahrhundertelang die frommen Me߬
gesänge der Priester durchs Geäst gerauscht und dann wieder jahrhundertelang die
kampffrohen Gemeindelieder Luthers, und wer weiß, was ihr noch dereinst durchs
Geäst rauschen wird, wenn der Modernsten Kultus der Vernunft das Christentum
ins alte Eisen wirft. Aber das alte Eisen ist langlebig: noch haftet in der gefurchten
Rinde des Baumes ein Kettlein und ein Halsring aus diesem Metall, an die vor¬
zeiten die geschlossen worden, die kirchliche Ehrenstrafen zu verbüßen hatten.

Vom Dorfe Collin führen drei Wege hinunter in den Bereich der Leipzig - Dresdner
Bahn: der kürzeste über Calbitz und Mallwitz nach dem Bahnhof Dohlen, der land¬
schaftlich schönste durch den Oschccher Kirchwald über Striesa nach Oschatz, der für
den Geschichtsfreund interessanteste -- der sogenannte Butterweg -- in den Oschcitzer
Stadtwald, später auf schmälern Waldpfaden rechts ab über die Lampersdorf- Oschatzcr
Straße hinweg zum Stranggraben hinunter und an diesem hin zum "Wüsten Schloß
Osterland", das vor dem Waldanfang an der Straßenkreuzung Striesa - Thalheim und
Lampersdorf-Oschatz liegt. Es ist eine der stattlichsten Ruinen Sachsens, aber auch
eine der rätselhaftesten. Noch Cornelius Gurlitt erklärt im sächsischen Inventar!-
sationswerk (1905), daß er Bauteile, die Aufschluß über ihr Alter geben, nicht
gefunden habe, und lehnt auch ab, Vermutungen über Zweck und Geschichte des
sehr merkwürdigen Baues auszusprechen. Als ich das Wüste Schloß im Mai 1908
gelegentlich eines Ausflugs, den der Königlich Sächsische Altertumsverein dorthin
unternommen hatte, zum erstenmal sah, staunte ich über die Großartigkeit und Eigenart
der ganzen Anlage. Angesichts des östlichen Eckturms mit der Treppenhöhlung und
der Dicke der Bruchsteinmauern mußte ich unwillkürlich an die Ruinen des römischen
Kaiserpalastes in Trier denken, die freilich noch weit umfangreicher und großartiger
sind. Das Wüste Schloß setzt einen ausgebildeten Steinbau voraus, es kann keines¬
falls vor dem elften Jahrhundert entstanden sein. Es ist sicherlich keine gewöhnliche
Adelsburg gewesen; alle Kennzeichen einer solchen wie Bergfried, Wallgraben u. a.
fehlen; noch viel weniger war es ein bürgerliches Haus: den, widersprechen schon
die Größenverhältnisse; denn es bildet ein Rechteck von 41,5 X 32,5 Metern und
bestand aus einem durch zwei gewaltige quadratische Ecktürme flankierten Mittelbau,
an den sich rechtwinklig zwei gleichtiefe Flügel ansetzen, Bauteile, die zusammen mit
einer die Flügelenden verbindenden nach Nordwesten liegenden Mauer einen fast
quadratischen Hof von 22 X 20,5 Metern umschließen. Dieser Hof hatte auf der
Mitte der Nordwestmauer sein Tor. Bei diesen GrößcnverlMtnissen bleibt nichts
übrig, als die Ansicht der ältern Chronisten wieder aufzunehmen und den Bau als
einen Palast der Landesherrschaft aufzufassen, eine Auffassung, die durch das, was


Rund um den «Lollmberg

Herr uralten Glocken des Turmes fesselt uns hier der Anblick einer einzigartigen
Dorflinde, Ein Riesenbaum, von dem jeder Hauptast wieder so stark ist wie eine
alte Linde, umhüllt von tiefgeriszner. narbenvoller Rinde steht da vor uns mit allen
Spuren eines fast tausendjährigen Kampfes gegen den Zeitenstrom und den Wetter¬
sturm und doch auch wieder mit allen Spuren unverwüstlich sprossenden, ewig sich
verjüngenden Lebens, ein getreues Abbild des deutschen Volkes. Ich kenne kaum
etwas Ehrwürdigeres als diese Linde, die die ganze Geschichte des Dorfes ge¬
sehen hat von der Gründung bis zur Gegenwart. An ihren Ästen hat der Mark¬
graf bei dem Landding seinen Schild aufgehängt, rings um sie her standen die
ritterlichen Herren des Meißner Landes. Von der Zeit an. wo der Scikristan durch
das Abendländer die auf dem Berge wohnenden Heidengötter von den Giebeln der
Häuser verscheuchte, bis zu der Zeit, wo Zeppelins Luftschiff auch den Collmberg
überfliegt, sind alle die Collmer, die überhaupt geboren wurden, an dieser Linde
vorübergetragen worden zur Taufe und dann wiederum zur stillen Ruh in Gottes
Acker. Aus der nahen Kirche sind dieser Linde jahrhundertelang die frommen Me߬
gesänge der Priester durchs Geäst gerauscht und dann wieder jahrhundertelang die
kampffrohen Gemeindelieder Luthers, und wer weiß, was ihr noch dereinst durchs
Geäst rauschen wird, wenn der Modernsten Kultus der Vernunft das Christentum
ins alte Eisen wirft. Aber das alte Eisen ist langlebig: noch haftet in der gefurchten
Rinde des Baumes ein Kettlein und ein Halsring aus diesem Metall, an die vor¬
zeiten die geschlossen worden, die kirchliche Ehrenstrafen zu verbüßen hatten.

Vom Dorfe Collin führen drei Wege hinunter in den Bereich der Leipzig - Dresdner
Bahn: der kürzeste über Calbitz und Mallwitz nach dem Bahnhof Dohlen, der land¬
schaftlich schönste durch den Oschccher Kirchwald über Striesa nach Oschatz, der für
den Geschichtsfreund interessanteste — der sogenannte Butterweg — in den Oschcitzer
Stadtwald, später auf schmälern Waldpfaden rechts ab über die Lampersdorf- Oschatzcr
Straße hinweg zum Stranggraben hinunter und an diesem hin zum „Wüsten Schloß
Osterland", das vor dem Waldanfang an der Straßenkreuzung Striesa - Thalheim und
Lampersdorf-Oschatz liegt. Es ist eine der stattlichsten Ruinen Sachsens, aber auch
eine der rätselhaftesten. Noch Cornelius Gurlitt erklärt im sächsischen Inventar!-
sationswerk (1905), daß er Bauteile, die Aufschluß über ihr Alter geben, nicht
gefunden habe, und lehnt auch ab, Vermutungen über Zweck und Geschichte des
sehr merkwürdigen Baues auszusprechen. Als ich das Wüste Schloß im Mai 1908
gelegentlich eines Ausflugs, den der Königlich Sächsische Altertumsverein dorthin
unternommen hatte, zum erstenmal sah, staunte ich über die Großartigkeit und Eigenart
der ganzen Anlage. Angesichts des östlichen Eckturms mit der Treppenhöhlung und
der Dicke der Bruchsteinmauern mußte ich unwillkürlich an die Ruinen des römischen
Kaiserpalastes in Trier denken, die freilich noch weit umfangreicher und großartiger
sind. Das Wüste Schloß setzt einen ausgebildeten Steinbau voraus, es kann keines¬
falls vor dem elften Jahrhundert entstanden sein. Es ist sicherlich keine gewöhnliche
Adelsburg gewesen; alle Kennzeichen einer solchen wie Bergfried, Wallgraben u. a.
fehlen; noch viel weniger war es ein bürgerliches Haus: den, widersprechen schon
die Größenverhältnisse; denn es bildet ein Rechteck von 41,5 X 32,5 Metern und
bestand aus einem durch zwei gewaltige quadratische Ecktürme flankierten Mittelbau,
an den sich rechtwinklig zwei gleichtiefe Flügel ansetzen, Bauteile, die zusammen mit
einer die Flügelenden verbindenden nach Nordwesten liegenden Mauer einen fast
quadratischen Hof von 22 X 20,5 Metern umschließen. Dieser Hof hatte auf der
Mitte der Nordwestmauer sein Tor. Bei diesen GrößcnverlMtnissen bleibt nichts
übrig, als die Ansicht der ältern Chronisten wieder aufzunehmen und den Bau als
einen Palast der Landesherrschaft aufzufassen, eine Auffassung, die durch das, was


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0610" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314957"/>
          <fw type="header" place="top"> Rund um den «Lollmberg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2650" prev="#ID_2649"> Herr uralten Glocken des Turmes fesselt uns hier der Anblick einer einzigartigen<lb/>
Dorflinde, Ein Riesenbaum, von dem jeder Hauptast wieder so stark ist wie eine<lb/>
alte Linde, umhüllt von tiefgeriszner. narbenvoller Rinde steht da vor uns mit allen<lb/>
Spuren eines fast tausendjährigen Kampfes gegen den Zeitenstrom und den Wetter¬<lb/>
sturm und doch auch wieder mit allen Spuren unverwüstlich sprossenden, ewig sich<lb/>
verjüngenden Lebens, ein getreues Abbild des deutschen Volkes. Ich kenne kaum<lb/>
etwas Ehrwürdigeres als diese Linde, die die ganze Geschichte des Dorfes ge¬<lb/>
sehen hat von der Gründung bis zur Gegenwart. An ihren Ästen hat der Mark¬<lb/>
graf bei dem Landding seinen Schild aufgehängt, rings um sie her standen die<lb/>
ritterlichen Herren des Meißner Landes. Von der Zeit an. wo der Scikristan durch<lb/>
das Abendländer die auf dem Berge wohnenden Heidengötter von den Giebeln der<lb/>
Häuser verscheuchte, bis zu der Zeit, wo Zeppelins Luftschiff auch den Collmberg<lb/>
überfliegt, sind alle die Collmer, die überhaupt geboren wurden, an dieser Linde<lb/>
vorübergetragen worden zur Taufe und dann wiederum zur stillen Ruh in Gottes<lb/>
Acker. Aus der nahen Kirche sind dieser Linde jahrhundertelang die frommen Me߬<lb/>
gesänge der Priester durchs Geäst gerauscht und dann wieder jahrhundertelang die<lb/>
kampffrohen Gemeindelieder Luthers, und wer weiß, was ihr noch dereinst durchs<lb/>
Geäst rauschen wird, wenn der Modernsten Kultus der Vernunft das Christentum<lb/>
ins alte Eisen wirft. Aber das alte Eisen ist langlebig: noch haftet in der gefurchten<lb/>
Rinde des Baumes ein Kettlein und ein Halsring aus diesem Metall, an die vor¬<lb/>
zeiten die geschlossen worden, die kirchliche Ehrenstrafen zu verbüßen hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2651" next="#ID_2652"> Vom Dorfe Collin führen drei Wege hinunter in den Bereich der Leipzig - Dresdner<lb/>
Bahn: der kürzeste über Calbitz und Mallwitz nach dem Bahnhof Dohlen, der land¬<lb/>
schaftlich schönste durch den Oschccher Kirchwald über Striesa nach Oschatz, der für<lb/>
den Geschichtsfreund interessanteste &#x2014; der sogenannte Butterweg &#x2014; in den Oschcitzer<lb/>
Stadtwald, später auf schmälern Waldpfaden rechts ab über die Lampersdorf- Oschatzcr<lb/>
Straße hinweg zum Stranggraben hinunter und an diesem hin zum &#x201E;Wüsten Schloß<lb/>
Osterland", das vor dem Waldanfang an der Straßenkreuzung Striesa - Thalheim und<lb/>
Lampersdorf-Oschatz liegt. Es ist eine der stattlichsten Ruinen Sachsens, aber auch<lb/>
eine der rätselhaftesten. Noch Cornelius Gurlitt erklärt im sächsischen Inventar!-<lb/>
sationswerk (1905), daß er Bauteile, die Aufschluß über ihr Alter geben, nicht<lb/>
gefunden habe, und lehnt auch ab, Vermutungen über Zweck und Geschichte des<lb/>
sehr merkwürdigen Baues auszusprechen. Als ich das Wüste Schloß im Mai 1908<lb/>
gelegentlich eines Ausflugs, den der Königlich Sächsische Altertumsverein dorthin<lb/>
unternommen hatte, zum erstenmal sah, staunte ich über die Großartigkeit und Eigenart<lb/>
der ganzen Anlage. Angesichts des östlichen Eckturms mit der Treppenhöhlung und<lb/>
der Dicke der Bruchsteinmauern mußte ich unwillkürlich an die Ruinen des römischen<lb/>
Kaiserpalastes in Trier denken, die freilich noch weit umfangreicher und großartiger<lb/>
sind. Das Wüste Schloß setzt einen ausgebildeten Steinbau voraus, es kann keines¬<lb/>
falls vor dem elften Jahrhundert entstanden sein. Es ist sicherlich keine gewöhnliche<lb/>
Adelsburg gewesen; alle Kennzeichen einer solchen wie Bergfried, Wallgraben u. a.<lb/>
fehlen; noch viel weniger war es ein bürgerliches Haus: den, widersprechen schon<lb/>
die Größenverhältnisse; denn es bildet ein Rechteck von 41,5 X 32,5 Metern und<lb/>
bestand aus einem durch zwei gewaltige quadratische Ecktürme flankierten Mittelbau,<lb/>
an den sich rechtwinklig zwei gleichtiefe Flügel ansetzen, Bauteile, die zusammen mit<lb/>
einer die Flügelenden verbindenden nach Nordwesten liegenden Mauer einen fast<lb/>
quadratischen Hof von 22 X 20,5 Metern umschließen. Dieser Hof hatte auf der<lb/>
Mitte der Nordwestmauer sein Tor. Bei diesen GrößcnverlMtnissen bleibt nichts<lb/>
übrig, als die Ansicht der ältern Chronisten wieder aufzunehmen und den Bau als<lb/>
einen Palast der Landesherrschaft aufzufassen, eine Auffassung, die durch das, was</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0610] Rund um den «Lollmberg Herr uralten Glocken des Turmes fesselt uns hier der Anblick einer einzigartigen Dorflinde, Ein Riesenbaum, von dem jeder Hauptast wieder so stark ist wie eine alte Linde, umhüllt von tiefgeriszner. narbenvoller Rinde steht da vor uns mit allen Spuren eines fast tausendjährigen Kampfes gegen den Zeitenstrom und den Wetter¬ sturm und doch auch wieder mit allen Spuren unverwüstlich sprossenden, ewig sich verjüngenden Lebens, ein getreues Abbild des deutschen Volkes. Ich kenne kaum etwas Ehrwürdigeres als diese Linde, die die ganze Geschichte des Dorfes ge¬ sehen hat von der Gründung bis zur Gegenwart. An ihren Ästen hat der Mark¬ graf bei dem Landding seinen Schild aufgehängt, rings um sie her standen die ritterlichen Herren des Meißner Landes. Von der Zeit an. wo der Scikristan durch das Abendländer die auf dem Berge wohnenden Heidengötter von den Giebeln der Häuser verscheuchte, bis zu der Zeit, wo Zeppelins Luftschiff auch den Collmberg überfliegt, sind alle die Collmer, die überhaupt geboren wurden, an dieser Linde vorübergetragen worden zur Taufe und dann wiederum zur stillen Ruh in Gottes Acker. Aus der nahen Kirche sind dieser Linde jahrhundertelang die frommen Me߬ gesänge der Priester durchs Geäst gerauscht und dann wieder jahrhundertelang die kampffrohen Gemeindelieder Luthers, und wer weiß, was ihr noch dereinst durchs Geäst rauschen wird, wenn der Modernsten Kultus der Vernunft das Christentum ins alte Eisen wirft. Aber das alte Eisen ist langlebig: noch haftet in der gefurchten Rinde des Baumes ein Kettlein und ein Halsring aus diesem Metall, an die vor¬ zeiten die geschlossen worden, die kirchliche Ehrenstrafen zu verbüßen hatten. Vom Dorfe Collin führen drei Wege hinunter in den Bereich der Leipzig - Dresdner Bahn: der kürzeste über Calbitz und Mallwitz nach dem Bahnhof Dohlen, der land¬ schaftlich schönste durch den Oschccher Kirchwald über Striesa nach Oschatz, der für den Geschichtsfreund interessanteste — der sogenannte Butterweg — in den Oschcitzer Stadtwald, später auf schmälern Waldpfaden rechts ab über die Lampersdorf- Oschatzcr Straße hinweg zum Stranggraben hinunter und an diesem hin zum „Wüsten Schloß Osterland", das vor dem Waldanfang an der Straßenkreuzung Striesa - Thalheim und Lampersdorf-Oschatz liegt. Es ist eine der stattlichsten Ruinen Sachsens, aber auch eine der rätselhaftesten. Noch Cornelius Gurlitt erklärt im sächsischen Inventar!- sationswerk (1905), daß er Bauteile, die Aufschluß über ihr Alter geben, nicht gefunden habe, und lehnt auch ab, Vermutungen über Zweck und Geschichte des sehr merkwürdigen Baues auszusprechen. Als ich das Wüste Schloß im Mai 1908 gelegentlich eines Ausflugs, den der Königlich Sächsische Altertumsverein dorthin unternommen hatte, zum erstenmal sah, staunte ich über die Großartigkeit und Eigenart der ganzen Anlage. Angesichts des östlichen Eckturms mit der Treppenhöhlung und der Dicke der Bruchsteinmauern mußte ich unwillkürlich an die Ruinen des römischen Kaiserpalastes in Trier denken, die freilich noch weit umfangreicher und großartiger sind. Das Wüste Schloß setzt einen ausgebildeten Steinbau voraus, es kann keines¬ falls vor dem elften Jahrhundert entstanden sein. Es ist sicherlich keine gewöhnliche Adelsburg gewesen; alle Kennzeichen einer solchen wie Bergfried, Wallgraben u. a. fehlen; noch viel weniger war es ein bürgerliches Haus: den, widersprechen schon die Größenverhältnisse; denn es bildet ein Rechteck von 41,5 X 32,5 Metern und bestand aus einem durch zwei gewaltige quadratische Ecktürme flankierten Mittelbau, an den sich rechtwinklig zwei gleichtiefe Flügel ansetzen, Bauteile, die zusammen mit einer die Flügelenden verbindenden nach Nordwesten liegenden Mauer einen fast quadratischen Hof von 22 X 20,5 Metern umschließen. Dieser Hof hatte auf der Mitte der Nordwestmauer sein Tor. Bei diesen GrößcnverlMtnissen bleibt nichts übrig, als die Ansicht der ältern Chronisten wieder aufzunehmen und den Bau als einen Palast der Landesherrschaft aufzufassen, eine Auffassung, die durch das, was

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/610
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/610>, abgerufen am 24.07.2024.